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Magdeburger Gartenpartei Magdeburger Gartenpartei: Wie es ein Gastwirt jetzt bis in den Bundestag schaffen will

Von Ralf Böhme 12.09.2017, 10:00

Magdeburg - Wer kann Bundeskanzler? Die berühmte K-Frage bekommt der Wirt im Magdeburger „Kietz“ frühestens bei der zweiten Runde zu hören. Denn im Herzen der Buckauer Vorstadt besitzt die K-Frage eigentlich eine andere Bedeutung. Das K steht dort vor allem für eins: K-ann ich noch ein Bier bestellen?

Und genauso einfach sind Antwort und Gegenfrage von Marcel Guderjahn hinterm Tresen: Sudenburger, Bügelflasche oder vom Fass? Macht es dann Plopp oder schäumt es im Glas, dann erst ist Zeit für anderes. Job oder Stütze, Kinder und Alimente, gestiegene Preise - das geht Gästen in der Raucherkneipe oft sehr nahe.

Wirt aus dem Magdeburger „Kietz“ will in den Bundestag

Und dann ist da noch ein Thema: ihr Kandidat für den Bundestag. Der Gastwirt vom „Kietz“ will es schaffen, als erster und einziger Direktkandidat der ansonsten chancenlosen Magdeburger Gartenpartei. Es wäre ein Wunder, würde sie die Fünf-Prozent-Hürde überspringen.

Anderen kuriosen Parteien geht es ähnlich, aber für einen Wahlkampfspot im Fernsehen reicht es allemal. „Ich fühle mich absolut nicht chancenlos“, behauptet der 36-Jährige tapfer. Soviel Optimismus verblüfft, trotz eines zusätzlichen Kurzauftritts in der ZDF-Heute-Show.

Die Finanzmittel eines Spitzenmanns der Gartenpartei sind begrenzt. Nur 200 Plakate, so groß wie ein Kuchenblech, finden sich im Wahlkreis. Das Stück kostet zwei Euro, verrät Guderjahn. Gegen die Mitbewerber ist das fast nichts.

Marcel Guderjahn wirbt nur mit seinem Namen

Aber da ist noch ein Unterschied: Die übergroßen Bilder der Konkurrenten haben vielfach etwas abbekommen. Burkhard Lischka von der SPD lacht mit Eselsohren, die Linke Sarah Wagenknecht trägt Kaiser-Wilhelm-Bart und CDU-Mann Tino Sorge schmückt eine rote Clownsnase. Guderjahns Pappen sind gegen solche kreativen Angriffe immun. Er wirbt nur mit seinem Namen.

Liegt die wundersame Unversehrtheit vielleicht daran, weil ihm niemand ernsthafte Chancen für den Einzug in den Bundestag einräumt? Politisch gilt der Kandidat als ein bunter Vogel, aber zumindest in der Landeshauptstadt kein unbeschriebenes Blatt. Der Mann, gelernter Koch und begeisterter Kleingärtner, weiß offenkundig, wie man einen Heimvorteil ausspielt. Bester Beleg: seine Wahl zum Stadtrat, dem er seit 2010 angehört. 3 700 Stimmen für Guderjahn. Das sind ungewöhnlich viele.

Politisch ein bunter Vogel, in der Landeshauptstadt aber kein unbeschriebenes Blatt

Aufgewachsen in Buckau verfügt er dort, inzwischen auch in der Region bis nach Halle, über ein engmaschiges Netzwerk. Der „Kietz“-Betreiber tummelt sich in der neuen Kulturszene, ist im Vorstand des Bürger- und Gewerbevereins, engagiert sich ehrenamtlich in der Jugend- und Sozialarbeit.

Sein Erfolgsrezept lässt sich vereinfacht auf eine Frage reduzieren, die mittlerweile auch sein Markenzeichen ist: Was bringt diese oder jene Entscheidung eigentlich dem kleinen Mann? Damit rennt der umtriebige Gastronom, der sein „Kietz“ als Kneipe für alle bewirbt, bei der 2013 gegründeten Gartenpartei offene Türen ein.

Gartenpartei aus Magdeburg: Mini-Partei zählt heute fast 400 Mitglieder

Entstanden ist diese Mini-Partei im Widerstand gegen die geplante Bebauung von Kleingärtenanlagen in Magdeburg. Inzwischen zählt sie fast 400 Mitglieder. Viel mehr Anziehungskraft besitzen die etablierten Parteien in Magdeburg auch nicht, meint Guderjahn.

Zuspruch gewinnen die Dunkelgrünen, wie sie sich selbst gerne nennen, wegen ihrer Eigenarten. Dazu gehört zum einen der Verzicht auf einen Mitgliedsbeitrag. „Die Partei lebt allein von kleinen Spenden und Eigeninitiative.“

An einen Apparat mit bezahlten Stellen sei überhaupt nicht zu denken. Zum anderen konzentrierten sich die Aktivitäten auf ganz konkrete Fragen, die die 14 000 Kleingärtner in Magdeburg unmittelbar berührten.

Marcel Guderjahn über den Bundestag: „Da will ich hin und mitreden“

Auch nach dem zweiten oder dritten Bier legt der Kandidat großen Wert auf Eigenständigkeit: „Wir stehen für eine ganz klare Interessenvertretung, fernab jeder Ideologie.“

Informations- und Klärungsbedarf gibt es laut Guderjahn beispielsweise hier: Sichern die kommunalen Bebauungspläne die Sparten ab oder öffnen sie Spekulanten Tür und Tor? Wie viel an Entschädigung lässt sich für betroffene Kleingärtner herausholen, wenn die Stadt den Pachtvertrag nicht mehr verlängert? Wo und wie können Gartenanlagen und Wohnviertel mit neuen Spielplätzen für Kind und Kegel attraktiver gemacht werden?

Lösungen lassen sich nach seiner Überzeugung immer am besten vor Ort finden. Ihm sei aber auch klar, wenn es um Geld gehe, fielen die Entscheidungen leider oft anderswo - unter anderem im Bundestag. Deshalb sei es seine Mission: „Da will ich hin und mitreden, als Kleingärtner.“

Diese Rede würde Guderjahn als erstes im Bundestag halten

Die erste Rede, die Guderjahn im Bundestag halten würde, bedürfte keiner großen Vorbereitung. Er müsste sie nicht einmal aufschreiben, könnte das Wort aus dem Stegreif nehmen - so wie hinterm Zapfhahn im „Kietz“.

Und das wären einige seiner Kernfragen: Müssen wir die Kartoffel aus Afrika in das Kartoffelland Deutschland importieren? Schmeckt der Apfel aus Neuseeland wirklich besser als der aus Sachsen-Anhalt?

Dazu sagt Guderjahn: „Nein, wir brauchen mehr Produkte von hier.“ Dazu passt auch der Wunsch: Den Kindern müsse (wieder) erlebbar werden, wie Gemüse und Obst heranwächst. Nur so würde ihnen klar, wie viel Zeit und Arbeit es brauche, bis Lebensmittel auf den Tisch gelangen.

Programm passt auf zwei Seiten

Sein ganzes Programm passt auf zwei Seiten. Das reicht ihm für den Brückenschlag zum größten Menschheitsproblem. Die selbst bewirtschaftete Scholle müsse als Teil eines Klimaschutzprogrammes verstanden werden, erklärt Guderjahn seine Vision vom Kleingarten-Deutschland. (mz)