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Schäfer in Sachsen-Anhalt Schäfer Sachsen-Anhalt: Warum es dieser Berufsstand so schwer hat

Von Walter Zöller 10.09.2018, 11:31
Hunderte Zuschauer verfolgten in der Nähe von Morl den Hütewettbewerb.
Hunderte Zuschauer verfolgten in der Nähe von Morl den Hütewettbewerb. Walter Zöller

Brachstedt - Wie ist es möglich, 400 Schafe zwar nicht gerade in Reih und Glied, aber doch in einer geordneten Formation im rechten Winkel um eine Ecke zu manövrieren? Einem erfahrenen Schäfer gelingt das mit seinen Hütehunden.

Einer der beiden hält - ohne sich zu bewegen - die Stellung an dem Punkt, an dem die Schafe „abbiegen“ sollen. Der zweite Hund dirigiert die Herde dann genau in die Richtung, in die sie laufen müssen. Der Altdeutsche Hirtenhund zeigt den wenigen Schafen, die ausbüxen wollen, wer der Chef ist.

Bester Schäfer Sachsen-Anhalts gesucht

Diese Maßarbeit ist Teil eines Wettbewerbs, den der Landesschafzuchtverband Sachsen-Anhalt am Sonntag auf den Brachflächen zwischen Morl und Brachstedt (Saalekreis) veranstaltet hat. Gesucht wurde unter sechs Schäfern derjenige, der Sachsen-Anhalt mit seinen beiden Hunden in zwei Wochen bei der Deutschen Meisterschaft in Baden-Württemberg vertritt.

Solche Ereignisse auf weiter Flur sind jedoch viel mehr als nur ein Wettstreit unter Kollegen: Es handelt sich um eine Art Familientreffen von aktiven Schäfern und solchen, die den Beruf schon vor Jahren aufgegeben haben. Die Schäfer pflegen ihre Tradition. Sie tragen voller Stolz ihre Arbeitskleidung mit dem breiten Hut und der auffallenden Weste. Genau 36 Knöpfe zählt Letztere.

"Schäfer bleibt man ein Leben lang"

Sie symbolisieren, dass Schafe 36 Wochen im Jahr draußen gehütet werden. „Schäfer bleibt man sein Leben lang, auch wenn man das Handwerk nicht mehr ausübt“, sagt Manfred Otto aus Korbetha im Saalekreis.

Doch die Schäfer schauen nicht nur in den Rückspiegel, sondern auch nach vorne. Drängende Probleme gibt es genug: etwa den fehlenden Nachwuchs, das gewandelte Berufsbild und natürlich das Treiben des Wolfs.

Bundessieger 2017: Schäfer kommt aus Droyßig

Einer, bei dem sich Tradition und Zukunft vereinen, ist der 54-jährige Schäfer Ralf Engel aus Droyßig im Burgenlandkreis, der am Sonntag an dem Wettbewerb teilnahm und im Jahr 2017 Bundessieger war. Schon sein Vater hat als Schäfer gearbeitet, er selbst lernte das Handwerk in der DDR.

Doch 1991 war zunächst Schluss, denn nach der Wende ging die Zahl der Schafherden rapide zurück. Ralf Engel wechselte „auf den Bau“ und nutzte sieben Jahre später die Chance, als Angestellter des Agrarbetriebs Droßdorf in seinen alten Beruf zurückzukehren.

Was Schäfer an ihrer Arbeit so schätzen

Auf die Frage, was ihn am Schäferdasein so reizt, sagt er: „Man muss auch ein wenig verrückt sein.“ Engel kann sich keinen schöneren Beruf vorstellen. Er liebt die Arbeit mit den Tieren, die Ausbildung der Hütehunde, seinen Arbeitsplatz unter freiem Himmel und auch, dass er weitgehend selbstbestimmt arbeiten kann.

„Wir haben kaum noch Nachwuchs“, beleuchtet Engel die Schattenseite dieses „schönsten Berufs der Welt“. Viele wollten nicht auch Weihnachten, Ostern oder am Vatertag arbeiten. Denn wenn die anderen feiern, müsse er sich auch an solchen Tagen um seine Schafe kümmern. Hinzu kämen die veränderten wirtschaftlichen Bedingungen. „Mit dem Verkauf von Wolle und Lammfleisch kann keine Schäfer mehr überleben“, stellt Engel fest.

Immer weniger Schäfer in Sachsen-Anhalt

Was der Schäfer beschreibt, deckt sich mit den Erfahrungen von Hans-Jörg Rösler, Geschäftsführer des Landesschafzuchtverbands. „Die Schäfer leben von der Pflege der Kulturlandschaft“, sagt er. Die Schafe halten etwa auf Deichen oder ehemaligen Truppenübungsplätzen die Pflanzen niedrig. Nach Röslers Angaben gibt es in Sachsen-Anhalt derzeit noch 70 Schafhaltungen im Haupterwerb, die Zahl sei aber stark rückläufig.

Und jetzt noch der Wolf. Zählten die Schäfer im Jahr 2016 schon 44 Übergriffe durch das Raubtier, waren es ein Jahr später 70. „Die Schäfer empfinden die Wölfe als Bedrohung ihres Eigentums“, sagt Rösler.

Schäfer haben Angst vor Wölfen

Das sieht auch Engel so. Ihm graue vor dem Tag, an dem auch bei ihm ein Wolf in eine der Schafherden eindringe. Im benachbarten Zeitzer Forst sei bereits ein Raubtier gesichtet worden.

Wolf hin und fehlender Nachwuchs her - das konnte die gute Stimmung beim Hütewettbewerb nicht trüben. Die Zuschauer waren fast alle vom Fach und sahen so, dass die sechs Teilnehmer sich bestens vorbereitet hatten. Man bemühe sich das ganze Jahr über, die Tiere nach allen Regeln der Schäferkunst zu treiben - und trainiere so mit den Hütehunden letztlich auch für den Wettstreit, sagt Engel. „Die Hunde dürfen nicht verlottern.“

Bester Schäfer Sachsen-Anhalts kommt aus Halle

Jeder Schäfer war mit der Herde etwa eine Stunde unterwegs, in der alle Prüfungen erledigt sein mussten. Die Aufgaben entsprachen dem, was Schäfer und Hunde regelmäßig begegnet: Schafe müssen eine enge Brücke überqueren, ein Auto passiert die Herde oder die Tiere werden in eine enge Koppel getrieben. Die Hirtenhunde gehorchen dabei den Schäfern nicht nur aufs Wort, sondern sie reagieren auch auf jedes Handzeichen.

Die sechs Schäfer waren zwar am Sonntag Konkurrenten - bleiben aber Freude, wie sie betonten. Wobei sich der Schäfermeister Martin Winz aus Halle besonders freuen dürfte. Denn er meisterte die Übungen mit seinen Hunden am Besten - und wird nur an den Deutschen Meisterschaft teilnehmen. Bei nächsten Familienfest der Schäfer. (mz)

Ein Schäfer absolviert mit seinen Tieren eine der sechs Übungen.
Ein Schäfer absolviert mit seinen Tieren eine der sechs Übungen.
Walter Zöller
Auch ehemalige Schäfer kamen nach Morl.
Auch ehemalige Schäfer kamen nach Morl.
Walter Zöller
Schäfer Ralf Engel mit seinen Tieren.
Schäfer Ralf Engel mit seinen Tieren.
Walter Zöller