Sachsen-Anhalts Denkmalbörse Sachsen-Anhalts Denkmalbörse: Prachtbad steht online zum Verkauf

Halberstadt/MZ - Jugendstil-Fliesen, Säulengänge am Schwimmbecken, eine Sauna aus Kaisers Zeiten - für Stadtentwickler Jens Klaus ist die 1898 errichtete Badeanstalt in Halberstadt ein Riesenschatz. Leider kann mit dem leerstehenden Denkmal und seinen 70 Räumen, darunter auch Wohnungen, niemand etwas anfangen. Wenn sich daran nichts ändert, droht irgendwann der Abriss.
Gegen das Vergessen
Doch es gibt eine letzte Chance: Sachsen-Anhalts Denkmalbörse. Das ist ein spezielles Internet-Portal des Landes. Andreas Riethmüller vom Landesverwaltungsamt erklärt den Sinn: „Wer sich für ein denkmalgeschütztes Objekt interessiert, muss oft lange nach einem geeigneten Verkäufer suchen. Das erinnert an Stochern im Heuhaufen.“
Wo ist was zu welchen Bedingungen im Angebot - die Börse will den Weg zum geschäftlichen Erfolg abkürzen. Deshalb präsentiert die Homepage seit nunmehr fünf Jahren „vergessene“ historische Gebäude mit Bauplänen, Fotos und Beschreibungen.
Fast geschenkt
Dazu gehört auch das Hallenbad in Halberstadt. Seit 15 Jahren steht es leer. Schaden nimmt es kaum, weil die Stadt für das Nötigste sorgt - zum Beispiel für ein neues Dach nach originalen Bauplänen. Im Vergleich dazu erscheint der verhandelbare Kaufpreis von 170 000 Euro fast als ein Geschenk. Die Kommune selbst sieht sich mit dem Objekt auf Dauer aber überfordert.
Jens Klaus: „Uns fehlt ein schlüssiges Konzept, es mangelt am Geld.“ Ohne fremde Hilfe, warnt der 52-Jährige, gehe ein Stück der lokalen Kulturgeschichte verloren. Dann müsse Halberstadt, im Zweiten Weltkrieg zu 80 Prozent zerstört, mit einer neuen etwa 3 000 Quadratmeter großen Baulücke im Stadtzentrum leben.
Weg ins Badeparadies
Wasser und Strom sind in dem Gebäudekomplex seit Jahren abgestellt. Die Schlüsselgewalt besitzt Marion Niedorf vom Liegenschaftsamt. Sie staune jedes Mal aufs Neue, sagt die Verwalterin, während sie das schwere Holztor aufdrückt. Sauber gemauerte Klinker, eine Reihe mit stilisierten Löwenköpfen als Schmuck, schmiedeeiserne Laternen, breite Treppen aus Granit. Niedorf: „Das ist der Weg ins Badeparadies unserer Eltern und Großeltern, der ist für die Ewigkeit gebaut.“
Wenig später leuchtet die Frau mit einem Handscheinwerfer das Sprungbecken mit 25-Meter-Bahn aus. Aufmerksam sieht sie sich um, klopft an Wände und Rohre, dreht an Armaturen. „Alles dicht, keine einzige Fliese fehlt.“ Es ist die Entdeckung der Leere, die Träume anregt. Niedorf schwärmt von der Akustik. Hier könnte ein Hollywood-Star wie George Clooney vielleicht ein Filmorchester aufspielen lassen, wirbt die Immobilien-Fachfrau.
Das nächste Aha-Erlebnis wartet im Untergeschoss des Prachtbaus auf Besucher: 20 separate Wannenbäder - noch bis zuletzt genutzt. Als weiterer Clou erweist sich die im Grunde noch funktionstüchtige Sauna samt Spiegeln unterm Kreuzgewölbe - mit unverwüstlichen Naturstein-Liegen.
Kontakt auf Knopfdruck
Kostenfrei informiert die Plattform der Denkmalbörse über Subventionen sowie über Fragen des Denkmalschutz- und Baurechts. Kontakte lassen sich über das Menü einfach per Tastendruck herstellen. Riethmüller: „Auf die konkreten Verhandlungen nimmt die Börse aber keinen Einfluss.“ Neu im Portal sind neben dem Halberstädter Bad auch die Fabrikantenvilla Kroker in Burg, die Windmühle Tultewitz und ein Dombaumeister-Haus in Naumburg. Insgesamt stehen 53 vom Landesverwaltungsamt zuvor geprüfte Offerten zur Auswahl. So haben unter dem Motto „In liebevolle Hände abzugeben“ seit 2008 einige Dutzend Villen, Bauernhäuser, Industriebauten oder Mühlen die Besitzer gewechselt. „Ein Ende ist bei den 60 000 Baudenkmalen im Lande nicht abzusehen.“ Nicht zuletzt Abrisse sollen mit Hilfe der Börse vermieden werden. Für sechs Objekte sei Riethmüller zufolge die Rettung zu spät gekommen.
Gute Ideen sind nicht immer leicht umzusetzen
Nicht einfach ist es oft, für alte Baudenkmale neue bezahlbare Nutzungskonzepte zu entwickeln. So verhält es sich auch in Halberstadt, obwohl gute Ideen auf dem Tisch liegen. Die Stadt verweist auf eine wissenschaftliche Arbeit von Absolventen der Hochschule Hildesheim, die viele Anregungen liefert. Eine Variante könnte eine bauliche Verbindung mit dem Gymnasium gegenüber sein, vielleicht mit einem gläsernen Übergang in der ersten Etage. Auch ein Umbau zur stilvollen Wellness-Oase für die Hotels im Umkreis sei denkbar. Selbst ein Veranstaltungssaal lässt sich vorstellen, zumal einige Auftritte von Künstlern dort vor Jahren schon statt gefunden haben.
Alle Vorschläge werden jedoch mit einer Frage konfrontiert: Wer sollen die Nutzer sein? Die Zahl der Einwohner steigt jedenfalls nicht - im Gegenteil. Und egal, welches Projekt in Halberstadt einmal den Zuschlag erhält, der Käufer der Badeanstalt muss laut Denkmalbörse für die Sanierung eine Million Euro mitbringen.
Mehr im Internet: www.landesverwaltungsamt.sachsen-anhalt.de
