1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Saalekreis
  6. >
  7. Von England in den Saalekreis: Von England in den Saalekreis: Dieses Paar hat Wettins ältestes Haus gerettet

Von England in den Saalekreis Von England in den Saalekreis: Dieses Paar hat Wettins ältestes Haus gerettet

Von Claudia Crodel 16.07.2018, 06:01
Sigrid Rivis wohnt gern in dem historischen Haus. Gemeinsam mit ihrem Mann George Ernest Rivis ist sie dort seit dem Jahr 2000 zu Hause.
Sigrid Rivis wohnt gern in dem historischen Haus. Gemeinsam mit ihrem Mann George Ernest Rivis ist sie dort seit dem Jahr 2000 zu Hause. Silvio Kison

Wettin - Wer kennt ihn nicht, Stings berühmten Popsong „An Englishman in New York“? Engländer, die man wie im Song beschrieben am Akzent erkennt, trifft man auch anderswo, beispielsweise in Wettin. George Ernest Rivis kam mit seiner Frau Sigrid um die Jahrtausendwende in die kleine Stadt an der Saale, die wie kein anderer Ort im Saalekreis mit der Geschichte des englischen Königshauses verbunden ist. Hier stand die Wiege des Wettiner Fürstenhauses.

Familie aus England wohnt im ältesten Haus von Wettin

Doch englisches Könighaus hin oder her. Familie Rivis ist aus einem ganz anderen Grund in Wettin. Sie bewohnt das älteste erhaltene Haus des Ortes. Zwar steht über der Eingangstür des Gebäudes in der Brauhausgasse 2 die Jahreszahl 1809. Doch diese Tür sei nachträglich eingebaut worden, sagt Frank Dobberstein vom Altstadtverein Wettin. Anfang des 19. Jahrhunderts sei so etwas durchaus üblich gewesen.

Die wahre Zahl des Erbauungsjahres findet der Vorübergehende etwas versteckt unter einem Fachwerkbalken: „1550 Reisender sieh um dich“ steht dort geschrieben.

Das schmucke Haus war vor Jahren völlig heruntergekommen

Schmuck sieht es aus, das Haus, das im klassischen niedersächsischen Fachwerk erbaut worden ist. „So wurden Häuser nur bis etwa 1600 gebaut, das erkennt ein Fachmann sofort“, sagt Frank Dobberstein. Nur der Torbogen rechts neben dem Gebäude sieht noch brüchig aus.

Die rotbraun gestrichenen Fachwerkbalken des Hauses mit viel Schmuck jedoch verzaubern den Betrachter. So sah das Haus aber keineswegs immer aus. Als George Ernest und Sigrid Rivis nach Wettin kamen, war das Gebäude eine Ruine, fast ein Trümmerhaufen. Dach und Wände waren teilweise eingefallen. Sie waren von Fäulnis gezeichnet. In Haus und Hof lag Unrat in großen Mengen. Auf alten Fotografien ist das alles dokumentiert.

Seit fast 20 Jahren verschönert das Paar aus England das Haus

„Das Haus war schon zu DDR-Zeiten unbewohnt. Und das will was heißen. Ehe die Häuser damals leer gezogen wurden, musste die Bausubstanz schon sehr, sehr baufällig sein“, erinnert sich Frank Dobberstein. Trotzdem hatte George Rivis das Haus schnell in sein Herz geschlossen. „Das lag am Gewölbekeller. Als ich den sah, wusste ich, dass ich dieses Haus haben wollte“, blickt er zurück. Über steile Stufen geht es heute vom Hausflur aus in den Keller. Bei der Sommerhitze ein wunderbar kühles Plätzchen.

Unglaublich viel Zeit, Kraft und Geld haben die Rivis in ihr Grundstück gesteckt und daraus ein wahres Kleinod gemacht. „Es fehlt nicht mehr viel, dann habe ich zwanzig Jahre in die Sanierung investiert“, sagt George Ernest Rivis, der einst das Tischlerhandwerk ausübte.

Mit Balken, Türen, Treppen und Geländern kannte er sich bestens aus. Eine hervorragende Voraussetzung für sein Vorhaben. „I'm an crazy old Englishman!“ („Ich bin ein alter verrückter Engländer.“), meint er und lacht.

Fachwerk-Schmuckstück in Wettin: Balken in Polen vor dem Müll gerettet

Familie Rivis hat das Haus denkmalgerecht saniert. Was zu retten war an alter Substanz, haben sie gerettet. Doch bei den Fachwerkbalken waren viele so marode, dass sie ersetzt werden mussten. Aus Polen hat Rivis alte Eichenbalken geholt, die dort auf den Müll sollten.

Das Treppenhaus hat der englische Tischler komplett nach dem originalen Vorbild neu gebaut. Von den Innentüren dagegen sei viel zu retten gewesen. Die Türblätter, die mit symbolischen Wappen verziert sind, hat er aufgearbeitet. Auch die Beschläge, die Türangeln, Schlösser und Klinken hat er selbst restauriert. „Es war alles ganz dreckig und teils stark beschädigt“, so Rivis. Nur die Tür-Zargen mussten neu hergestellt werden. Wie viel Zeit er allein in eine Tür gesteckt hat, ist kaum zu beschreiben.

Schmuckstück in Wettin: Und drum herum stehen immer noch Ruinen

Heute sind Sigrid und George Ernest Rivis froh, dass sie durchgehalten und alles so schön in Ordnung gebracht haben. Sie sind stolz auf ihr Werk, das viele Jahre ihres Lebens beansprucht hat.

Trotzdem ist Sigrid Rivis auch ein wenig traurig: „Als wir das Haus erwarben und anpackten, dachten wir, es würden andere nachmachen, auch Hand anlegen, so dass irgendwann mal der ganze Straßenzug in neuem und doch historischem Glanz erstrahlt“, sagt sie. Sie ist enttäuscht, dass dieser Wunsch nicht aufging und dass es noch immer so viele baufällige Häuser ringsherum zufinden gibt. (mz)