Reserve-Serum abgezwackt Landkreis Stendal zog 320 Polizisten heimlich bei Corona-Impfungen vor - Reserve-Serum abgezwackt

Stendal - Der Landkreis Stendal hat unter Verstoß gegen die festgelegte Impf-Reihenfolge 330 Polizeibeamte vorzeitig gegen Covid-19 immunisieren lassen. Dafür müssen nun betagte oder besonders gefährdete Menschen länger auf einen Termin warten. Landesgesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) bestätigte den Vorfall am Donnerstag im Landtag und kritisierte: „Ich bin sehr ungehalten, wie das läuft.“
Die Reihenfolge zur Verabreichung des knappen Impfstoffs ist durch eine Verordnung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) festgelegt. Derzeit dürfen nur Menschen der höchsten Priorität geimpft werden. Dazu zählen unter anderem Über-80-Jährige, Heimbewohner, Pflegekräfte sowie Personal auf Intensivstationen, in Notaufnahmen und Rettungsdiensten.
Stendal zieht 330 Polizisten vor
Der Landkreis Stendal bestätigte, dass bereits am 14. und 15. Januar 330 Polizeibeamte vorzeitig die Impfung erhalten hätten. Ein Sprecher begründete das mit dem Wunsch, die Versorgung einer großen Personengruppe zu testen. Für den „Feldversuch“ habe man Vollzugsbeamte und Verwaltungsmitarbeiter der Polizeiinspektion Stendal angefordert, zu der auch das Jerichower Land und der Altmarkkreis Salzwedel gehören. Insgesamt hatte der Landkreis Stendal Mitte Januar rund 2.000 Menschen geimpft. Damit kam auf jeweils fünf Berechtigte ein außer der Reihe bedachter Polizist.
Die aus Stendal vorgetragene Erklärung von einem Großtest widerspricht allerdings anderen Aussagen. Ministerin Grimm-Benne sagte, ihr gegenüber habe man davon gesprochen, dass nach einer ausgefallenen Impfung in einem Altenheim Impfdosen übrig geblieben seien. An dieser Aussage habe sie allerdings „erhebliche Zweifel“, sagte die Ministerin. „Ich werde ziemlich hart durchgreifen“, kündigte sie an. Den Landräten und Oberbürgermeistern der kreisfreien Städte habe sie mitgeteilt, dass die Impf-Reihenfolge eine verbindliche Vorgabe sei, keine Empfehlung.
Der Landkreis Stendal ließ auf MZ-Anfrage offen, wer die Polizei-Impfung angeordnet hat. An der Spitze der Verwaltung steht Landrat Patrick Puhlmann (SPD). Die Corona-Impfverordnung des Bundes sieht für Verstöße keine Bußgelder vor. Denkbar ist jedoch, dass eventuelle Rechtsverstöße zu einem Disziplinarverfahren führen. Der Linken-Abgeordnete Wulf Gallert, der die Stendaler Impfung im Landtag thematisiert hatte, sagte der MZ: „Ich versuche, eine Impfung für eine 99-jährige Oma zu bekommen, und dann werden Hunderte meist junger Menschen vorgezogen. So etwas erschüttert das Vertrauen schwer.“
Impf-Reihenfolge umstritten
Auch politisch ist die Impf-Reihenfolge zunehmend umstritten. Bildungsminister Marco Tullner (CDU) fordert, Lehrer und Erzieher aus der dritten in die zweite Priorität hochzustufen. Dadurch ließen sich die Schulen früher öffnen, argumentierte er. Auch die oppositionelle Linke schloss sich dem an.
Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann widerspricht dieser Forderung und will stattdessen jene Menschen in Priorität eins aufnehmen lassen, die zu Hause Angehörige pflegen. Ohne die große Zahl dieser Menschen wäre die Pflege in Deutschland nicht zu leisten, sagte sie. Die Sicherheit für Lehrer und Erzieher lasse sich auch durch regelmäßige Tests erhöhen.
Unterdessen wird bundesweit diskutiert, ob für Geimpfte andere Regeln gelten sollten. Der Ethikrat sprach sich am Donnerstag dagegen aus. Die Vorsitzende Alena Buyx warnte vor negativen Folgen für die allgemeine Akzeptanz der Maßnahmen. Zudem sei schwer zu kontrollieren, wer berechtigt sei. (mz)