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Kostenexplosion bei den Abfallgebühren  Kostenexplosion bei den Abfallgebühren im Salzlandkreis: Ist das ein Verstoß gegen das Grundgesetz?

Von Torsten Adam 15.10.2019, 11:56
Der Umgang mit Sperrmüll bleibt ein Streitthema im Salzlandkreis. Die Abgabe kleiner Mengen in den Wertstoffhöfen soll jetzt fünf Euro kosten.
Der Umgang mit Sperrmüll bleibt ein Streitthema im Salzlandkreis. Die Abgabe kleiner Mengen in den Wertstoffhöfen soll jetzt fünf Euro kosten. pülicher

Bernburg - Wenn die Mitglieder des Kreistags am Mittwoch in Bernburg zu ihrer Sitzung zusammentreten, steht ihnen ein unangenehmer Tagesordnungspunkt bevor. Sie sollen auf Wunsch des für die Entsorgung zuständigen Kreiswirtschaftsbetriebes einer drastischen Erhöhung der Restmüllgebühren ab 1. Januar 2020 um fast 43 Prozent zustimmen. Bei der Biotonne steigt der Preis sogar um über 47 Prozent und ist dann so hoch wie in keiner anderen Region in Sachsen-Anhalt.

Kostenexplosion bei den Abfallgebühren: Fünf Euro Gebühr statt wie sonst kostenfrei

Das ist aber noch längst nicht alles, was die Verbraucher schlucken sollen. Konnten Sperrmüll und Elektroschrott in geringem Umfang (bis zu einem Kubikmeter) bislang kostenfrei in den Wertstoffhöfen abgegeben werden, werden dafür künftig fünf Euro verlangt, kündigte Betriebsleiter Ralf Felgenträger auf Nachfrage von Siegfried Westphal (CDU) im Kreisentwicklungsausschuss an. Kostenfrei bleibe lediglich die Abgabe von Grüngut.

Weiteren Zündstoff birgt die Sperrmüll-Abfuhr. Bislang war jedem Einwohner des Salzlandkreises und somit jedem Gebührenpflichtigen die kostenfreie Abholung von zwei Kubikmetern zweimal im Jahr laut Satzung zugesichert. Der Kreiswirtschaftsbetrieb ignorierte dies jedoch seit Jahren, wie er einräumte, und billigte in der Praxis nur jedem Haushalt zweimal zwei Kubikmeter zu. Mehrpersonen-Haushalte, die auf ihr Recht pochten, wurden dazu gedrängt, teure Entsorgungscontainer für 57 Euro zu ordern. Um die bisherige illegale Vorgehensweise zu legitimieren, soll dies sich ab 2020 in der neuen Satzung spiegeln.

Kostenexplosion bei den Abfallgebühren: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich

Thoralf Winkler (Grüne) ist nicht der Einzige, der rechtliche Bedenken anmeldet. „Die Gebührenkalkulation wird pro Einwohner berechnet, die Sperrmüllabfuhr bezieht sich auf Haushalte. Das ist eine Ungleichbehandlung von Haushalten mit Kindern gegenüber Alleinlebenden“, kritisierte er im Kreisentwicklungsausschuss.

Gunnar Schellenberger (CDU) hielt dem entgegen, dass es keine absolute Gerechtigkeit gebe und er selbst noch nie die Sperrmüll-Abfuhr in Anspruch genommen habe und dennoch Müllgebühren in voller Höhe zahle.

Ein Verwaltungsrechtler sagte der MZ allerdings, dass die Satzung ein Verstoß gegen Artikel drei des deutschen Grundgesetzes sein könnte. Darin heißt es: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“

Kostenexplosion bei den Abfallgebühren: Vorgelegter Vergleich ist falsch

Nach Angaben von Ralf Felgenträger sind die neuen Gebühren marktgerecht. Ein dem Kreistag vorgelegter Vergleich zwischen allen Landkreisen und kreisfreien Städten in Sachsen-Anhalt für einen Vier-Personen-Musterhaushalt soll das belegen.

Demnach bewege sich der Salzlandkreis ab 2020 mit 199 Euro Restabfallgebühr im Mittelfeld. Am günstigsten sei es in Dessau-Roßlau (154 Euro), am teuersten in Anhalt-Bitterfeld (387 Euro).

Das Problem: Laut MZ-Recherchen ist dieser Vergleich falsch. Allein zwei Stichproben bei den angeblich teuersten Landkreisen ergaben, dass die Gebühren dort viel günstiger sind als vom hiesigen Kreiswirtschaftsbetrieb behauptet.

Beispiel Altmarkkreis Salzwedel: Der Musterhaushalt zahlt dort nicht 317 Euro, sondern lediglich 180 Euro. Vorausgesetzt, die vier Personen erzeugen dort genauso viel Müll wie jene im Salzlandkreis. Ist der Haushalt in der Altmark sparsamer, zahlt er sogar nur die Mindestgebühr von 158 Euro. Hintergrund: Im Kreis Salzwedel wird lediglich eine durchschnittliche Verbrauchsmenge von 8 Litern je Person und Jahr kalkuliert, im Salzlandkreis mit 15 Litern fast das Doppelte.

In Anhalt-Bitterfeld muss ein sparsamer Vier-Personen-Haushalt 234 Euro Restmüllgebühr im Jahr zahlen und keineswegs 387 Euro.

Angesichts der Vielzahl von Ungereimtheiten ist offen, ob die von der Verwaltung vorgelegten Änderungswünsche bei der Entsorgungs- und der Gebührensatzung im Kreistag eine Mehrheit finden. Im Entwicklungsausschuss fielen sie jedenfalls durch. Linke-Fraktionschefin Sabine Dirlich kündigte gegenüber der MZ an, den Sperrmüll-Passus nicht akzeptieren zu wollen. Wie die Fraktion mit der Gebührenerhöhung umgehe, müsse noch beraten werden. (mz)