1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Saalekreis
  6. >
  7. Medikamente für den Notfall: Medikamente für den Notfall: Gericht: Kita muss auch Spritzen geben

Medikamente für den Notfall Medikamente für den Notfall: Gericht: Kita muss auch Spritzen geben

Von Oliver Müller-Lorey 15.08.2018, 13:47
Nicole Nagorny und ihr Partner können nicht verstehen, warum die Kita im Landsberger Ortsteil Gütz keine Notfall-Hilfe mehr leisten will. 
Nicole Nagorny und ihr Partner können nicht verstehen, warum die Kita im Landsberger Ortsteil Gütz keine Notfall-Hilfe mehr leisten will.  Lutzer Winkler

Landsberg - Der Streit zwischen Eltern und der Stadt Landsberg um die Gabe von Notfallmedikamenten hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht. Nun ist er offenbar entschieden. Eine Mutter hatte geklagt, nachdem sich Erzieher geweigert hatten, ihrer an einer Allergie erkrankten Tochter im Notfall Medikamente zu geben.

Doch nun hat das Oberverwaltungsgericht Magdeburg einen unanfechtbaren Beschluss gefasst und der Mutter in weiten Teilen Recht gegeben. Das teilte der Anwalt der Mutter, Jens Stiehler, der noch weitere betroffene Eltern vertritt, der MZ mit.

Beschwerde der Stadt Landsberg hat das Oberverwaltungsgericht nun zurückgewiesen

Demnach wird die Stadt dazu verpflichtet, „sicherzustellen, dass dem Kind in der Kita ,Wirbelwind’ bei einer allergischen Reaktion infolge einer Nahrungsaufnahme Tropfen beziehungsweise Saft gegeben und bei einem anaphylaktischen Schock der für das Kind bereitstehende Notfallpen angewandt wird“, heißt es im Urteil. Bei dem sogenannten Notfallpen handelt es sich um eine gebrauchsfertige Spritze, die im akuten Notfall per Knopfdruck aktiviert werden kann.

Bereits das Verwaltungsgericht Halle hatte in erster Instanz für die Mutter entschieden und festgelegt, dass die Medikamente zunächst verabreicht werden müssen. Eine entsprechende Beschwerde der Stadt dagegen hat das Oberverwaltungsgericht nun zurückgewiesen.

Wer nicht hilft, kann sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig machen

Das Gericht argumentiert, dass es in der Kita „jederzeit durch eine unerkannte erdnusshaltige Kontamination von mitgebrachten oder dort ausgegebenen Nahrungsmitteln“ zu einer allergischen Reaktion des Kindes kommen kann, die lebensbedrohlich wäre. Außerdem habe jedermann in einem Notfall eine Hilfs-Pflicht, die auch „strafrechtlich bewehrt“ sei, wie es das Gericht formuliert. Heißt: Wer nicht hilft, könne sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig machen.

Die Stadt hatte wiederum argumentiert, dass die Erzieherinnen unmöglich zwischen drei verschiedenen Medikamenten - Tropfen, Saft und Spritze - unterscheiden könnten. Das richtige Medikament auszuwählen, sei den Pädagoginnen, die keine medizinischen Fachkräfte seien, nicht zuzumuten. Allerdings hatte es bereits vor einiger Zeit eine Schulung von einer Kinderärztin für die Erzieherinnen gegeben und so ließ das Gericht dieses Argument nicht gelten.

Handreichung für Notfallmedikamente in Kindergärten?

Rechtsanwalt Stiehler sieht die Stadt nun aufgefordert, sich auch in allen anderen Fällen, in denen es Streit gibt, dazu zu verpflichten, Medikamente im Notfall zu geben. Die Stadt Landsberg will das Urteil akzeptieren und keine weiteren rechtlichen Schritte gehen, teilt der amtierende Bürgermeister Kurt-Jürgen Zander auf Anfrage der MZ mit. Doch wirkliche Klarheit habe die Entscheidung nicht gebracht.

„Aus Sicht der Stadt Landsberg besteht auch nach diesem Beschluss des Oberverwaltungsgericht große Unsicherheit darüber, was eine Kommune im Bereich der Notfallmedikamentengabe darf.“ Man werde deshalb in Abstimmung mit dem Städte- und Gemeindetag versuchen, beim zuständigen Sozialministerium eine Handreichung zu bekommen, wie mit Notfallmedikamenten in Kindergärten umzugehen ist.

Eine Änderung der umstrittenen Kita-Satzung, auf die sich Erzieher berufen hatten, nachdem sie keine Medikamente mehr geben wollten, hält Zander weiter für überflüssig. „Im Hinblick auf die Gabe von Notfallmedikamenten wird die Stadt in Abstimmung mit der Einrichtung jeweils eine Einzelfallentscheidung treffen.“ (mz)