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Preis für Tagebuch-Projekt „Mir liefen die Tränen“ - Jugendliche sammelten 1.000 Stimmen zum Halle-Anschlag.

Auszeichnung für Tagebuch-Projekt „Wo warst Du?“: Jugendliche trugen für den siebten Band 1.000 Stimmen zum Attentat von Halle zusammen. Dafür wurden sie nun in Magdeburg mit dem Gelbe-Hand-Preis gegen Rassismus ausgezeichnet.

Von Julius Lukas Aktualisiert: 21.03.2025, 10:21
Projektleiter Andreas Dose, Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne sowie Teilnehmer Hanna Chmielewski und Jonas Kandel bei der Übergeben der Urkunde.
Projektleiter Andreas Dose, Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne sowie Teilnehmer Hanna Chmielewski und Jonas Kandel bei der Übergeben der Urkunde. Foto: Viktoria Kühne

Magdeburg/MZ. - Als sie vom Anschlag erfuhr, sagt Kristina, „hatte ich sehr große Angst um meine Familie und Freunde“. Eine Verkäuferin, die anonym bleiben will, erinnert sich, dass sie – als klar war, dass der Attentäter gefasst wurde – zu weinen begann: „Mir liefen die Tränen einfach so herunter“. Und ein Elektromonteur erzählt, wie er Halle nach dem Attentat vom 9. Oktober 2019 erlebte. „Ich hatte das Gefühl, dass, wenn ich durch die Stadt gehe, es so ein Gefühl von Zusammenhalt gibt“, berichtet der 55-Jährige.

Tagebuch-Projekt begann 2011

Kristina, die Verkäuferin, der Monteur – das sind drei von 1.000 Stimmen, die Jugendliche für das „Tagebuch der Gefühle“ gesammelt haben. Das Projekt veröffentlicht seit 2011 Bücher zum Thema Antisemitismus und Rassismus. Zuletzt erschien Band sieben, der unter dem Titel „Wo warst Du?“ steht. Er enthält die 1.000 Stimmen und wurde in dieser Woche in Magdeburg mit dem Gelbe-Hand-Preis gegen Rassismus ausgezeichnet. Dieser wird vom bundesweit tätigen, gewerkschaftlichen Verein „Mach’ meinen Kumpel nicht an!“ vergeben.

Der Arbeitstitel für das Buch habe „1000 Stimmen gegen Antisemitismus - wir sind mehr“ gelautet, erklärt Tagebuch-Projektleiter Andreas Dose. „Das Buch beinhaltet eine Stimme-Palette der Menschen, die in Deutschland leben.“ Es komme ein Querschnitt der Gesellschaft zu Wort – Bundestagsabgeordnete ebenso wie Ärzte, Reinigungskräfte ebenso wie Studenten, Senioren oder Betriebsleiter.

„Viele Schüler wissen nicht, was damals passierte“

Beim Zusammentragen der Stimmen halfen Schüler der Ausbildungseinrichtung SBH Nordost in Halle. Dort ist Andreas Dose als Werkstattpädagoge tätig. „Das Buch soll denen helfen, die heute mit dem Tag noch Probleme und Ängste haben“, erklärt der Projektleiter. „Damit sie wissen, sie sind nicht alleine mit ihren Ängsten.“ Zudem sei der Band als Schulmaterial gedacht. Einzelne Stimmen könnten im Unterricht besprochen werden. Das sei wichtig, denn: „Viele Schüler und Schülerinnen in der sechsten Klasse wissen heute schon nicht mehr, was damals passiert ist“, sagt Dose.

Die 1.000 Äußerungen sind im Buch in eine Auflistung von rassistischen und antisemitischen Taten eingebettet. Die Liste beginnt mit dem 1. Januar 1990, als in Wankheim in Baden-Württemberg 15 jüdische Grabsteine beschmiert wurden und endet im August 2024, als in Halle in der Wohnung eines mutmaßlichen Rechtsextremisten eine selbstgebaute Bombe gefunden wurde. Das Buch zeigt so, dass das Attentat von Halle kein Einzelereignis war. Und es fordert zum Handeln gegen Rassismus auf. So antwortet die 1.000. Stimme auf die Frage: „Wo warst Du?“: „Wo ich war, ist egal. Wo wir hingehen, darauf kommt es an“.