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Mysteriöser Tod Mysteriöser Tod: Rätsel um Mord an Manager der Kastelruther Spatzen vor 20 Jahren

Von Julius Lukas 06.03.2018, 10:00
Vor 20 Jahren verlor Albin Gross (vorne links) seinen Bruder. Bis heute weiß der Keyboarder der Kastelruther Spatzen nicht, was Karl-Heinz Gross in Magdeburg zugestoßen ist.
Vor 20 Jahren verlor Albin Gross (vorne links) seinen Bruder. Bis heute weiß der Keyboarder der Kastelruther Spatzen nicht, was Karl-Heinz Gross in Magdeburg zugestoßen ist. Koch Universal Music

Auf der Bühne singen sie über Freundschaft, Liebe und Heimat - kurz: über eine heile Welt. Für die Kastelruther Spatzen brach diese Idylle jedoch vor genau 20 Jahren in Magdeburg zusammen.

Karl-Heinz Gross, der Manager der Volksmusiker, wurde am 6. März 1998 schwer verletzt auf einer Elbinsel gefunden. Der Körper gequetscht, die Knochen gebrochen, der Schädel eingeschlagen. Noch am Abend stirbt der damals 38-Jährige trotz Notoperation im Krankenhaus. Alles deutet auf ein Gewaltverbrechen hin. Bis heute ist jedoch unklar, warum das Leben des vierfachen Vaters in Magdeburg endete.

Mord an Karl-Heinz Gross Thema bei „Aktenzeichen XY…ungelöst“

Zuletzt kam allerdings wieder Bewegung in die lange ruhenden Ermittlungen der Kriminalpolizei. Ende Januar wurde der Tod des Managers bei „Aktenzeichen XY…ungelöst“ aufgegriffen, einer ZDF-Sendung, in der es um ungelöste Verbrechen geht.

„Die Kollegen, die den Fall betreuen, waren etwas erstaunt, als das Fernsehen anfragte“, sagt Maik von Hoff. Er ist Sprecher der Polizeidirektion Nord, die im Gross-Fall ermittelt. „Nach so langer Zeit ist die Chance, wirklich neue Hinweise zu bekommen, nicht sehr groß.“ Die Sendung brachte allerdings ein überraschendes Ergebnis. „35 Personen haben sich nach der Ausstrahlung bei uns gemeldet“, sagt von Hoff. Eine Resonanz, mit der die Polizei nicht gerechnet hatte.

Kaputter Transporter

Es sind auch 35 Chancen, doch noch herauszufinden, was Karl-Heinz Gross in Magdeburg zugestoßen ist. In die Landeshauptstadt waren die Schlager-Stars aus Südtirol (Italien) zu einem Konzert gereist. Ein Routine-Termin für die Musik-Profis.

Das Tour-Programm bestand Ende der 90er Jahre aus vier Auftritten in der Woche - immer Mittwoch bis Samstag stehen die Spatzen aus dem kleinen Ort Kastelruth nahe Bozen auf der Bühne. Ein kleiner Fuhrpark begleitet die Hit-Produzenten: Von der Lichttechnik bis zu den Fanartikeln haben sie alles dabei.

Am 5. März 1998, einem Donnerstag, treten die sieben Musiker mit ihrem damals aktuellen Album „Herzschlag für Herzschlag“ in der Magdeburger Stadthalle auf. Sie spielen die Hits der Gold-Platte: „Benny, mein schweigender Freund“, „Der Adler von der Schartenwand“ und „Daheim in Kastelruth“. Das Publikum in der Landeshauptstadt ist begeistert.

Am nächsten Morgen soll der Tross weiterziehen. Auf dem Tour-Plan steht für den 6. März ein Konzert in Essen. Doch der weiße Transporter mit den Fanartikeln macht Probleme. Schon auf dem Weg nach Magdeburg hatte Karl-Heinz Gross seltsame Geräusche bemerkt. Der Manager war lange Jahre Busfahrer, bis ihn sein Bruder Albin Gross zu den Spatzen holte. Der Keyboarder ist seit 1980 Teil der Volksmusik-Combo.

Ein letztes Telefonat mit dem Bruder vor dem Tod

Mit Fahrzeugen kennt sich Karl-Heinz Gross also aus - deswegen hatte er schon vor dem Auftritt in Magdeburg den Transporter in eine lokale Werkstatt gebracht. Mit seinem Bruder entscheidet der Manager nun, allein in der Elbestadt zu bleiben und zu warten, bis der Kleinbus repariert ist - eine fatale Entscheidung, wie sich zeigen wird.

Während Band und Bühnenpersonal nach Essen aufbrechen, fährt Gross allein zu der Werkstatt. Doch der Transporter ist noch nicht fertig. Die Mechaniker haben das Getriebe ausgetauscht. Das Problem ist damit jedoch nicht behoben. Den Hinweis des Managers, dass das Radlager kaputt sein könnte, haben die Auto-Schrauber ignoriert. Gross wird sauer. Es kommt zum Streit.

Gegen 16.30 Uhr ruft er von der Werkstatt aus seinen Bruder Albin auf dem Mobiltelefon an. Er ist erbost. Vermutet Pfusch der Kfz-Mechaniker. „Er als Busfahrer hatte da eine Ahnung und war natürlich verärgert“, sagte Albin Gross vor zwei Jahren in einem MDR-Interview. Das Telefonat ist das letzte Gespräch mit seinem Bruder.

Kastelruther Spatzen bekommen Nachricht während eines Auftritts

Was Karl-Heinz Gross danach passiert, ist bis heute weitestgehend unklar. Gegen 16.55 Uhr verlässt der Spatzen-Manager die Werkstatt. Wohin er geht, wer ihm dabei begegnet - unbekannt. Erst eineinhalb Stunden später taucht Gross wieder auf. Zwei Kraftfahrer finden ihn auf der mit Industriegebäuden bebauten Steinkopfinsel. Der 38-Jährige lebt zwar noch, ist jedoch schwer verletzt.

Die Kriminalpolizei wird alarmiert und auch nach Essen gelangt die Nachricht. Dort hat der Auftritt der Kastelruther Spatzen bereits begonnen. In der Pause bekommt Albin Gross mitgeteilt, dass sein Bruder ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Zu diesem Zeitpunkt geht er von einem Unfall aus.

„Ich hatte schon ein ungutes Gefühl, aber jedenfalls haben wir das Konzert dann durchgezogen“, sagt der Keyboarder im TV-Interview. Nach dem Auftritt ruft er in der Klinik an. Dort wird ihm gesagt, dass sein Bruder verstorben ist. „Da dreht man ja fast durch“, erinnert sich Albin Gross an diesen Moment.

Wahrsagerin meldet sich

Spätestens mit den Obduktionsergebnissen wird für die Ermittler klar, dass der Musik-Manager Opfer eines Verbrechens geworden ist. Die festgestellten Rumpf-Verletzungen deuten zwar auf einen Unfall hin. Die Wunden am Kopf jedoch lassen auf stumpfe Gewalteinwirkung schließen.

Durch die Prominenz der Musiker bekommt der Tod von Gross schnell bundesweite Aufmerksamkeit. Die Sonderkommission „Spatz“ wird gegründet. Zeitweise arbeiten 60 Kriminalisten an dem Fall. Sie untersuchen auf der Steinkopfinsel jeden Grashalm, nehmen die Werkstatt auseinander und befragen Hunderte Personen. Die Kfz-Mechaniker, die zwei Spediteure und sogar ein Magdeburger Fanclub geraten ins Visier der Ermittler. Einen Hinweis darauf, was dem Manager in den 90 Minuten am 6. März 1998 passiert ist, finden die Ermittler jedoch nicht.

Deswegen gibt es bisher nur Theorien über das, was damals passierte - und was nicht. So wird etwa ausgeschlossen, dass es sich um einen Raubüberfall handelte. Als Gross gefunden wurde, hatte er 7 000 Mark sowie ein damals modernes Mobiltelefon bei sich. Fest steht für die Polizei zudem, dass die Steinkopfinsel nur der Fundort, nicht aber der Tatort ist. Denn an der Bekleidung des Managers wurden keine Anhaftungen gefunden, die dafür sprechen, dass er sich lange auf der Elbinsel aufgehalten hatte.

War Karl-Heinz Gross in einen Unfall verwickelt?

Als wahrscheinlichster Tathergang gilt derzeit, dass Gross in einen Unfall verwickelt war. Der Verursacher wollte diesen vertuschen und entschied sich, den Südtiroler beiseite zu schaffen. Ein Beweis für diese Annahme fehlt aber bisher.

Und auch die 35 Meldungen, die nach der Ausstrahlung von „Aktenzeichen XY“ bei der Polizei eingingen, haben bisher zu keiner heißen Spur geführt. „Es waren einige Informationen dabei, die wir schon hatten - anderen wird gerade noch nachgegangen“, sagt Behördensprecher Mike von Hoff. Sogar eine Wahrsagerin habe sich gemeldet. Aber auch deren Hinweise seien nicht wirklich hilfreich gewesen.

Es bleibt, was immer in solchen Kriminalfällen bleibt: die Hoffnung. Möglicherweise kann der Tatbeteiligte das Geschehene doch nicht verdrängen und vertraut sich jemandem an. „Ich gehe davon aus, dass jeder Mensch doch ein Gewissen hat“, sagte Albin Gross im Fernseh-Interview vor zwei Jahren. Und vielleicht führt das schlechte Gewissen des Täters doch noch dazu, dass er Verantwortung für sein Handeln vor 20 Jahren übernimmt.

Mordfall Karl-Heinz Gross: 50.000 Euro Belohnung für Hinweise

1991 haben die Kastelruther Spatzen ihr erstes Best-of-Album veröffentlicht. Das allein zeigt, wie lange die Band schon erfolgreich ist. In wechselnder Besetzung stehen die Volksmusiker seit fast 40 Jahren auf den Bühnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 39 Studioalben haben sie in dieser Zeit veröffentlicht und durch diese schon 64 Gold- und 19-Platin-Schallplatten bekommen.

Mit über fünfeinhalb Millionen verkauften Tonträgern gehören die Schlagersänger zudem zu den erfolgreichsten Musikern im deutschsprachigen Raum. Auch 2018 sind sie mit ihrem aktuellen Album „Tränen der Dolomiten“ auf Tour. Am 29. März spielen sie zum Beispiel im Gewandhaus in Leipzig.

Zweifelsohne kann der Tod ihres Managers Karl-Heinz Gross als einschneidender Punkt in der Bandgeschichte der Kastelruther Spatzen bezeichnet werden. Bis heute sind die Umstände, unter denen der 38-Jährige im März 1998 in Magdeburg gestorben ist, ungeklärt. Ein Gewaltverbrechen ist sehr wahrscheinlich.

Schon mehrfach haben auch die Kastelruther Spatzen die Suche nach dem Mörder unterstützt. 2016 etwa trat Gross’ Bruder und Spatzen-Keyboarder Albin Gross bei der MDR-Sendung „Kripo Live“ auf. Um die Ermittlungen voranzutreiben, haben die Volksmusiker eine Belohnung ausgeschrieben. Wer einen entscheidenden Hinweis zur Aufklärung des Falls liefert, bekommt 50.000 Euro. (mz)