Superzelle im Saalekreis Superzelle im Saalekreis: Minitornado fegt über die Autobahn
Merseburg/MZ - Das schwere Unwetter am 19.Mai hinterließ im Saalekreis mehr als eine Million Euro Schaden. Doch der schwarze Himmel brachte nicht nur große Regenmengen: Eine Leserin schickte der MZ ein am Freitagabend auf der A 38 bei Bad Lauchstädt aufgenommenes Foto. Robert Briest sprach mit Gerold Weber vom Deutschen Wetterdienst in Leipzig über das abgebildete Wetterphänomen.
Was sehen wir auf dem Bild?
Weber: Das ist ein kleiner Tornado.
Wie ist er entstanden?
Weber: Man braucht dafür eine Superzelle, wie sie am Freitag über dem Saalekreis lag.
Eine Superzelle? Was ist das?
Weber: Schauer- oder Gewitterzellen haben in der Regel eine starke Aufwärtsbewegung, Superzellen rotieren aber zusätzlich noch. Das heißt, während der Niederschlag bei „normalen“ Gewitterzellen in die Aufwärtsbewegung regnet, kühlt sich die Luft ab und die Zelle verliert an Kraft und löst sich dadurch irgendwann auf. Eine Superzelle wird aber dadurch so intensiv, dass der Niederschlag durch die Rotation nicht in die Aufwärtsbewegung fällt und die Zelle immer wieder warme und feuchte Luft ansaugen kann, die ihr Energie liefert. Eine Superzelle entsteht nur, wenn in verschiedenen Höhen unterschiedliche Windrichtungen und -geschwindigkeiten auftreten.
Und wie führt die Superzelle dann zum Tornado?
Weber:Wenn sich der Drehimpuls auf das Aufwindfeld unter der Gewitterwolke überträgt, entstehen diese kleinen Rotationen. In diesem Fall ist es glimpflich abgelaufen, es hat in Sachsen-Anhalt aber auch schon größere Tornados gegeben.
Wie gefährlich sind die?
Weber: In dieser Größenordnung wird vielleicht ein Dach abgedeckt. Aber bei größeren wie vor einigen Jahren in Micheln bei Köthen oder vergangenes Jahr in Bützow können es hunderte sein. Dann sorgen sie auch für Lebensgefahr.
Tornado ist kein Einzelfall
Nehmen solche Ereignisse zu?
Weber: Wir können das statistisch nicht nachweisen. Die größere Zahl an Tornadomeldungen kann auch daran liegen, dass heute jeder ein Handy hat und solche Ereignisse online melden kann. Wir sehen etwa, dass es aus dichtbesiedelten Regionen mehr Meldungen gibt. Wir wissen aber, dass es schon vor Jahrhunderten in unserer Region Tornados gab. Überliefert ist etwa der Fischregen von Quedlinburg vor 1000 Jahren. Als ein Tornado über einen Fischteich zog und die Fische mit aufsaugte.
War es Zufall, dass die Superzelle den Saalekreis traf?
Weber: Ja. Es gibt Regionen, in denen so etwas häufiger auftritt, wie im Erzgebirge. Die Region Saalekreis gehört aber nicht dazu. Dennoch muss es einen physikalischen Grund gegeben haben, dass sich die Zelle am Freitag gerade dort gebildet hat. Da reicht schon eine um ein, zwei Grad höhere Temperatur oder eine höhere Luftfeuchtigkeit, denn die ist entscheidend. Das Gewitter holt sich die Energie aus dem kondensierenden Wasserdampf. Unser Messnetz ist allerdings nicht dicht genug, um in diesem Fall die Ursache ganz genau zu bestimmen. (mz)