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Bernstein-Perle Bernstein-Perle: Wo einst Kohle und Chemie dominierten, strahlt heute die Goitzsche

Von Christine Klauder 21.06.2018, 08:00
Dort, wo einst gebaggert wurde, wird heute gebadet. Die Goitzsche ist der größte See der Region geworden und zieht inzwischen auch Touristen an.
Dort, wo einst gebaggert wurde, wird heute gebadet. Die Goitzsche ist der größte See der Region geworden und zieht inzwischen auch Touristen an. dpa

Bitterfeld - So lässt es sich leben: Unter dem Schilfsonnenschirm an der Strandpromenade schlürft man seinen Cocktail, die Wellen plätschern sanft, das Piraten-Segelschiff an der Seebrücke bannt den Blick ... Als wäre man auf einer spanischen Schatzinsel gestrandet. Kaum zu glauben, dass hier vor 30 Jahren noch Tagebau-Bagger die Erde durchgruben und Braunkohle zu Tage förderten. Auf einem der einst bedeutendsten Chemie- und Kohle-Standorte Deutschlands erstreckt sich heute eine einzigartige Erholungslandschaft - die Goitzsche.

Das neue „Feriendorf am Pegelturm“ befindet sich direkt an der Goitzsche und am Ende der Bernsteinpromenade Bitterfeld. Die im skandinavischen Stil gestalteten Ferienhäuser sind nur wenige Schritte vom Sandbadestrand entfernt und bieten einen einzigartig schönen Panoramablick über den Bernsteinsee.

www.feriendorf-goitzsche.de

Das Hotel und Restaurant Villa am Bernsteinsee, als Biermannsche Villa 1896 im Stil der Neorenaissance erbaut, wurde von der Kreissparkasse Anhalt-Bitterfeld liebevoll zu einem romantischen Hotel umgebaut.

www.villa-am-bernsteinsee.com

Im Restaurant Bar Lounge „Seensucht“ taucht man bei herrlichem Blick auf See und Yachthafen mit maritimen und mediterranen Köstlichkeiten in eine Strandlounge-Genießeroase ein. Beliebt sind neben dem Jospergrill die mietbaren Katamarane und die ganzjährige Almhütte samt Schneekanone.

www.meine-seensucht.de

Ein Eldorado für Badegäste. Wassersportler Angler, Wanderer und Radler bietet die Goitzsche ideale Bedingungen für einen Kurzurlaub am See. Aber auch wahre Schätze hat die Region zu bieten. Wer weiß schon, dass ein Großteil des Bernstein-Ostseeschmucks der DDR in Ribnitz-Dammgarten gar nicht von der dortigen Küste stammt, sondern im Goitzsche-Tagebau vom VEB aus Bitterfeld abgebaut worden ist? Einer Region, die mit dem Fotochemischen Kombinat Wolfen (ORWO) auch für die Erfindung des Farbfilms stand. Industriequalm und Kohledreck bestimmten vor der politischen Wende die Region. Träume und Visionen waren in den 90er Jahren gefragt - und wurden anfangs belächelt.

So auch die Idee, die einst idyllische Auenlandschaft der Goitzsche zu rekultivieren. Schnell wurde aber klar, dass eine neugestaltete Bergbaufolgelandschaft eine Chance für nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung dieser Region bieten kann. Bund und Land investierten viele Millionen D-Mark und später Euro. Dazu kam die Weltausstellung, die „Expo 2000“. Neben Promenaden und Wegen entstanden an der Goitzsche Landschaftskunstwerke wie der Pegelturm, der Bitterfelder Bogen oder der Agora-Park, welcher heute als Wahrzeichen der Region gilt. Im Jahr 2001 wurde das Projekt „Landschaftspark Goitzsche“ mit dem internationalen Preis für Umweltgestaltung, dem Edra/Places Award, für Planung und Design ausgezeichnet. Ein Jahr später dann das Jahrhunderthochwasser: In nur 36 Stunden füllte sich die Goitzsche und bewahrte angrenzende Städte und Regionen vor der Überschwemmung. Die eigentlich über Jahre geplante Flutung war nicht mehr nötig.

Pioniergeist und Visionen

Der erste touristische Unternehmer und bald auch Motor für das Areal war Ingo Jung, später Geschäftsführer der 2014 gegründeten Goitzsche Tourismus GmbH. Das erste Fahrgastschiff (2006), das Feriendorf am Pegelturm (2013) und der Wakepark (2014) gehen auf sein Konto. Allerdings: Wenn sich die Region nicht mitgenommen fühle, könne sich das Bewusstsein der Menschen nicht mit dem Tourismus vor Ort identifizieren, weiß Jung. „Klar wollen manche Ältere, dass alles so bleibt, wie es ist“, so der Unternehmer. Aber man müsse auch sehen, dass die Weiterentwicklung jungen Menschen Perspektiven biete. „Ansonsten gehen sie weg, und der Region wird die Zukunft genommen.“

Traum: Bernstein-Erlebniswelt

Jung hat noch viele Pläne. Die Halbinsel Pouch etwa soll zu einer Familieninsel ausgebaut werden. Nach Veranstaltungen wie dem Großfeuerwerk „Goitzsche in Flammen“ oder dem Goitzsche-Fest mit der internationalen Motorboot-WM sollen neue Events dazu kommen. Das derzeit größte ist das Musikfestival „Sputnik Spring Break“ im Mai.

Einmalig ist der 24 Millionen Jahre alte Bitterfelder Bernstein. Hunderte Tonnen davon sollen noch immer in der Tiefe des Sees schlummern. Zwischen den aufgeschlossenen Erdschichten, die im Zuge des Braunkohleabbaus freigelegt wurden, entdeckten die Arbeiter gigantische Vorkommen. Mit der Flutung der Tagebaulöcher versank der fossile Harz jedoch in den Tiefen des einzigen Bernstein-Sees der Welt. Diesen als Rohstoff für Wissenschaft und Tourismus wieder ans Tageslicht zu holen, hat sich Ingo Jung zur Aufgabe gemacht. Das Herzstück seiner Visionen ist ein Bernstein-Erlebniszentrum. Laut dem örtlichen Bernsteinexperten und Bernsteinmanufakturchef Andreas Wendel ist das Thema für die Region „eine riesige Chance, national und international auf sich aufmerksam zu machen.“ Touristen aus nah und fern könne das anziehen - nicht nur an sonnigen Tagen, so der 50-Jährige.

Zwischen Pouch und Marina

Der Goitzsche Wakepark (Zur Agora 1, 06774 Pouch) ist als modernste Anlage Ostdeutschlands schon jetzt Touristenmagnet. Wakeboard und Wasserski sind vergleichbar mit dem Fahren mit Snowboard oder Ski im Tiefschnee. Über eine Anlage wird man durchs Wasser gezogen. Wer sich nicht gleich traut, bekommt Hilfe von den Trainern.

Am Fuß der Seebrücke hüpfen Kinder auf dem Trampolin und spielen auf dem Piratenspielplatz, während sich die Eltern im Eiscafe am Pegelturm überlegen, was als nächstes geplant ist: Mit der MS Reudnitz, dem motorisierten Piratenschiff, den See erkunden? Oder sich am Goitzsche Infopoint ein Fahrrad, Gokart, Rikscha oder Tretmobil ausleihen? Oder die Aussicht vom 26 Meter hohen Pegelturm genießen?

In der Nähe vom 2Water Wassersportzentrum (Seepromenade 3, 06749 Bitterfeld-Wolfen) befindet sich die ehemalige mondäne Fabrikantenvilla. Überwiegend im Stil der Neorenaissance erbaut, ist sie heute zu einem elegant eingerichteten Restaurant und Hotel geworden. Gotische Bauelemente und ein Jugendstil-Obstfries locken nicht nur Architekturliebhaber an.

Am Yachthafen können Boote, Wassertreter, aber auch Hausboote und Übernachtungen auf dem Katamaran gebucht werden. Zum Frühstück gibt’s direkt vom Fischkutter ein leckeres Fischbrötchen.

Zum Stadthafen am „Tor der Goitzsche“ mit Marina ist es von hier nicht weit. Im Strandbad Niemegker See (Am Stadion, 06749 Bitterfeld-Wolfen) kann der Abend romantisch ausklingen oder man beobachtet den Sonnenuntergang im Goitzsche Camp (Niemegker Straße 24) inmitten der Natur von seinem Zelt aus. (mz)

Autorin Christine Klauder ist Herausgeberin des „Mitteldeutschen Genussführers“ (ISBN 978-3-9448150), in dem die 45-Jährige die schönsten Regionen Mitteldeutschlands vorstellt.