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Mit der Autobahnpolizei unterwegs Autobahnpolizei Sachsen-Anhalt: Auf der Jagd nach Dränglern

Von Julius Lukas 12.10.2017, 18:15
Die Autobahn-Polizisten Detlef Kipping (links) und Wilfried Krischker sind, so oft es geht, in zivil unterwegs, um Raser und Drängler aus dem Verkehr zu ziehen.
Die Autobahn-Polizisten Detlef Kipping (links) und Wilfried Krischker sind, so oft es geht, in zivil unterwegs, um Raser und Drängler aus dem Verkehr zu ziehen. Andreas Stedtler

Detlef Kipping schlägt Alarm: „Willi, da ist schon einer“, sagt der Polizeihauptkommissar zu seinem Kollegen Wilfried Krischker. Keine hundert Meter sind sie auf der Autobahn 38 gefahren, schon startet die erste Verfolgung.

In Höhe Eisleben (Mansfeld-Südharz) nimmt Krischker den weißen Lastwagen ins Visier. Mit seinem silbernen BMW setzt er sich neben den Brummi. Der klebt noch immer so dicht am 40-Tonner vor ihm, dass nicht einmal ein Smart dazwischen passen würde. „Das sind keine fünf Meter“, sagt Kipping und beginnt die Video-Aufzeichnung. „Den ziehen wir raus.“

Krischker und Kipping sind Autobahn-Cops. Ein eingespieltes Duo. Wilfried Krischker, 51, fährt und Detlef Kipping, 56, misst. „Wir wissen, wie der andere tickt“, sagt Polizeihauptmeister Krischker. Seit Jahren sorgen sie dafür, dass die Straßen im Süden von Sachsen-Anhalt kein rechtsfreier Raum werden.

Wenn man sie dabei begleitet, wirken sie manchmal wie ein altes Ehepaar. Sie streiten über die richtige Abfahrt oder sind sich bei der Bedienung der Messtechnik uneinig. „Wir sind schon ein ganz gutes Team.“

An diesem Tag jagen die Beiden Lastwagen. Abstandsverstöße stehen auf dem Programm. Und die scheinen für Lkw-Fahrer nur ein Kavaliersdelikt zu sein. Wie eine Herde Elefanten, die Rüssel an Hintern die Savanne durchstreift, rattern die Brummis dicht an dicht über den Asphalt.

Autobahnpolizei in Sachsen-Anhalt: Auf den Autobahnen starben dieses Jahr schon mehr als 20 Menschen

„Wenn beim Ersten das Getriebe blockiert, dann schafft es spätestens der Dritte nicht mehr zu bremsen“, sagt Kipping. Die Folgen solcher Zusammenstöße sind fatal. Auf Sachsen-Anhalts Autobahnen starben in diesem Jahr mehr als 20 Menschen bei Unfällen. Oft war dabei ein zu geringer Abstand die Ursache.

Um die Distanz-Sünder zu überführen, sind Kipping und Krischker mit einem Provida-Fahrzeug unterwegs. Acht gibt es davon in Sachsen-Anhalt. Von außen sehen sie wie normale Wagen aus. Innen steckt jedoch ausgetüftelte Verfolgungstechnik.

Provida steht für „Proof Video Data System“, also ein Datensystem für Nachweis-Videos. Verstöße werden auf Video zusammen mit Daten wie Geschwindigkeit oder Strecke aufzeichnet. Der Film dient dann als Nachweis für das regelwidrige Verhalten. Ein bewährtes System, das auch vor Gericht meist Bestand hat.

Im Fall des weißen Lastwagens ist die Sachlage klar. „50 Meter Sicherheitsabstand sind für Lkw in Deutschland vorgeschrieben“, erklärt Detlef Kipping. Dass der 40-Tonner die nicht eingehalten hat, würde selbst der kühnste Anwalt nicht bestreiten.

An der nächsten Abfahrt lotsen Kipping und Krischker ihn von der Autobahn. „Polizei, folgen“, blinkt auf einer Tafel im Heck des Provida-Fahrzeugs. Der Lkw gehorcht.

Nicht immer ist das der Fall. Ab und an werden die Polizisten auch ignoriert. „Aber unser Auto ist schnell“, sagt Krischker grinsend und tätschelt sein Lenkrad. Zu Verfolgungsjagden komme es nur sehr selten. „Vor über zehn Jahren war ich mal hinter einem geklauten Auto her“, erzählt Kipping. Die Flucht führte hollywoodreif über einen Acker und gipfelte in einem Schusswechsel. „Es ging aber alles glimpflich aus.“

Den weißen Lkw im Schlepptau halten Kipping und Krischker am Rand einer kaum befahrenen Landstraße. Laut Kennzeichen kommt der Lastwagen aus Münster, der Fahrer aber nicht. „Evgenios“ steht auf einem Schild im Fenster. Ein Grieche, den Detlef Kipping mit einem freundlichen, aber bestimmten „Guten Tag, Polizeikontrolle“ begrüßt.

Autobahnpolizei in Sachsen-Anhalt: Bußgelder werden bei Ausländern direkt kassiert

Die Kommunikation gestaltet sich schwierig. Deutsch versteht Evgenios kaum. Eigentlich kein Problem. Für solche Fälle haben die Autobahnpolizisten nämlich ein A4-Blatt parat. Es ist zweiseitig bedruckt und laminiert. Darauf ist der Abstands-Verstoß erklärt - in sieben Sprachen. „Griechisch ist allerdings nicht dabei“, sagt Kipping etwas ernüchtert und behilft sich mit einem Erklärbild und gestenreicher Untermalung.

Der Fernfahrer scheint sein Vergehen zu verstehen - und auch einzusehen. Als der Kommissar dann aber auf dem laminierten Blatt auf eine Zahl tippt, entgleisen bei dem Griechen die Gesichtszüge. Seine Augen werden größer, die Mundwinkel zieht es nach unten. „105 Euro macht das - 80 Euro Bußgeld und 25 Euro Bearbeitungsgebühr“, sagt Kipping. „Haben sie Bargeld dabei?“

Strafe muss sein, da bleibt der Polizeikommissar hart. „Er hat sogar schon Frauen zum Weinen gebracht“, sagt Kollege Krischker. Kipping verteidigt sich: „Ich bin da ja nicht der Auslöser.“ Die Fahrer seien es ja, die rasen und drängeln. „Und wir nehmen schon nur die ins Visier, die es übertreiben“, sagt Kipping.

Zu dieser Gruppe zählt auch Evgenios. Er wird sofort zur Kasse gebeten. „Bei ausländischen Kraftfahrern machen wir das immer so“, erklärt Wilfried Krischker, der am Auto bereits Formulare ausfüllt. „Das ist eine sogenannte Sicherheitsleistung“, sagt der 51-Jährige.

Denn Bußgelder im Ausland einzutreiben, sei aufwendig. Dafür ist den Polizisten so ziemlich jede Währung recht: Euro, britische Pfund, rumänische Lei - zur Not auch gemischt, Hauptsache ein Wechselkurs lasse sich recherchieren. „Neulich wollte jemand allerdings mit koreanischem Geld bezahlen“, erzählt Krischker. Es sei aber nicht klar gewesen, ob aus Nord- oder Südkorea. „Da haben wir lieber die Pfoten von gelassen.“

Bares hat Evgenios nicht dabei, dafür aber eine Bankkarte der Spedition. Eigentlich ist die zum Tanken da, nun muss davon das Bußgeld bezahlt werden. Wo der nächste Geldautomat ist, wissen Kipping und Krischker natürlich. Sie kennen ihr Revier. Der Grieche hebt ab, die Polizisten kassieren ab. „Und ab jetzt immer auf den Abstand achten“, sagt Kipping noch. Die Präventionsarbeit will aber nicht fruchten. Der Grieche schaut mürrisch und fährt zurück zur Autobahn.

Auch die Abstands-Ermittler kehren auf die A 38 zurück. Es dauert keine zwei Minuten, bis sie den nächsten Lkw entdecken, der am Heck des Vorausfahrenden schnuppert. Diesmal ist es ein Rumäne, später noch ein Tscheche. Das Prozedere beginnt immer wieder von vorn.

Autobahnpolizei Sachsen-Anhalt: Für Verkehrskontrollen reicht Personal nicht immer

„Wir könnten das auch 24 Stunden lang machen und uns würde nicht langweilig werden“, sagt Detlef Kipping. Allerdings fehle oft die Zeit, das Provida-Fahrzeug überhaupt vom Parkplatz des Polizeireviers zu bewegen.

„Wir sind derzeit zu wenige Leute für zu vielen Aufgaben“, sagt der 56-jährige Kommissar. Sogar beim Streifendienst müsse man die Kollegen manchmal unterstützen. „Das erste, was bei dieser Belastung hinten runter fällt, sind die Verkehrskontrollen“, meint Wilfried Krischker. Und wenn der Kontrolldruck fehle, würde auch weniger auf Abstand und Geschwindigkeit geachtet werden. Und damit, davon sind die Beiden überzeugt, steige auch die Unfallgefahr. (mz)

Die Videos, die mit dem Provida-Fahrzeug aufgenommen werden, können sich die Beschuldigten vor Ort anschauen.
Die Videos, die mit dem Provida-Fahrzeug aufgenommen werden, können sich die Beschuldigten vor Ort anschauen.
Andreas Stedtler