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Leichtathletik  Leichtathletik : Ein quirliges Quartett

Von Detlef Liedmann 06.12.2020, 17:37
Sarah Michelle Richter (links) mit ihren Schwestern Veronique und Mia Sophie (rechts) im Museum.
Sarah Michelle Richter (links) mit ihren Schwestern Veronique und Mia Sophie (rechts) im Museum. Maik Richter

Aschersleben - So richtig habe sie sich immer noch nicht dran gewöhnt, fünf Tage von ihrer Familie getrennt zu sein. „Mit fehlt der Spaß, den wir gemeinsam haben“, sagt Sarah Richter. Zwölf Jahre ist das Mädchen alt und besucht seit Anfang September die Sportschule in Magdeburg. Kein Hund bellt im Haus, keine Schildkröte wartet auf ihr Futter. Und wenn Sarah Richter am Wochenende zu Hause ist, bleibt wenig Zeit. Da möchte sie mal ausschlafen. Oder mit Mutter Romy und ihren Schwestern shoppen gehen.

„Es ist schon anstrengend in Magdeburg“, so die Zwölfjährige. Dreiviertel sechs klingelt der Wecker, die Schule beginnt um sieben. Zwischen letzter Stunde und Trainingsbeginn für die Leichtathletin liegen gerade einmal 30 Minuten. Und die Einheit dauert zwei Stunden von 15.15 bis 17.15 Uhr. „Dann dusche ich und mache Hausaufgaben.“

„So einen langen Tag haben nicht mal wir als Erwachsene“

Vom Aufstehen bis zum Trainingsende sind es also elfeinhalb Stunden. „So einen langen Tag haben nicht mal wir als Erwachsene“, sagt Vater Maik, der als Lkw-Fahrer bei einem Getränkegroßhandel arbeitet. Vier Mädchen gehören zur Familie. Und alle treiben Sport. Auch wenn die Älteste gerade eine Pause einlegt wegen der Ausbildung. Zunächst hat das Quartett Handball gespielt. Erst beim HC Salzland, dann in Aschersleben, wo die Richters ein Haus gemietet haben. „Aber in Aschersleben gibt es ja keine reinen Mädchenmannschaften. Und im Jungsteam hatte ich kaum Einsatzzeiten“, begründet Sarah Richter ihren Wechsel zur Leichtathletik.

„Eigentlich hieß es damals, die Kapazitäten seien erschöpft“

Dabei seien die Kinder in dieser Hinsicht nicht familiär vorbelastet. Vater Maik sitzt sportlich am liebsten auf dem Fahrrad. Mutter Romy, sie stammt aus Dresden, hat an der Elbe Handball und Volleyball gespielt. „Aber die Mädchen wollten weiter Sport machen“, so Richter übers quirlige Quartett.

Also habe man bei den Leichtathleten von Lok Aschersleben nachgefragt. Drei Jahre ist das jetzt her. „Eigentlich hieß es damals, die Kapazitäten seien erschöpft. Aber zum Probetraining durften die Mädchen mal vorbeikommen“, erinnert sich Richter. Und fortan hatten die vier Schwestern eine neue sportliche Heimat.

„Sie haben mich nicht angenommen. Und ich habe mich totgeweint“

In diesem Zusammenhang fällt im Gespräch immer wieder der Name Löffler. „Frank und seiner Frau haben wir viel zu verdanken“, sagt Romy Richter. Denn unter Löfflers Fittichen entwickelten sich die Töchter derart gut, dass auch die Verantwortlichen im Land schnell aufmerksam wurden. Dann die Enttäuschung an der Sportschule Halle. „Sie haben mich nicht angenommen. Und ich habe mich totgeweint“, beschreibt Sarah Michelle Richter ihre Gefühle.

Doch aus der Landeshauptstadt kamen positive Signale. Obwohl eigentlich schon alle Plätze vergeben waren. „Aber die verantwortliche Trainerin des Landes wollte sie unbedingt haben und hat sich gekümmert“, so Maik Richter, der seine Tochter jeden Freitagnachmittag aus Magdeburg abholt. „Wenn Papa einmal nicht kann, dann holt mich Opa.“

Geografie als ihr Lieblingsfach: „Das macht mir schon Spaß, etwas über andere Länder zu erfahren.“

Sprint, Wurf und Weitsprung sind die Disziplinen, in denen Sarah Michelle Richter glänzt. Ihre Zukunft soll aber auf den längeren Distanzen liegen. Den 200 und 400 Metern. In diesem Jahr war die Wettkampfzahl coronabedingt überschaubar. Und wann es weitergeht, steht momentan in den Sternen. Immerhin hat die Aschersleberin, sie startet weiter für Lok, als Sportschülerin die Möglichkeit, nahezu uneingeschränkt trainieren zu können. Neben Sport, natürlich, nennt die Sechstklässlerin Geografie als ihr Lieblingsfach. „Das macht mir schon Spaß, etwas über andere Länder zu erfahren.“

Und wenn der Plan aufgeht, wird Sarah Michelle Richter das eine oder andere Land auch mal auf Wettkampfreisen kennenlernen. Beruflich hat sie noch keine Vorstellungen. Sportlich schon. „An Olympischen Spielen möchte ich teilnehmen“, sagt sie. Bis 2036 will sie sich ihren Traum erfüllt haben. Vielleicht gemeinsam mit ihrer Schwester Mia Sophie. Bei ihr würden die Sportschulen bereits Schlange stehen.

„Immer, wenn Mia Sophie zu einem Sprint antritt, gucken viele fast schon mitleidig, weil sie die Kleinste ist. Und wundern sich dann, dass sie allen davonrennt“, erklärt Mutter Romy. Es wird also nie langweilig bei den Richters. Und wenn die Weihnachtsferien anstehen, ist auch Sarah Michelle wieder mal ein paar Tage am Stück zu Hause und hat Spaß mit ihrer Familie.

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1948 als Einheit Reichsbahn gegründet

Der Sportverein Lok Aschersleben wurde im November 1948 gegründet und firmierte zunächst unter dem Namen Einheit Reichsbahn. Im März 1951 erfolgte die Umbenennung in Betriebssportgemeinschaft Lokomotive Aschersleben. Unter anderem gab es auch die Sektionen Wasserball und Kunstschwimmen. Letztere brachte einige DDR-Meisterinnen hervor. Nach der Wende gingen einige Sportler andere Wege. So nabelten sich zum Beispiel 1994 die Fußballer ab und gründeten mit den Kickern von Arminia den 1. FC Aschersleben. Seit 2011 pflegen die Aschersleber eine herzliche Verbindung mit Sportlern aus dem finnischen Kerava. Noch länger dauert die Freundschaft der Kegler mit denen aus dem niedersächsischen Peine. Nämlich bereits seit der Wende. (mz)