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Landesgartenschau Burg Landesgartenschau Burg: Ende mit Defizit - Haben Verantwortliche das in Kauf genommen?

Von Steffen Höhne 13.10.2018, 10:00
Der Weinberg mit Keller in Burg war eine der Attraktionen der Gartenschau.
Der Weinberg mit Keller in Burg war eine der Attraktionen der Gartenschau. dpa

Burg - Ausverkauf auf der Landesgartenschau: Eine Woche nach Schließung der Tore wird am Samstag in Burg ein Teil des Inventars verkauft. Nicht nur Pflanzen sind im Angebot. Auf der Verkaufsliste stehen auch Pavillons für 3.000 Euro oder vier Ruderboote, die bisher auf dem Flickschuteich kreuzten, für je 1.276 Euro. So werden wohl noch ein paar Euro in die Kassen gespült. Das finanzielle Loch von rund einer Million Euro lässt sich damit aber bei weitem nicht füllen. Mit 450.000 Gästen hatten die Organisatoren gerechnet, am Ende kamen allerdings nur 300.000 - ein Drittel weniger als geplant. Lag das vor allem an der Hitze, wie Geschäftsführer Erhard Skupch sagt? Doch das steht zur Debatte. Nach MZ-Recherchen wurden möglicherweise auch die Besucherzahlen zu hoch angesetzt.

Landesgartenschau Burg: 40 Millionen Euro für Gärten und Straßen

Das Motto der Schau hieß: „Von Gärten umarmt“. Die Stadt im Jerichower Land verfügt über vier größere Parks, die sich an den Rändern der Altstadt befinden. 40 Millionen Euro gab die Stadt aus, um die Anlagen herzurichten, neue Bauten zu errichten und die Verkehrsinfrastruktur in der 20.000-Einwohner-Stadt zu erneuern. Zehn Millionen Euro davon sind als Fördermittel geflossen. Die Investitionen sind sichtbar: Trotz des heißen Sommers sind die Gärten in Burg weiter Oasen. Die Blumenbeete leuchten in bunten Farben, der Rasen ist satt grün. Jeder Park verfügt über große, moderne Spielplätze.

Sabine Konrad besuchte die Gartenschau gleich dreimal. „Die Ausstellung ist ein absoluter Gewinn, die Altstadt erstrahlt richtig“, sagt die Besucherin aus Altengrabow am Abschlusstag. Sie hatte Karten an Freunde in Halle verschenkt und besuchte mit diesen die Schau. Mit ihrer Begeisterung ist Konrad nicht allein. Die meisten Besucher lobten das Konzept: So konnten sich Hobbygärtner beispielsweise umfangreich informieren, unter welchen Bedingungen ihre Stauden am besten wachsen. Burgs Bürgermeister Jörg Rehbaum (SPD) fällt am Ende auch ein positives Urteil: „Ich schaue auf die Aufenthaltsqualität, den Bekanntheitsgrad und die ganze Infrastruktur und muss sagen, dass wir einen Sprung nach vorn gemacht haben.“

Landesgartenschau Burg: Warum bleiben viele erwartete Besucher weg?

Doch warum bleiben viele erwartete Besucher weg? Für Skupch liegt das vor allem an der Hitze an mehr als 100 von 170 Veranstaltungstagen. „Die Temperaturen lagen zwischen 29 und 38 Grad, da bleiben viele Menschen lieber zu Hause“, sagt der Geschäftsführer. Aussteller Jens Schirrmeister kann das nur zum Teil nachvollziehen. Von Mai bis Juli seien die Temperaturen eigentlich optimal gewesen. Schirrmeister, der an vielen Gartenschauen teilnimmt, hat vor allem die Reisebus-Gesellschaften vermisst. „Nach meiner Ansicht wurde zu wenig Werbung gemacht.“

Skupch entgegnet dem, dass man 300 Reiseveranstalter angeschrieben und sich auf Fach-Reisemessen präsentiert habe. Das Marketingbudget habe von 2016 bis 2018 bei einer Million Euro gelegen, davon seien 500.000 Euro in diesem Jahr ausgegeben worden. „Im Vergleich zu den vergangenen Gartenschauen war dies ein höheres Budget und völlig ausreichend“, sagt Skupch. Eine größere Reichweite hatte die Werbung aber offenbar nicht. „In Potsdam und Berlin ist mir zumindest keine Werbung aufgefallen“, sagt Jochen Sandner. Er ist Geschäftsführer der Deutschen Bundesgartenschau-Gesellschaft und hat auch die Schau in Burg besucht: „Es sind wunderbare Gärten und auch die Verkehrsanbindung mit Autobahn und Bahn passt.“ Nach seiner Einschätzung fehlte es Burg allerdings an Ausstrahlungskraft. „Außer den Gärten gibt es keine Sehenswürdigkeit.“ Um an Attraktivität zu gewinnen, wurden zur Schau 1.300 Veranstaltungen organisiert. Der Konzerttag des Sängers Max Giesinger war mit 7.259 Gästen dann auch der besucherreichste, am 24. September waren mit 347 die wenigsten Gäste auf dem 17 Hektar großen Gelände unterwegs.

Landesgartenschau Burg: Waren Planungen zu optimistisch?

Britta Kornmesser hat bei der Burg-Bilanz ein Déjà-vu. Die SPD-Politikerin aus Brandenburg an der Havel arbeitete vor drei Jahren bei der Bundesgartenschau (Buga) im Haveland im Vorstand mit. Die Hansestadt Havelberg (Landkreis Stendal) war damals Teil der Buga, die an fünf Orten stattfand. Anstatt der erwarteten 1,5 Millionen Besucher kamen nur eine Million. Die Schau endete mit einem Schuldenberg von zwölf Millionen Euro, den die beteiligten Kommunen nun abtragen müssen. Auch damals wurde der heiße Sommer als Grund für die ausgebliebenen Gäste angegeben. Geschäftsführer der Buga und heute der Laga in Burg: Erhard Skupch.

„Die Planungen damals waren viel zu optimistisch und Fehler wurden zu spät kommuniziert“, sagt Kornmesser. Ein Beteiligter von damals, der nicht genannt werden möchte, sieht dahinter sogar System: „Bei Gartenschauen erhalten die Kommunen von den Ländern Fördermittel für Investitionen. Der Durchführungshaushalt muss jedoch bei mindestens null liegen.“ Das heißt, die Kommunen müssen nachweisen, dass sie den Betrieb der Schau finanzieren können. Das geschieht vor allem über die Eintrittsgelder. „Mit optimistischen Besucherplanungen rechnet sich dann die Schau schnell, das böse Erwachen kommt später“, so der Insider.

Landesgartenschau Burg: Wurden Zahlen schöngerechnet?

Werden die Veranstaltungen im Vorfeld also schöngerechnet, um an Fördertöpfe zu kommen? Der Chef der Deutschen Bundesgartenschau-Gesellschaft, Sandner, bestätigt: „Ja, es gibt solche Mogelpackungen.“ Es holt die Beteiligten am Ende aber immer ein. Zu Burg äußert er sich nicht, weil er keinen Einblick hat.

In Burg lagen die Kosten der Durchführung bei 6,5 Millionen Euro. Durch fehlende Besucher muss die Stadt nun eine Million Euro nachschießen. Laut Skupch war das allerdings nicht absehbar: „Besucherzahlen sind Planzahlen, die durch externe Fachbüros berechnet werden.“ Für Burg sei in einer Machbarkeitsstudie ein Minimum von 400.000 Besucher und ein Maximum von 500.000 Besuchern ermittelt worden. „Wir haben uns intern auf 450.000 als Ziel verständigt“, so der Geschäftsführer.

Der 64-Jährige ist von der Defizit-Diskussion sichtlich genervt: Durch die Gartenschau habe sich die Stadt verändert. Es konnten Investitionen getätigt werden, die sonst nicht möglich gewesen wären und fügt an, was man von einem Geschäftsführer selten hört: „Es kommt nicht darauf an, ob es mehr oder weniger Besucher sind.“ Der Bürgermeister der Stadt Burg teilt offenbar diese Einschätzung. „Man geht in der Regel nicht davon aus, dass eine Gartenschau Gewinn abwirft“, sagte Rehbaum. Er hofft auch auf bleibende Effekte für den Tourismus.

Nächste Gartenschau in Sachsen-Anhalt soll 2022 in Bad Dürrenberg stattfinden

Ähnlich sieht man das auch in Havelberg. Trotz des Millionen-Defizits bei der Buga teilt Bürgermeister Bernd Poloski mit: „Will man auch künftig im ländlichen Raum Orte als wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zentren erhalten, kann das nur durch eine Stärkung deren Attraktivität gelingen.“ Die Erfahrungen haben gezeigt, „dass Gartenschauen dazu ein geeigneter Motor sein können“.

Für Sandner von der Bundesgartenschau-Gesellschaft ist wichtig, dass man ehrlich kommuniziert: „Besuchererfolge wird man eher in den Städten erzielen, die ohnehin auf Tourismus ausgelegt sind.“ Man könne mit Gartenschauen aber auch benachteiligten Städten helfen, dürfe dann die Erwartungen aber nicht zu hoch schrauben. Zudem sollte laut Tourismusexperten gefragt werden, ob mit dem zunehmenden Verschwinden von Kleingärten nicht auch die Zielgruppe von Gartenschauen schwindet. Auch die letzten Schauen in Berlin und Hamburg blieben hinter den Erwartungen zurück.

Die nächste Gartenschau in Sachsen-Anhalt soll 2022 in Bad Dürrenberg bei Halle stattfinden. Laut einem Entwurf des Finanzplans rechnet die Stadt mit 350.000 Besuchern. (mz)

Ein Distelfalter sitzt bei der Landesgartenschau Burg 2018 auf der Blüte einer gelben Zinnie.
Ein Distelfalter sitzt bei der Landesgartenschau Burg 2018 auf der Blüte einer gelben Zinnie.
dpa