Rosenmontagsumzug in Köthen Straßenkarneval trotz mulmigem Gefühl - Ein Zeichen gegen die Angst
Straßensperren und Polizeipräsenz: Die Sicherheit am Rosenmontag in Köthen wurde deutlich erhöht. Kann man da unbelastet feiern? Ein Besuch beim größten Straßenkarneval in Sachsen-Anhalt

Köthen/MZ. - Festwagen um Festwagen rollt in Schrittgeschwindigkeit über den Köthener Bärplatz. Auf dem Rosenmontagsumzug präsentieren Karnevalisten ausgefallene Kostüme und lang geprobte Tänze. Kamelle fliegen durch die Luft. „Völlig losgelöst von der Erde“ dröhnt es musikalisch aus den Lautsprechern. Losgelöst und ausgelassen feiern anscheinend auch die Narren auf Sachsen-Anhalts größtem Straßenkarneval. Doch ist die Stimmung nach den verschärften Sicherheitsvorkehrungen tatsächlich so unbeschwert? Die MZ hat mit Besuchern auf einer der ersten öffentlichen Großveranstaltungen nach dem Anschlag von Magdeburg gesprochen.
Karneval in Köthen: Dankbarkeit für Polizeipräsenz
Yvetta Kellermann steht in der Menge am Straßenrand. Eng an ihrer Seite, ein kleines Mädchen. „Meine Enkeltochter hat das hier noch nie erlebt und ich wollte ihr einfach mal zeigen, wie schön der Köthener Karnevalsumzug ist“, sagt die 50-Jährige. Sie versuche so gut wie möglich das bunte Treiben zu genießen, doch gänzlich unbeschwert, das sei sie nicht. Zwar fühle sie sich mit der vielen Polizei und den Straßensperren recht sicher, aber ein mulmiges Bauchgefühl bleibe doch. Die Köthenerin gibt an, vorsichtiger zu sein als sonst. „Ich lasse das Kind nie los. Ich gucke nach rechts und links, ob auch alles in Ordnung ist.“
Vor ein paar Jahren sei sie ausgelassener gewesen, konnte den Karneval besser genießen. Und auch, wenn sie für die Sicherheitsmaßnahmen dankbar sei, sei der Karneval ohne ein derartiges Polizeiaufgebot entspannter, so Kellermann. Im Vergleich zu den vorhergehenden Jahren merkt sie daher einen deutlichen Unterschied. „Die Leute sind vorsichtiger geworden. Es sind nicht so viele Kinder und Menschen wie sonst.“ Zumindest an dem Ort, wo sie mit ihrer Enkeltochter stehe.
Für den Rosenmontagsumzug waren die Sicherheitsvorkehrungen in der Stadt massiv hochgefahren worden. Mobile und stationäre Straßensperren blockieren die Zufahrtsstraßen. Polizisten stehen an wichtigen Knotenpunkten. Doch aufdringlich wirkten die Maßnahmen nicht.
Karnevalsbesucher in Köthen: „Irgendwo muss der Lebensmut ja herkommen“
Konrad Schwärzel ist für den Festzug extra nach Köthen gekommen. Zwar habe auch er beim Anblick der Absperrungen ein komisches Gefühl, doch die Sicherheitsmaßnahmen halte er für sinnvoll. Vollkommen ausblenden könne man Anschläge wie den in Magdeburg nie, so Schwärzel. Aber negative Erfahrungen, wie diese nur in sich hineinzufressen, reiße einen nur runter und das bringe am Ende auch nichts. Es müsse auch hin und wieder ein bisschen was Positives geben. So wie diesen Karneval. „Denn irgendwo muss der Lebensmut ja herkommen.“ Zwei Stunden abzuschalten, das sei hier möglich.
Zwar könne er sich vorstellen, dass manch einer aus Angst lieber zu Hause geblieben sei. Doch er merke keinen Unterschied zu den Vorjahren. Die Straßen seien voller Leute. Und auch seine Stimmung habe nicht unter den zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen gelitten. Ganz im Gegenteil: Durch die Vorkehrung könne er ausgelassener sein. „Anders wäre es, wenn man hier nach Magdeburg freie Straßen und keine Polizeipräsenz hätte. Dann würde man sich anders umgucken.“
Karnevals-Tradition in Köthen: „Die Kinder sollen unbeschwert und nicht in Angst aufwachsen“
Allein wäre sie wohl nicht gekommen, erzählt Marion Auer. Andererseits wollte sie ihren beiden Kindern die Teilnahme am Rosenmontagsumzug auch nicht verwehren, nur weil es Menschen wie den Magdeburg-Attentäter gebe. „Hierherzukommen war schon immer eine Tradition, die zu Köthen gehört und am Ende sollen die Kinder ja unbeschwert und nicht in Angst aufwachsen“, so die 30-Jährige. Nichtsdestotrotz sei sie dieses Jahr mit anderen Gefühlen hier als sonst. Nicht nur sei sie nun aufmerksamer. Auch, dass überall Polizisten und Betonklötze zu sehen seien, fühle sich seltsam bedrückend an. „Die Kinder kriegen das ja auch mit. Meine haben mich schon gefragt, warum hier überall die Straßen abgesperrt sind und die Polizeipräsenz so hoch ist.“
Vor ein paar Jahren habe sie sich beim Karneval noch eher mit Fremden unterhalten. Das sei weniger geworden. Auch ihren Nachwuchs lasse sie nicht mehr aus den Augen. „Die haben eine ganz andere Kindheit, als wir sie hatten“, bedauert die junge Mutter. Doch sich zu Hause einzuigeln oder den Karneval abzusagen und sich dieses Stück Kultur nehmen zu lassen, sei auch nicht richtig. Deswegen vertraue sie auf das Sicherheitskonzept. „Ich hoffe einfach, die Leute machen ihren Job. Und ich denke, das machen sie auch.“