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SPD-Spitzenkandidat SPD-Spitzenkandidat: Burkhard Lischka - Kümmern mit Kuchen

Von Kai Gauselmann 01.09.2013, 11:55
Burkhard Lischka auf dem Weg zum „Kuchenbesuch“. Den Kuchen bringt der Wahlkämpfer natürlich mit.
Burkhard Lischka auf dem Weg zum „Kuchenbesuch“. Den Kuchen bringt der Wahlkämpfer natürlich mit. Andreas Stedtler Lizenz

Magdeburg/MZ - „Jetzt ist aber gut!“, ruft Burkhard Lischka beschwichtigend. Doch Remo Kannegießer steht im Garten der Kita „Elbespatzen“ in Barby (Salzlandkreis) und regt sich weiter auf. So einen an die zwei Meter großen Typen mit Türsteher-Kreuz kann man schwer bremsen. Das kann er nicht einmal selber. Kannegießer weiß, dass er über den SPD-Mann Lischka lieber schweigen sollte. „Ich bin in der CDU und völlig schwarz. Ich kann nicht sagen, was ich über ihn denke - sonst werde ich aus der Partei geworfen.“ Der 42-Jährige tut es trotzdem.

Kannegießer, der Geschäftsführer des Kindergarten-Trägervereins Nestwärme im Salzlandkreis ist, lobt den SPD-Bundestagsabgeordneten. „Er ist immer da, wenn wir ihn brauchen. Er arbeitet zwischen den Wahlen mehr als vor den Wahlen.“ Die Kandidaten der anderen Parteien hingegen, die sehe man „nur vier Wochen vor der Wahl“.

Das Lob ist Bestätigung für das politische Geschäftsmodell Lischkas. Man könnte ihn Bürgermanager nennen. Oder Kümmerer. „Ich werde dafür bezahlt, dass ich mich kümmere. Ich wüsste gar nicht, was ich sonst in der sitzungsfreien Zeit machen sollte“, sagt Lischka. 22 Wochen im Jahr sind Sitzungen des Bundestages. Lischka ist rechtspolitischer Sprecher der SPD. Da kann er zu Themen reden wie der Regelung gegen Abgeordneten-Bestechung. Die ist trotzdem gescheitert an der CDU/FDP-Mehrheit.

Wegen solcher Vergeblichkeiten ist Opposition Mist. „Hier vor Ort hat man konkrete Erfolge. Ich brauche das Gefühl, am Ende des Tages etwas erreicht zu haben“, sagt Lischka.

Im Laufe eines Lischka-Tages kommt man herum in seinem Wahlkreis, zu dem Magdeburg und der Altkreis Schönebeck gehören. Lischka macht „Kuchenbesuche“. An 80 000 Haushalte hat er Karten verteilen lassen: Wer wollte, konnte die zurückschicken und ihn einladen - Lischka bringt den Kuchen mit. 150 Mal bisher. Heute geht geht es unter anderem mit Zuckerkuchen zum TuS 1860 Magdeburg-Neustadt. Eine achtköpfige Runde meist älterer Sportfreunde hat ihn eingeladen. Die Plastiktische am Vereinsheim sind mit weißen Decken und Porzellan gedeckt. Es geht um Flut, Stadtumbau, Rente, die Projekte des Vereins. Die Sportsfreunde erzählen, dass sie Förderung für einen neuen Sozialtrakt beantragen. „Wenn es hakt, dann sagen Sie mal Bescheid“, bietet Lischka an. Ach ja, und eine Wiese in der Nähe werde von der Stadt nicht gepflegt. Lischka verspricht: „Da rufe ich mal an.“

Lischka redet wenig über Berliner Politik: Fünf Minuten von anderthalb Stunden Gespräch. Und nur bei der Angleichung der Ost-Renten stanzt er Wahlkampf-Sätze: „Es kann nicht sein, dass wir ein Vierteljahrhundert nach der Wende noch unterschiedliche Systeme haben.“ Deshalb sei er froh, dass die SPD die Angleichung im Wahlprogramm habe „und Peer Steinbrück das auch gesagt hat“.

Es bleibt das einzige Mal auf der siebenstündigen Tour durch den Wahlkreis, dass er die Worte SPD, Wahlprogramm und Steinbrück in den Mund nimmt. „Das ist eben meine normale Wahlkreisarbeit“, erklärt Lischka, als er am Steuer seines Mini-Coopers sitzt, auf dem Weg in den Salzlandkreis. „Wahlkampf ist das da“, sagt er und zeigt auf ein Plakat an einer Laterne mit seinem Bild: „Lischka grillt“. Er macht mit dem „roten Grill“ Station auf den Marktplätzen im Wahlkreis: Mit Würstchen, Freibier - und den Wahl-Stanzen.

Natürlich könnte man alles heute unter Wahlkampf-Verdacht stellen, nur Wochen vor dem Wahltag. Aber es gibt nicht nur den Kronzeugen aus der konkurrierenden Partei. Lischka kann sein politisches Helfersyndrom auch glaubhaft herleiten. „Bei den Christen heißt das Nächstenliebe, bei den Sozis Solidarität.“ Die habe er im Elternhaus mitbekommen: Der Vater war Pfarrer. „Ich habe schon als Kind erlebt, wie er sich etwa um Obdachlose gekümmert hat.“ Das Elternhaus stand nicht hier. Das hört man am Ost-West-Mix. Lischka sagt zwar „dreie“ oder „Jetz is ma jut“. Großmütter nennt er aber „Omma“ und spricht von „Fottos“.

Geboren wurde der Magdeburger in Marsberg im Sauerland. Als Jugendlicher zeichnete sich der Drang in die Politik ab: Lischka wurde Klassensprecher, Schülersprecher und nach dem Abi zog er für die Grünen in den Stadtrat ein, ein kleiner Akt der Rebellion in einer Gegend, wo die CDU auf 60 Prozent kam. Im Jura-Studium ist er bei den Grünen raus und bei der SPD rein - wegen der ewigen Fundi-Realo-Debatten. Nach dem Studium wurde er Notar in Sachsen-Anhalt, zog nach Magdeburg, gründete eine Familie, die Kinder sind 15 und acht, wurde Ratsherr und 2006 Justiz-Staatssekretär. Die Verwaltung war nicht seins, „ich will Politik machen“. 2009 kam er in den Bundestag, über die Landesliste, die er nun anführt.

Im Mini geht es weiter nach Calbe, zum Kanuverein. Diesmal ohne Kuchen, hier hat ihn Bürgermeister Dieter Tischmeyer (parteilos) alarmiert. Das Vereinsheim wurde nicht nur von der Saale geflutet. „Wir waren diesmal gut auf das Wasser vorbereitet - dann hat es gebrannt“, erzählt Kanutin Christel Löbert. Die Ursache ist unklar, es war wohl ein Kurzschluss. Der Innenminister war schon da, die Kanuten erhalten Hilfe. Die Frage ist nur, wieviel und wann. „Es hilft, wenn man protegiert wird“, so der Bürgermeister. „Es ist was anderes, ob wir dahin kommen oder Sie uns die Türen öffnen“, sagt er zu Lischka. Der hat schon an der Tür geklopft: Und dem Bürgermeister und der Kanutin einen Termin beim zuständigen Beamten der Staatskanzlei gemacht. Weil die Kanuten ihr neues Heim auf Stelzen bauen wollen, wird es teurer. „Sie werden am Ende eine Lücke in der Finanzierung haben“, meint Lischka. Die könne man durch „Klappern“ schließen, etwa durch Spenden.

Wie für die Kitas des CDU-Hünen Kannegießer. Die Schüler von Lischkas alter Schule im Sauerland haben für die hiesigen Flutopfer mehr als 11 000 Euro gesammelt - und ihm das Geld dann anvertraut. Von 5 000 Euro hat er Kühlschränke und Waschmaschinen gekauft für Flutopfer in Barby. Den Rest bekamen die Kitas.

Kannegießer ist übrigens nicht der einzige Schwarze, der den Roten lobt. Auf Lischkas Internetseite gibt es ein Wahlwerbevideo, da antwortet einer auf die Frage, was er von Lischka halte: „Sehr viel.“ Als Staatssekretär habe er eine „sehr sachorientierte Arbeit geleistet“. Und jetzt bemühe sich Lischka, „politische Probleme transparent zu machen auf interessante Weise“. Das sagt: Wolfgang Böhmer - Ex-Ministerpräsident und früherer CDU-Landeschef.