Tradition im Saalekreis Wegwitz in Wallendorf: Warum ein ganzes Dorf an Männertag Kopf steht
Wallendorf - Mit einem Gesicht so rot wie die Blumen auf ihrer Kochschürze steht Christel Fischer in der kleinen Küche. Ohne Unterlass schleudert sie den rechten Arm im Kreis, um den Zwiebelschneider kontinuierlich anzutreiben, mehr und mehr der würzigen Zutat zu zerkleinern. „Früher haben wir die Zwiebeln mit der Hand geschnitten, das war erst anstrengend“, erzählt Fischer und legt dann doch eine kurze Pause ein.
Ihr Blick wandert auf die andere Seite des Küchentischs. Dort rotiert Harry Jahnke. Der gelernte Bäcker behält den Ofen im Blick, während er in ein großes Glas greift. „Jetzt kommt die Kümmelpistole zum Einsatz“, ruft er und verteilt mit der Hand routiniert unzählige Körner des Gewürzes auf den beiden Blechen mit rohem Speckkuchen. Jahnke schnappt sich eines der Bleche und schiebt es in den Ofen. „180 Grad, in 40 Minuten ist er fertig“, sagt er und greift zum nächsten leeren Blech.
Zum Männertag steht Wegwitz jedes Jahr Kopf - auch die Tage danach
Ein halbes Dutzend Personen wuselt an diesem Donnerstag gleichzeitig im Haus von Marlene Faust, das im beschaulichen Wegwitz steht. Auf der Landkarte ist der Name des Ortes nicht zu finden, gehört er doch zum Schkopauer Ortsteil Wallendorf. Vor allem Männer kennen ihn dennoch: Denn anlässlich ihres alljährlichen Ehrentags pilgern sie in Scharen nach Wegwitz, das dann traditionell Kopf steht.
Über mehrere Tage feiert das Dorf in der Aue jedes Jahr sein Straßenfest. Praktisch alle Nachbarn sind dabei. An Himmelfahrt stehen vor allem die Männer, die sogar aus Halle und Leipzig anreisen, im Mittelpunkt, am Samstag bleiben die Nachbarn eher unter sich und feiern ihre einzigartige Gemeinschaft.
Speckkuchen-Backen in Wegwitz nach Großmutters Rezept
Die ist jedoch bereits bei den Vorbereitungen des Männertags zu spüren. Kein Wunder: Müssen doch 36 Speckkuchen gezaubert werden. „Das Rezept stammt von meiner Nachbarin Gerda“, betont Marlene Faust. „Das haben wir nur etwas verfeinert.“
Vor dem Feiertag verwandelt sich Fausts Haus in die Kommandozentrale. Am Garagentor hängen vier große A4-Blätter, auf denen das Programm und die jeweils verantwortlichen Helfer namentlich aufgeführt sind. Die rekrutieren sich aus dem Traditionsverein, der sich vor fünf, sechs Jahren gegründet hat. „Das Fest wurde einfach zu groß, da mussten wir die Organisation etwas anders gestalten“, sagt Steffi Kühn, die anhand ihres blauen Poloshirts leicht als Mitglied zu identifizieren ist. „Wegwitzer halten länger durch“, steht auf Vorder- und Rückseite.
Straßenfest in Wegwitz: Das ganze Dorf packt mit an
Während die Helfer in Fausts Küche bei 27 Grad Raumtemperatur immer mehr ins Schwitzen kommen, koordiniert die Hausherrin die Backprozesse. „Mit einem Ofen ist das nicht zu stemmen, deshalb muss ich die rohen Kuchen jetzt in der Nachbarschaft verteilen.“ Tragen muss Faust die schweren Bleche nicht. „Ich habe mein Pferd“, sagt sie. Bitte? Faust lacht und zieht einen silber-glänzenden Lastenwagen hervor und stellt zwei Bleche darauf.
Die vier Räder rattern laut über den Asphalt, während ihn Marlene Faust in die letzte Schlippe von Wegwitz zieht. Hier wohnen Brigitte und Ilmar Mölzer, die ebenfalls ihren Ofen zur Verfügung stellen, um die leckeren Speckkuchen rechtzeitig fertigzukriegen. Trotz ihrer 90 beziehungsweise 87 Lenze packen beide jedes Jahr mit an. „So lange es geht, machen wir das gern“, sagt Ilmar Mölzer und lacht.
Dass sich die Mühe lohnt, zeigt das Beispiel von Tobias Hofmann. Er stammt aus Wallendorf, lebt inzwischen aber im sächsischen Dölzig. Mit 25 Kumpels fuhr er am Vormittag mit dem Bus in den Ort, wo er schließlich in ein Stück Speckkuchen beißt: „Der beste in der ganzen Gegend“, sagt er. (mz)