Sächsische Sicherheitswacht Sächsische Sicherheitswacht: Hilfssheriffs oder Spaziergänger in Uniform?
Leipzig - Sie sind dort, wo die Polizei normalerweise selten hinkommt - in Kleingartenanlagen, auf Parkplätzen, in Geschäften. Sie suchen auf der Straße das Gespräch auch mit Leuten, die Ordnungshüter gewöhnlich lieber von hinten sehen. Machen sie eine Pause, dann gerne in einem der Szene-Cafés - dort, wo es im Stadtteil Connewitz am wildesten zugeht.
Frank Engelin und Reinhard Richter laufen Streife für die Sächsische Sicherheitswacht. Das ist ein Ehrenamt, zweimal pro Woche, 40 Stunden im Monat. Insgesamt 120 Messestädter versuchen so Ordnung im Revier zu halten - und das bereits seit 1997.
Vergleichbares sucht man in Sachsen-Anhalt vergeblich. Stattdessen versuchen erste Städte wie Thale im Harz, die Polizei zu unterstützen, indem sie private Sicherheitsdienste anheuern. Oder es gründen sich spontan Bürgerwehren, zum Beispiel in Großkorbetha (Burgenlandkreis), um Einbrecher zu vertreiben oder abzuschrecken.
Würde das Land dem sächsischen Beispiel folgen wollen, müsste ein Gesetz her. Eine entsprechende Initiative ist aber nicht in Sicht. So bleibt es bei der Aussage eines Sprechers des Innenministeriums: „Wir nehmen die Erfahrungen der Kollegen in Sachsen mit großem Interesse zur Kenntnis.“
Eine Waffe tragen die Leipziger Sicherheitsleute nicht. Ihre Befugnisse beschränken sich auf das Aussprechen von Platzverweisen und das vorläufige Festnehmen, mehr nicht. Scheu kann man ihnen dennoch nicht nachsagen. Mit der blauen Uniform-Jacke verbinden sie eine Dienstauffassung, auf den Punkt gebracht: Wir sind keine Spaziergänger in Uniform, wir wollen Gutes tun. Frank Engelin spricht aus zwölf Jahren Erfahrung: „Meist ist es das Beste, ganz klar zu sagen, wer wir sind und was wir wollen - ein vernünftiges Miteinander.“ Wer das Häufchen seines Hundes auf dem Bürgersteig liegen lässt, bekommt genauso eine freundliche, aber nachdrückliche Ansage wie jene, die oft unter Alkohol im Wohngebiet krakeelen. Engelin, im Berufsleben lange Zeit als Sozialpädagoge tätig: „Zeigen sich die Übeltäter uneinsichtig, rufen wir natürlich die Polizei-Profis zu Hilfe.“
Sein Kollege Reinhard Richter staunt manchmal selbst, welch nachhaltige Wirkung ein entschiedenes Auftreten zeigt. „Wo die Sicherheitswacht ist, geht es eigentlich immer friedlich zu.“ Dazu müsse man sich nicht unbedingt auf Respektsperson trimmen, sagt der 66-Jährige. „Auch wenn Dienstausweis, Pfefferspray und Mobiltelefon in Ausnahmefällen ganz hilfreich sind.“ Ein Fall ist dem ehemaligen Maschinenbau-Ingenieur im Gedächtnis geblieben. So habe man jemanden im letzten Moment davon abhalten können, einem an einer Ampel haltenden Radfahrer die Laptoptasche vom Gepäckträger zu reißen. Noch ein Erfolg aus der jüngsten Vergangenheit: Dem Duo gelingt es einem Drohnen-Piloten auf die Schliche zu kommen, der Grundstückseignern bei seinen Aufnahmen aus der Luft offenbar zu nah auf die Pelle rückt.
Wann die Sicherheitskräfte ihre Grenzen spüren und wie viele Sicherheitswächter es momentan in Sachsen gibt, erfahren Sie auf Seite 2.
Jedoch spüren die Sicherheitswächter auch ihre Grenzen. Das ist oft der Fall, wenn mehr oder weniger professionelle Täter am Werke sind. Deren Treiben reicht von der illegalen Müllablagerung bis zum Diebstahl von Parkautomaten. Ein Foto vom Tatort, eine telefonische Meldung an das Polizeirevier, vielleicht noch eine Frage an den Nachbarn - mehr ist einfach nicht drin, bedauern Engelin und Richter dann ein wenig.
Doch auch so versteht Polizeihauptkommissar Günter Seifert, einer der Partner der Sicherheitswacht im Revier, den Einsatz der Sicherheitswacht als „große Hilfe“. Das Wichtigste sei, dass die Ehrenamtlichen nicht nur Präsenz im Straßenbild zeigten. „Sie übernehmen einen beträchtlichen Teil der vorbeugenden Tätigkeit.“ Als Ansprechpartner für jedermann kümmerten sie sich um unzählige Alltagsfragen. „Jedes Gespräch stärkt das Sicherheitsgefühl“, meint Seifert - auch wenn sich die Effizienz nicht in statistischen Angaben messen lässt. Zudem macht die Polizeigewerkschaft deutlich, dass freiwillige Helfer niemals gut ausgebildete Polizisten ersetzen können. Mit ihren Erfahrungen stehen die Leipziger nicht allein.
Patricia Vernhold, Pressereferentin im Sächsischen Innenministerium, sagt: „Die Sicherheitswacht im Freistaat zählt momentan mehr als 500 Mitarbeiter, hauptsächlich in den großen Städten.“ Weitere Bundesländer, die teils seit Jahren schon auf ein solches Modell setzen, sind Bayern, Baden-Württemberg und Hessen.
Inzwischen scheiden aber viele Sicherheitswächter aus Alters- und Gesundheitsgründen bereits wieder aus. Nachwuchs zu finden, ist offenbar nicht so einfach. Die Polizeidirektion Leipzig versucht es sogar mit Inseraten. Die Reaktion darauf, heißt es, sei aber nur mäßig. Arbeitslose Akademiker wie in den Anfangsjahren seien inzwischen selten geworden. Aber vielleicht liegt die Zurückhaltung auch nur an der recht bescheiden anmutenden Aufwandsentschädigung für das Ehrenamt. Sechs Euro pro Einsatzstunde gibt es. Das spült monatlich maximal 240 Euro in die Geldbörse. Viel ist das nicht für so viel guten Willen. (mz)