Einsturz der Carolabrücke Droht auch Sachsen-Anhalt ein Brückenunglück wie in Dresden?
Der Kollaps der Elbquerung in Dresden lässt Zweifel an der Qualität vieler Bauwerke aufkommen. Müssen Prüfungen intensiviert werden? Experten sehen kein allgemeines Problem.
Halle/Dresden/MZ. - Der Teileinsturz der Carolabrücke in Dresden hat die Debatte um marode Infrastruktur befeuert sowie die Frage nach der Sicherheit wichtiger Bauwerke aufgeworfen. Brückenexperte Steffen Marx bezeichnete den Zusammenbruch als Desaster. „Es ist insbesondere auch deswegen ein Desaster, weil es niemand vorhergesagt hat“, so der Forscher der TU Dresden. Auch der Vorsitzende der Vereinigung der Prüfingenieure Sachsen-Anhalt, Jörg-Peter Rewinkel, betonte: „Gravierende Schäden sollten eigentlich bei den regelmäßigen Prüfungen auffallen“.
Brücken in Deutschland: detaillierte Hauptprüfung alle sechs Jahre
Wie der Präsident der Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalt (LSBB), Stefan Hörold, der MZ erklärte, müssten deutsche Brücken alle drei Jahre mit einer einfachen Prüfung begutachtet werden, alle sechs Jahre stehe eine detaillierte Hauptprüfung an. Im Zuge der Untersuchungen wird jede Brücke mit einer Note von eins bis vier bewertet. In Sachsen-Anhalt werden aktuell 25 der 1.414 Brücken als ungenügend eingeschätzt. Bei bekannten Problemen gebe es Sonderprüfungen, betonte Hörold, sodass so ein Fall wie in Dresden eigentlich nicht passieren könne. „Man muss das als absoluten Einzelfall einschätzen, als Katastrophe.“
Die aktuellen Prüfungsintervalle hält auch der Bereichsleiter Technik beim Verein Deutscher Ingenieure, Dieter Westerkamp, für ausreichend: „Angesichts der niedrigen Zahl an Vorkommnissen bei rund 130.000 Brücken in Deutschland scheint sich dieser Rhythmus zu bewähren“. Allerdings gibt es Zweifel, ob die festgestellten Mängel schnell genug behoben werden können. So rügte zuletzt der Bundesrechnungshof das zu geringe Tempo bei der Sanierung von Autobahnbrücken. Etwa 400 will das Bundesverkehrsministerium pro Jahr erneuern. 2023 waren es lediglich 238.
Kretschmer: „Nicht auszudenken, wenn Straßenbahn und Autos auf der Brücke gewesen wären“.
Die Carolabrücke ist eine der wichtigsten Verkehrsadern Dresdens. Um 2.59 Uhr kollabierte in der Nacht zu Mittwoch einer der drei Züge der Elbquerung. Menschen kamen dabei nicht zu Schaden. Eine wichtige Fernwärmeleitung wurde beschädigt. Betroffen ist die Fahrbahn, auf der die Straßenbahnen verkehren. Die anderen beiden Abschnitte wurden 2021 beziehungsweise 2023 saniert. Der nun zerstörte Teilbereich sollte ab Anfang 2025 erneuert werden. Noch neun Minuten vor dem Unglück überquerte eine Straßenbahn das Bauwerk. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zeigte sich am Mittwoch erleichtert: „Nicht auszudenken, wenn es am Tag passiert und Straßenbahn und Autos auf der Brücke gewesen wären“.
Die Ursache des Kollapses ist derzeit Gegenstand von Untersuchungen. Als am wahrscheinlichsten gelten unbemerkte Korrosionsschäden. Zu den konkreten Gründen des Brückeneinsturzes könne er sich zwar nicht äußern, erklärte LSBB-Chef Hörold. Allgemein sei es aber „eher die Ausnahme“, dass schwere Korrosionsschäden zu Instabilität von Brücken führten. „Das ist kein grundsätzliches Problem.“ Es trete nur in Fällen auf, in denen unbemerkt Luft und Wasser ins Innere von Brücken gelangten. „Letztlich liegt es immer an demjenigen, der die Brücke betreut“, so Hörold.
Sachsen-Anhalt: 100 Millionen Euro investiert
In Sachsen-Anhalt sind laut Infrastrukturministerium 90 Prozent der Brücken in einem guten Zustand – mehr als in anderen Bundesländern. Das liege an vielen Neubauten und Sanierungen nach dem Mauerfall sowie Maßnahmen im Zuge der Hochwasser 2002 und 2013. Allein in Landesstraßen seien in den zurückliegenden Jahren etwa 100 Millionen Euro investiert worden. Damit könne laut Ministerium der Erhaltungsbedarf gedeckt sowie Reparaturstau der vergangenen Jahre langsam abgebaut werden. Seiten 3 und 8