Viele offene Fälle Offene Fälle und Wartezeiten vor Gericht: Sachsen-Anhalter warten immer länger auf Gerichtverhandlngen

Magdeburg - Aufgrund von Personalmangel in der Justiz dauern viele Gerichtsverfahren in Sachsen-Anhalt deutlich länger als im Bundesschnitt. Unter Druck stehen neben den Verwaltungsgerichten und deren Asylkammern vor allem die Sozialgerichte. Sie entscheiden etwa über Rentenzahlungen, Leistungen für Schwerbehinderte und Kosten für die Unterkunft von Hartz-IV-Beziehern.
Langwierige Verfahren seien für Betroffene „ein erhebliches Problem“, warnte Michael Fock, Präsident des Landessozialgerichts, gegenüber der MZ. „Denn es geht um essenzielle Entscheidungen, die jahrelang wirken. Das bereitet mir erhebliche Kopfschmerzen.“
Sozialgerichte in Sachsen-Anhalt sind chronisch überlastet
Konkret stöhnen vor allem die drei Sozialgerichte in Halle, Dessau und Magdeburg aufgrund der Überlastung: Über eingehende Klagen entschieden sie im Schnitt innerhalb von 20 Monaten - fünf Monate länger als im Bundesdurchschnitt. Die Zahlen zum Jahr 2018 stammen aus dem Landesjustizministerium, die Linksfraktion hat sie erfragt.
Demnach brauchte auch das übergeordnete Landessozialgericht als Berufungsinstanz mit 21 Monaten länger als es bundesweit üblich ist (18 Monate). Ebenfalls deutlich länger als im Bundesschnitt dauerte es am Landesarbeitsgericht und in einzelnen Amtsgerichten: Etwa dann, wenn Zivilsachen in Halle, Bernburg oder Köthen verhandelt wurden. Aber nicht alle Gerichte zeigen problematische Entwicklungen: So lagen die drei Landgerichte und das Oberlandesgericht teils unter, teils nahe am aktuellen Bundesschnitt.
Experten fordern mehr Richter für Sachsen-Anhalt
Experten schätzen die Situation an den Sozialgerichten derweil als ernst ein. „Deutlich mehr Richter“ seien nötig, um aktuelle und bisher liegengebliebene Fälle abzuarbeiten, sagte Gerichtspräsident Fock. So seien an den Sozialgerichten Halle, Dessau und Magdeburg zuletzt insgesamt 19.000 Fälle im Jahr eingegangen - mit den Altfällen früherer Jahre ergebe sich aber ein Berg aus 30.000 Fällen. „Zur Zeit arbeiten an den drei Gerichten 66 Richter“, sagte Fock. „Realistisch bräuchten wir aber wohl zehn bis 15 zusätzliche, um das tatsächliche Jahrespensum zu schaffen.“
Das Justizministerium kennt die Lage. „In den letzten Jahren ist besonders die Verwaltungsgerichtsbarkeit mit Personal ausgestattet worden, weil dort sehr hohe Eingangszahlen bei den Asylverfahren anfielen“, sagte Sprecher Detlef Thiel. Nun müsse der Fokus „dringend“ auf die Sozialgerichte und Staatsanwaltschaften gelegt werden. Das Ministerium arbeite an einem Konzept „zum Abbau der hohen Bestände“: „Natürlich ist Kernpunkt dabei eine angemessene Personalausstattung“, sagte Thiel.
Justiz in Sachsen-Anhalt hat seit Jahren Personalmangel
Fock fordert eine „flexiblere Personalpolitik“, die ein zügigeres Reagieren auf akute Engpässe an den Gerichten möglich mache. „Bisher hat man nur Personal bekommen, wenn es wirklich nicht anders ging.“
Die Personalprobleme in der Landesjustiz stehen seit Jahren im Fokus. Ministerin Anne-Marie Keding (CDU) will angesichts der kommenden Ruhestandswelle mit Einstellungen gegensteuern - allein bis Ende des Jahres sollen bis zu 50 zusätzliche Proberichter kommen. Hintergrund: Bis 2030 wird die Hälfte der Richter und Staatsanwälte pensioniert.
Angesichts hoher Belastung und Verfahrensdauern sagte die Linken-Abgeordnete Eva von Angern: „Das ist das Ergebnis der Personalpolitik vergangener Jahre.“ Lange sei überhaupt nicht eingestellt worden. „Rechtsstaatlich bedenklich“ seien vor allem verzögerte Verfahren im Strafrecht - nicht nur für Opfer, auch für Verdächtigte. „Früher sind Prozesse ausgefallen, weil Anwälte krank waren. Heute sind es die Gerichte“, monierte Eva von Angern. (mz)