Buch über Erich Honeckers Frau Margot Honecker: So starb die mächtigste Frau der DDR wirklich
Margot Honecker war nicht nur die Frau des SED-Chefs und DDR-Lenkers Erich Honecker, sondern gilt auch als "Eiserne Lady der DDR". Nils Ole Oermann hat die DDR-Volksbildungsministerin Margot Honecker zuletzt vier Wochen vor ihrem Tod besucht.
Halle (Saale)/MZ. - Über Politik gehen die Meinungen oft auseinander, erst recht über Personen, die in diesem Geschäft eine Rolle spielen oder gespielt haben. Das ist auch gut und richtig so, soweit es der Wahrheitsfindung dient.
Im Falle von Margot Honecker, der Frau des SED-Chefs und DDR-Lenkers Erich Honecker, die jahrzehntelang Ministerin für Volksbildung war, kann es freilich kaum einen Zweifel geben: Sie war eine knochenharte Stalinistin, bis zuletzt, soweit man weiß. Am 6. Mai 2016 ist sie, 89-jährig, in ihrem Exil in Santiago de Chile gestorben.
Warum also, in drei Teufels Namen, soll man sich überhaupt noch mit der Frau beschäftigen? Daran scheiden sich die Geister, und mancher möchte die „blaue Hexe“, wie sie wegen der von ihr zu DDR-Zeiten bevorzugten Haartönung oft genannt wurde, am liebsten gänzlich unerwähnt sehen. Das zeigen zumindest Reaktionen auf frühere Veröffentlichungen.
Ganz diesem Sinne verpflichtet handelt man in der Stadt Halle, woher Margot Honecker, geborene Feist, stammt. Hier erinnert man am liebsten gar nicht an die „Schmuddelkinder“, zu denen auch der gebürtige Hallenser Reinhard Heydrich gehört.
Ob es freilich nützt (und wem), die Geschichte selektiv wahrzunehmen, steht auf einem anderen Blatt.
Geht man indes davon aus, dass es mindestens für die Erweiterung des eigenen Horizonts hilfreich ist zu wissen, warum sich ein mit großer Macht ausgestatteter Mensch so verhalten hat, wie er sich verhielt, wird man an Frau Honecker doch ein gewisses Interesse finden.
Einer der wenigen mit direktem Zugang zu Margot Honecker
Bei Nils Ole Oermann war es offensichtlich so. Er ist einer der wenigen Menschen außerhalb des handverlesenen Genossenzirkels gewesen, die Zugang zur First Lady der DDR erhielten und von ihr akzeptiert wurden.
Und das, obwohl sie der Historiker, Theologe und Jurist Oermann eben niemals im Zweifel darüber ließ, alles andere als ein Parteigänger ihres Hardcore-Kommunismus zu sein.
„Zum Westkaffee bei Margot Honecker“ heißt sein jetzt bei Hoffmann und Campe erschienenes Buch. Es schildert, wie der Untertitel verheißt, „letzte Begegnungen mit einer Unbeirrten“ und geht zugleich den Motiven der so unterschiedlichen Gesprächspartner nach, den Dialog miteinander zu suchen und auszuhalten.
Hier die Verfechterin eines untergegangenen Staates, dem das Volk 1989 gekündigt hatte. Ihr gegenüber der 1973 geborene, in Lüneburg lehrende Professor, der einmal der Persönliche Referent des früheren Bundespräsidenten Horst Köhler gewesen ist, eines herausragenden Protagonisten der westlichen Werte mithin, und der heute mit seiner Familie in der Altmark lebt, wo er ehrenamtlich als Gemeindepastor tätig ist.
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Alles Ausschlussgründe eigentlich für eine Nähe, die Margot Honecker hätte zulassen können - will man vom Wohnsitz in Sachsen-Anhalt absehen, denn das liegt ja auf dem Territorium der früheren DDR, nach der die harte, unnachgiebige Frau im fernen Chile Sehnsucht hatte. Nach Wäldern und Pilzen auch, wie Oermann berichtet.
Nach Theologen und Kirche hingegen, da ist sich der Autor sicher, hatte sie eher kein Verlangen. „Kirchen waren in der DDR aus Margot Honeckers Sicht vor allem eines: Schutzräume für Staatsfeinde“, wie Oermann schreibt.
Margot Honecker an Krebs erkrankt
Dieses Urteil sollte sich freilich ändern, nachdem die Honeckers ihre Macht und selbst die Solidarität früherer Parteigänger verloren hatten.
Da war es der Pastor Holmer, der ihnen in Lobetal Obdach und Schutz gewährte - ausgerechnet ein Theologe. Obendrein einer, dessen zehn Kindern sämtlich der Zugang zum Studium verwehrt geblieben war.
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Davon habe sie nichts gewusst, es habe sie als zuständige Ministerin keine Beschwerde der Familie erreicht, berichtet Oermann über Margot Honeckers abwehrende Reaktion.
Harsch und fest in ihrem Glauben war sie bis zum Schluss geblieben, als die krebskranke, ihrem Ende gefasst entgegensehende Frau den Autor noch vier Wochen vor ihrem Tode zum Besuch empfing - mit Westkaffee. Ost-Produkte wie Rondo hatte sie nie gemocht.
Den Holmers aber, berichtet Oermann, war die linientreue Kommunistin härtester Schule sehr dankbar. Es muss ihr Bild von den eigenen Leuten mehr als ihre eiserne Überzeugung erschüttert haben, dass ausgerechnet Christen es waren, die ihrem kranken Mann und ihr selbst in der Not geholfen haben. Aus Nächstenliebe, gewiss nicht aus politischer Sympathie.
Was weckte das Interesse von Margot Honecker an Autor Nils Ole Oermann?
Warum aber hat sich Margot Honecker, die in ihrer E-Mail-Adresse unter ihren Mädchennamen Margot Feist auftrat, wirklich für Nils Ole Oermann interessiert?
Vielleicht, weil er anders war als die leicht auszurechnenden Gleichgesinnten. Vielleicht, weil er nicht versuchte, sie zu dämonisieren oder zur reuevollen Abkehr zu bewegen, sondern ihr zuhörte und, aus wissenschaftlicher wie persönlicher Neugier, etwas erfahren wollte über sie?
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„War die wirkliche Margot Honecker nicht viel kleiner, war sie nicht manchmal komplexer, manchmal banaler, war sie nicht menschlicher, und war sie nicht in ihrer selbstgewissen Uneinsichtigkeit eher ärgerlich als monströs?“, fragt der Autor.
„Mit Urteilen über Freund und Feind war diese Frau schnell und scharf“, merkt er an. „Eine ganz eigenartige Mischung aus Geisterbahn und Revolutionstribunal“ hat er bemerkt, „aus Fasching und Fallbeil“.
Er hat es nicht abschließend klären können bei seinen Besuchen im Hexenhaus - schon, weil die Befragte sich immer wieder in Rollen begab. Aber Oermann lässt einen ganz unaufgeregt teilhaben an seiner Wahrnehmung. Das macht den eigentlichen Reiz des Buches aus.