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Jurist muss in Pension Dieselpanscher-Prozess Sachsen-Anhalt: Platzt Verfahren, weil Richter zu alt ist?

Von Ralf Böhme 17.08.2018, 04:00

Magdeburg - Im Saal C 24 des Magdeburger Landgerichts hängt keine Uhr. Dennoch läuft die Zeit fast hörbar ab: im Moment für die Angeklagten in Sachsen-Anhalts wohl längstem Steuerbetrugsverfahren.

Wenn der Wirtschaftsstrafkammer nicht noch etwas Außergewöhnliches einfällt, platzt der Prozess spätestens am 31. August. Denn das ist der letzte Arbeitstag von Gerhard Köneke, dem Vorsitzenden Richter.

Niemand kann ihm nachrücken. Zum einen weil es der Justiz an Personal fehlt und zum anderen weil keine Richter in einem laufenden Verfahren ausgetauscht werden dürfen. Das bedeutet zwangsläufig: Aus der Fall, zumindest vorerst. Zu einem späteren Zeitpunkt kann das Verfahren in neuer Besetzung eventuell noch einmal aufgerollt werden.

Dieselpanscher-Prozess in Sachsen-Anhalt: Verfahren läuft seit 2015

Der erfahrene Jurist führt das Verfahren gegen die internationale Dieselpanscher-Mafia seit dem 15. Dezember 2015. Den vier Angeklagten aus Polen wird vorgeworfen, Diesel als Schmieröl deklariert zu haben. Damit kann man beim Verkauf jeder Tankladung etwa 15 000 Euro verdienen, die eigentlich Vater Staat als Energiesteuer erhalten müsste.

Die Aufarbeitung des verbrecherischen Wirtschaftens, bei dem es um einen Schaden von 14 Millionen Euro geht, wird nach allen Regeln der Rechtskunst ausgetragen. Man merkt Köneke die Erfahrung auf dem Richterstuhl durch seine souveräne Prozessführung an. An einem kann jedoch auch er nichts ändern: Die Beweisaufnahme in dem Mammutprozess, in dem die Angeklagten den Konflikt nicht scheuen, kostet viel Zeit - wie sich herausstellt: mehr als gedacht.

Dabei ist der Prozess nach Aussage aller Beteiligten eigentlich auf der Zielgeraden. Wahrscheinlich Mitte Oktober könnte das Gericht zu einem begründeten Urteil gegen die vier Angeklagten kommen. Doch eine Regelung des Landesrechts rächt sich nun: Richter in Sachsen-Anhalt müssen mit Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren den Dienst quittieren und in Pension gehen.

Überlegungen, in Ausnahmefällen wenigstens kurzzeitige Verlängerungen zu erlauben, sind bislang nicht zur Entscheidung im Landtag gelangt. In Justizkreisen schüttelt man über soviel Langmut den Kopf, zumal so eine Regelung die Auswirkung des Richtermangels im Land immerhin etwas lindern würde.

Es liegt nahe, dass auch die Verteidigung diese Schwachstelle im System kennt. Seit Wochen überzieht sie das Gericht mit einer Serie von Anträgen. Diese Attacken sind juristisch ausgefeilt begründet und müssen - auch wenn sie sich als unzutreffend erweisen - aufwendig geprüft werden.

Wie auch am Verhandlungstag am Donnerstag in Magdeburg geht es dabei meist um echte oder scheinbare Besorgnisse wegen einer angenommenen Befangenheit von Richtern. Auch Probleme mit Terminen, die Verteidigern oder ihren Mandanten aus verschiedenen Gründen nicht passen, spielen bei diesem juristischen Katz-und-Maus-Spiel eine Rolle.

Aus Sicht der Anklage handelt es sich dabei um den Versuch, das Verfahren zu verlängern und letztlich platzen zu lassen. Staatsanwalt Bernd Blaszyk spricht von einer anrüchigen Konfliktverteidigung, die einige Rechtsanwälte betrieben. Es sei höchste Zeit, dass die Wirtschaftsstrafkammer das Vorgehen beim Namen nennt: „Das ist Prozessverschleppung, eiskalt kalkuliert.“

Für Staatsanwalt Blaszyk sei da kein Wille zur Zusammenarbeit erkennbar. Soviel stehe fest: „Das Belastungsmaterial, das die Zollfahnder vorgelegt haben, ist erdrückend.“

Dieselpanscher-Prozess in Sachsen-Anhalt: Beweisanträge noch unerhört

Dagegen sind für Rechtsanwalt Maik Bunzel aus Cottbus, der einen ehemaligen leitenden Mitarbeiter einer Tarnfirma in Burg vertritt, längst nicht alle Fragen geklärt. Auch angesichts des Umfangs der Vorwürfe, die auf ein bandenmäßiges Vorgehen der Beschuldigten hinauslaufen, sagt der Verteidiger: „Wir werden uns zur Wehr setzen, wenn das Verfahren aus Zeitgründen durchgepeitscht werden soll.“

Etliche Beweisanträge liegen noch unerörtert auf dem Tisch. Und auch ein Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gehört dazu. Sollte ihm stattgegeben werden, steht alles wieder auf Null. Dann bleibt als Zwischenbilanz: Außer Spesen nichts gewesen. (mz)