Nach der Katastrophe auf der A9 A9-Unglück bei Münchberg: Wie sicher sind Reisebusse wirklich?

Halle (Saale) - Nach dem schweren Busunglück in Nordbayern mit 18 Toten und 30 Verletzten ist auch in Sachsen-Anhalt eine Debatte über die Sicherheit von Reisebussen entbrannt.
A9-Unglück bei Münchberg: Wie sicher sind Reisebusse wirklich?
Tilman Wagenknecht, Geschäftsführer des Verbandes der Omnibusunternehmer Sachsen-Anhalt, hält Busse trotz aller Unfälle für das sicherste Verkehrsmittel. In den letzten 20 Jahren seien die Sicherheits- und Kontrollstandards für Busse verstärkt worden, ebenso das Ausbildungsniveau der Fahrer. „Einen Unfall dieser Größenordnung hat es deshalb lange nicht gegeben“, sagte Wagenknecht der MZ. In der Region kam es dazu zuletzt 2007, als ein Bus auf der A 14 bei Könnern eine Böschung hinabstürzte.
Laut Wagenknecht waren in der Vergangenheit Brände in Bussen ein großes Problem - insbesondere im Motorraum, wo 95 Prozent der Feuer entstanden sind, zumeist durch Überhitzen. „Die Busunternehmen aber haben dazugelernt und nachgerüstet“, so der Verbandschef. Viele hätten automatische Löscheinrichtungen im Motorraum angeschafft. Den Unfall in Bayern aber hätte selbst diese Technik nicht verhindert, ist er sich sicher.
Nach derzeitigen Erkenntnissen war das Feuer im Frontteil ausgebrochen, nachdem der Bus auf der A 9 bei Münchberg (Bayern) am Stauende mit einem Sattelzug zusammengestoßen war. Experten vermuten, dass der Aufprall zu einem Kurzschluss in der Elektrik geführt hat. Wie daraus ein Feuer entstehen konnte, das sich innerhalb kürzester Zeit im gesamten Fahrzeug ausbreitete, ist für Wagenknecht ein Rätsel. „Im vorderen Bereich des Busses ist eigentlich nichts, was brennen kann. Es ist erschreckend, dass ein Bus so schnell abbrennt.“
Auch wie es zu dem Auffahrunfall kommen konnte, ist derzeit noch unklar. Als möglicher Unfallverursacher wird gegen den verstorbenen Busfahrer ermittelt, wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstag mitteilten. Der Firmensitz des Busunternehmens in Sachsen sei durchsucht worden. Dabei seien Unterlagen zum Bus, zum getöteten Fahrer und dessen Kollegen sichergestellt worden. Dieser hatte den Unfall verletzt überlebt. Gegen andere Personen wie den Lkw-Fahrer werde nicht ermittelt. Geprüft würden zudem mögliche technische Fehler, die zum Unglück geführt haben könnten.
Sicherheitstechnik in Reisebussen
Unterdessen sprechen sich Experten gegen die Deaktivierung von Notbremssystemen in Bussen aus. Bei Notbrems-Assistenten erkennen Kameras und Radarsensoren Hindernisse auf der Fahrbahn, warnen den Fahrer mit Warnlicht und -ton und bremsen automatisch, wenn dieser nicht reagiert. Damit lässt sich ein Aufprall abmildern, bei modernsten Assistenten sogar ganz verhindern. Seit 2015 sind die Systeme in neu zugelassenen Reisebussen Pflicht. Bis November 2018 müssen auch ältere Fahrzeuge damit ausgestattet sein.
Dass Fahrer Notbremssysteme deaktivieren können, sieht Wagenknecht kritisch. „Aus meiner Sicht ist es sinnvoll, diese Geräte immer eingeschaltet zu lassen.“ Er weist jedoch darauf hin, dass Fahrern unter Umständen nichts anderes übrig bleibt: Auf engbefahrenen Straßen, auf denen sich Lkw an Lkw reiht, könnten Busse mit Notbremssystemen nicht einmal in eine Spur einscheren.
Zur Frage, wie sicher Busse hierzulande sind, äußerte sich der Tüv am Dienstag nicht. Sprecher Rainer Camen verwies stattdessen auf eine Statistik von 2015, die ergab, dass rund zwei Drittel der vom Tüv geprüften Busse frei von Mängeln sind. Verkehrsunsicher sind hingegen 0,1 Prozent der Fahrzeuge. Die regionalen Reiseunternehmen Vetter Touristik und Polster & Pohl nahmen zur Anfrage der MZ keine Stellung. (mz)