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Spaß beiseite Spaß beiseite: Thomas Schied sitzt für "Die Partei" im Parlament

Von Steffen Könau 28.06.2014, 21:42
Thomas Schied sitzt für die Satire-Partei „Die Partei“ im Stadtrat von Halle (Saale).l
Thomas Schied sitzt für die Satire-Partei „Die Partei“ im Stadtrat von Halle (Saale).l Jens Schlüter Lizenz

An sein erstes Mal erinnert sich Thomas Schied noch genau. „Ob ich nicht in die Partei eintreten wolle“, wurde er Ende der 80er Jahre gefragt. Schied sagte Nein. „Die Partei? Konnte ich mir nicht vorstellen.“ Dass er ein Vierteljahrhundert später nun aber sogar Karriere in der Partei macht... Schied schmunzelt schief. Erstaunlich sei das schon, auch wenn die Partei von heute nichts mit der Partei von damals zu tun hat.

Während die sich heute Die Linke nennt, ist die andere die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative, kurz P.A.R.T.E.I.. Und Thomas Schied, im Saalekreis aufgewachsen und gelernter Rinderzüchter wie so viele bekannte Politiker, ist der erste Mandatsträger der neuen politischen Kraft in ganz Ostdeutschland. Anfang März erst schloss der Hallenser sich der vor zehn Jahren vom Göttinger Satiriker Martin Sonneborn gegründeten Vereinigung an. „Und nach Mitternacht und ein paar Bier habe ich dann gesagt, ich kandidiere.“

Kein lustiger Typ

Schied, das lange Haar zum Zopf gebunden, ist von Beruf Bluesmusiker und Hausmann. Die Betreuung der vier Kinder ist ein Ganztagsjob, abends spielt er mit seiner Bluesband Blind Flying Dogs Konzerte. Die Idee, in die Politik zu gehen, schien ihm in dieser Nacht dennoch originell - und das keineswegs, weil die Partei immer als Spaßpartei und Satiretruppe bezeichnet wird. Sondern trotzdem. „Wir sind von der Mitgliederzahl her die siebtgrößte deutsche Partei“, betont er, „und die Ernsthaftigkeit unseres Strebens ist uns vom Landeswahlleiter bescheinigt worden.“ Er selbst sei im übrigen sowieso kein lustiger Typ. „Ich kann mir keine Witze merken“, versichert Schied, für den seine Partei weder Spaßprojekt noch politische Humorbrigade ist. Sondern ein Beweis, „dass Demokratie unterschiedliche Ansichten erträgt.“

Lesen Sie auf der nächsten Seite von der „Kraft der extremen Mitte“.

Bei seiner Kandidatur sei es ihm um die Umsetzung der politischen Ziele der Partei gegangen. Auf kommunaler Ebene wären das unter anderem die Einführung einer Maut für Pkw mit SK-Kennzeichen, die Wiederherstellung der vollen Souveränität Halle-Neustadts und den Abriss der Franckeschen Stiftungen. Vor allem dieser Abriss sei wichtig, weil die Partei ja auch für die Herstellung eines freien Blicks auf die historische Hochstraße aus DDR-Zeiten stehe. Die sei ein einmaliges Bauwerk und zudem noch lange nicht so alt wie die Häuser der Stiftung, die ihre „normale Standzeit seit vielen Jahren überschritten haben“.

Schied lächelt nicht, während er das sagt. Aber das fällt ihm sichtlich schwer. An die Wochen des Wahlkampfes denkt der 45-Jährige als eine aufreibende Zeit zurück. Die Lehren der Partei zu vermitteln, dem Wähler nahezubringen, da hilft kein Spaß. „Wir hatten wenig Geld, man hat uns totgeschwiegen, aber wir haben es geschafft, uns Gehör zu verschaffen“, sagt er stolz.

Fast 2000 Wähler stimmten für die politische „Kraft der extremen Mitte“, wie sie sich selbst nennt. Diese 0,87 Prozent seien zwar nicht ganz „die 100 plus X, die wir uns vorgenommen hatten“, räumt Schied ein. Aber während andere ehemals große Parteien dabei seien, klein aufzuhören, fange seine Partei eben gerade erst klein an.

Es ist kein leichter Beginn, denn die Geschichte der Partei ist die Geschichte eines anhaltenden Missverständnisses: Die Spaßpartei wird nicht ernstgenommen. „Aber nur weil unser Parteivorsitzender von Beruf Satiriker ist, sind wir doch keine Satire-Partei“, klagt Thomas Schied. Schließlich werde die CDU auch nicht „Physiker-Partei“ genannt, weil ihre Parteivorsitzende einst Physik studiert habe.

Nur, wie das so ist im politischen Geschäft - klebt das Label erstmal, dann klebt es. Thomas Schied verweist auf die Anstrengungen, die es gekostet hat, überhaupt als Partei anerkannt zu werden. „Man muss Unterschriften sammeln, die Daten mit den Meldebehörden abgleichen und vom Landeswahlausschuss die Parteieigenschaft bestätigen lassen - das ist alles kein Witz.“ Auch die Finanzierung des Wahlkampfes sei harte Arbeit gewesen. „Erst ein Benefizkonzert hat die 400 Euro eingebracht, die wir gebraucht haben, um Plakate drucken zu können.“ Der Spitzenkandidat selbst zog mit aus, sie aufzuhängen. Und zahlte Lehrgeld dabei. „Einmal bin ich fast von der Leiter gefallen, ein andermal löste der Regen die Plakate vom Träger, kaum dass sie aufgehängt waren.“

Lesen Sie auf der nächsten Seite von der Funktion als Stadtrat der größten Stadt von Sachsen-Anhalt.

Umso besser hat ihm dann der Wahlabend gefallen, als die kleine Parteigruppe von Halle die Früchte ihrer Mühen und der eisernen Parteidisziplin erntete, die nach Schieds Einschätzung „jede Art von Flügelkampf ausschließt“. Von Erdrutschsieg wolle er nicht sprechen, aber überraschend sei dieses „beste Partei-Ergebnis aller Zeiten“ schon gewesen. Offenbar für alle: „Die Regie im Stadthaus hatte kein Parteilogo von uns zur Hand.“

Freude hin, Freude her, der Spitzenkandidat ist an jenem Abend zum ersten Mal aus der Rolle gefallen. Thomas Schied, der im Wahlkampf virtuos mit den üblichen Polit-Plattitüden gespielt hatte, bemerkte auf einmal erschrocken, dass er nun tatsächlich gewählt ist. „Eine Nummer, aus der ich nicht mehr rauskomme“, sagt er Wochen später, mental mehr denn je im Spagat zwischen seiner Partei, die die Inhaltsleere politischer Rituale durch gnadenlose Zuspitzung aufdeckt. Und seiner anstehenden Funktion als Stadtrat der größten Stadt von Sachsen-Anhalt, die sich nicht mit absurden Forderungen und Witzen auf Kosten der Partei-Konkurrenz füllen lassen wird.

Der Anfang ist gemacht

Thomas Schied muss lachen, denn nun wird es ernst. Er studiere im Moment die Regularien der Stadtratsarbeit, erzählt er. Nicht alles sei schön, was er da lese, denn als einzelner Abgeordneter habe man kaum Möglichkeiten, sein Mandat vernünftig auszuüben. Weil die beiden verbliebenen Abgeordneten der FDP darunter auch leiden, gab es den Plan, „ihnen das Angebot zu machen, zu uns zu kommen.“ Andersherum gehe es ja nicht, weil die beiden Liberalen nur trotz ihrer Partei gewählt worden seien, er selbst aber wegen seiner. „Das heißt, ich verdanke meiner Partei alles, so dass ich nicht wechseln kann.“ Am Ende hat dann der Bauch entschieden, für die Linke. „Die einzige Partei, bei der wir auf der Suche nach Freibier am Wahlabend erfolgreich waren.“

Manches ist im Fluss, vieles droht spannend zu werden. Der Chef der Linken in Halle ist überzeugt, dass „Thomas Schied ernsthaft Kommunalpolitik betreiben will“. Der Chef der CDU hat die Köpfe der Partei eingeladen, mal vorbeizukommen. Man könne den Humor der Neulinge gebrauchen.

Dass es so lustig werden könnte, hat Thomas Schied selbst nicht gedacht. Denn im Mittelpunkt seiner Parlamentsarbeit soll ja die inhaltliche Arbeit stehen, versichert der Partei-Politiker. Schon im Wahlkampf habe die CDU eine erste Forderung der Partei übernommen. „Drahtlos-Internet in der Straßenbahn, das haben wir uns ausgedacht.“ Wo solche Ideen herkommen, ist noch mehr Potenzial. Schied verweist auf den isländischen Komiker Jón Gnarr, der mit seiner „Die beste Partei“ vor vier Jahren die Wahlen in Reykjavik gewann und ein anfangs belächelter Oberbürgermeister wurde. Als Gnarr letzte Woche aus dem Amt schied, weil er wieder als Komiker arbeiten will, lobte ihn sein sozialdemokratischer Nachfolger dann mit den Worten, „die ganze Gesellschaft hat von Jón Gnarr gelernt“.

Was Halle lernen wird, Sachsen-Anhalt und ganz Deutschland, ist noch unklar, sogar Thomas Schied. Aber der Anfang ist gemacht. „Der nächste Schritt geht in die Landespolitik“, so viel steht fest. Thomas Schied sagt bierernst, er werde seine Wähler nicht enttäuschen. „Viele kenne ich ja auch persönlich.“

Zur offiziellen Parteiseite: www.die-partei.net/halle/

Parteigründer Martin Sonneborn sitzt im EU-Parlament.
Parteigründer Martin Sonneborn sitzt im EU-Parlament.
dpa Lizenz