Kommentar zum Umzug westdeutscher Rechtsextremisten in den Osten Vom Neonazi zum besorgten Bürger
Sich unter Montagsproteste zu mischen, ist eine bei der extremen Rechten verbreitete Strategie der Normalisierung.
Halle/MZ - Seit Jahren warnt der Verfassungsschutz vor dem Zuzug westdeutscher Neonazis in den Osten. Wie sie vorgehen in ihrer neuen Heimat, lässt sich jetzt gut in Halberstadt beobachten: unauffällig. Die aus Nordrhein-Westfalen in den Nordharz gezogenen Rechtsextremisten treten dort kaum offensiv in Erscheinung, selbst bei den Montagsprotesten nicht.
Man sollte sich davon nicht täuschen lassen. Sich unter derartige Demonstrationen zu mischen, ist eine bei der extremen Rechten verbreitete Strategie der Normalisierung. Wo Menschen protestieren, die Krieg und Aufrüstung fürchten oder keine Windräder im Wald haben möchten, da erscheinen auch Neonazis schnell als besorgte Bürger. Die Montagsdemonstranten mögen wenige sein, sie mögen als Spinner verschrien sein – für Rechtsextreme sind sie eine Anlaufstelle auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft.
Zugleich weben die Zugezogenen ein Netzwerk mit Gesinnungsgenossen aus der Region. Dass ein jahrelanger Organisator von Rechtsrock-Konzerten ebenso wieder auftaucht wie Neonazis aus dem Jerichower Land – es ist alarmierend. Sind die Behörden wachsam genug? Der Umzug der NRW-Rechten in den Harz war Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz jedenfalls eine Notiz im jüngsten Jahresbericht wert. Das kann man als Signal an die Szene lesen: Wir haben euch auf dem Schirm. Gut so.