Finanzstreit Zwei Landräte verklagen Sachsen-Anhalt in Karlsruhe
Mansfeld-Südharz und der Salzlandkreis reichen Verfassungsbeschwerde ein. Ihr Ziel: mehr Geld aus der Landeskasse. Sie sehen die Lebensqualität ihrer Bürger in Gefahr.
Magdeburg/MZ - Mit einer Verfassungsbeschwerde wollen der Salzlandkreis und der Landkreis Mansfeld-Südharz höhere Zuschüsse vom Land erzwingen. Die Klage sei am Donnerstag beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingegangen, sagte Markus Bauer (SPD), Landrat im Salzlandkreis. Die Landkreise bräuchten ausreichend Geld, um den eigenen Bürgern etwas zu bieten, sagte Bauer: „Wir müssen investieren können und Infrastruktur vorhalten, wenn wir attraktiv bleiben wollen.“ Für sogenannte freiwillige Aufgaben sei aber nahezu nichts mehr übrig. Gemeint sind Einrichtungen wie die Kreismusikschule, Museen oder Orchester.
Durch die Aufnahme von Flüchtlingen, die Coronakrise und die Energiekrise seien die Landkreise immer stärker belastet worden, ohne dass die Zuweisungen vom Land deutlich gestiegen seien. „Wir sehen es jetzt als einzigen Weg, das beim Bundesverfassungsgericht einzuklagen“, sagte Bauer.
Immer tiefer in die Schulden
Der Landkreis Mansfeld-Südharz ist bereits jetzt offiziell als überschuldet eingestuft. Mit 259 Millionen Euro steht die Gebietskörperschaft in der Kreide – das ist deutlich mehr als das gesamte Vermögen, das auf einen Buchwert von 212 Millionen Euro kommt. Mit immer schärferen Sparmaßnahmen versuche man gegenzusteuern, sagte Landrat André Schröder (CDU). Man leiste sich auch weniger Personal als andere Landkreise.
Doch 98 Prozent der Ausgaben seien durch Gesetze vorgegeben, und man werde das Jahr mit einem Fehlbetrag von 44 Millionen Euro abschließen. „Es ist etwas faul in diesem Land, wenn wir gesetzlich verpflichtende Ausgaben nur noch über Schulden bezahlen, und das dauerhaft über Jahre“, sagte Schröder. Der Landkreis habe kein Ausgaben-, sondern ein Einnahmeproblem.
Jugendhilfe, Bürgergeld - all das müssen die Landkreise zahlen
Ihre Verfassungsbeschwerde stützen die beiden Landkreise auf die Zusage des Grundgesetzes, dass nicht nur die Gemeinden, sondern auch sogenannte Gemeindeverbände das Recht der Selbstverwaltung haben. Dafür, so das Argument der Landkreise, brauche es auch Geld. Wenn nahezu alle Einnahmen in solche Aufgaben fließen, die vom Staat vorgegeben sind, hätten der Landrat und die gewählten Kreistagsmitglieder faktisch nichts mehr zu entscheiden. Gesetzlich geregelt sind etwa Sozialausgaben wie Jugendhilfe oder die Wohnkosten von Bürgergeld-Empfängern.
Das Bundesverfassungsgericht muss nun prüfen, ob aus dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung tatsächlich ein Anspruch auf eine finanzielle Mindestausstattung abzuleiten ist. Laut Landkreistag Sachsen-Anhalt wäre das für Karlsruhe ein Novum. Eine schnelle Entscheidung ist allerdings nicht zu erwarten: Gleich gelagerte Verfassungsbeschwerden der Stadt Pirmasens und des Landkreises Kaiserslautern in Rheinland-Pfalz sind bereits seit mehr als drei Jahren anhängig.
Gesucht werde ein Schiedsrichter, heißt es diplomatisch
In Sachsen-Anhalt wird um die Finanzausstattung der Kommunen bereits seit Jahren heftig prozessiert, bislang allerdings lediglich bei den Verwaltungsgerichten und dem Landesverfassungsgericht. Allein der Landkreis Mansfeld-Südharz wurde von kreisangehörigen Gemeinden seit 2017 mit rund 60 Klagen überzogen – Ziel war jeweils eine Reduktion der sogenannten Kreisumlage, durch die Städte und Gemeinden den Landkreis mitfinanzieren.
Das Verhältnis zwischen Bürgermeistern und Landräten ist seither belastet – letztere bemühten sich am Freitag, kein Öl ins Feuer zu gießen. Es gehe nicht darum, „den Gemeinden etwas wegzunehmen“, beteuerte Salzlandkreis-Landrat Bauer. Ein zweites Signal ging Richtung Land: Mit der Verfassungsbeschwerde suche man einen Schiedsrichter „und keinen Schuldigen“, sagte Schröder.
Das Land zahlt gut ein Drittel mehr als noch 2021
Landesfinanzminister Michael Richter (CDU) weist den Vorwurf der Unterfinanzierung zurück. „Das Land Sachsen-Anhalt erfüllt seinen Verfassungsauftrag auf eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen“, sagte Ministeriumssprecherin Nancy Eggeling. In diesem Jahr bekämen die Landkreise 762 Millionen Euro, gut ein Drittel mehr als noch 2021. Im kommenden Jahr seien zusätzliche 61 Millionen vorgesehen.
Bei den Zuschüssen für die Kommunen müsse man aber sehen, „dass das Land im Rahmen seiner Möglichkeiten nur das geben kann, was das Land auch selbst zur Verfügung hat“, sagte Minister Richter.