Restaurant Alchemistenklause in Halle Restaurant Alchemistenklause in Halle: Ein Stuhl von Paracelsus

D er Stuhl, auf dem ich saß, erinnerte mit einem kleinen gravierten Blechschild an der Rückenlehne an Antoine Lavoisier. Der französische Chemiker entdeckte Ende des 18. Jahrhunderts den Sauerstoff. Immerhin. Die beiden anderen Gäste, beziehungsweise ihr Gestühl, teilten sich die Erinnerung an Paracelsus Bombastus, was eine verkürzte Widergabe des Namens eines berühmten Schweizer Arztes, Alchemisten, Astrologen und so weiter ist. Umgeben waren wir von Reagenzgläsern, Zylindern, Bunsenbrennern oder wie die Dinger heißen. Nun die Frage: Wo waren wir?
Glücklicherweise nicht in einem Labor, die Erinnerungen an unseren Chemieunterricht sind immer noch wenig ergötzlich. Nein, wir saßen in Halle in der Alchimistenklause. „Alchimisten“-Klause heißt es übrigens, weil dies eine mögliche, freilich veraltete Form des Begriffes „Alchemie“ ist. Zu seinem Namen kam das Lokal jedenfalls laut Auskunft des Restaurantleiters Sven Marschallek so: „Das Haus selbst ist schon seit 1886 in Betrieb. Zu DDR-Zeiten wurde es von den Leuna-Werken übernommen.“ Und weil Halle eine Chemiearbeiterstadt gewesen war, sei man auf den Ursprung der Wissenschaft zurückgekommen: die Alchemie. 1979 war die Namensgebung, und seitdem ist die Klause eine wohlbeleumundete Verpflegungsstation.
Ungewöhnlicher Aperitif
Apropos Verpflegung, kommen wir nun zur Einschätzung. Die Getränke: Wir kehrten im Mai ein und hatten noch das Vergnügen, eine Maibowle trinken zu können als Aperitif. Das können Sie nun nicht mehr, aber eine Möglichkeit wäre ein Weinlikör, gewonnen aus einer Rotweintraube aus der Saale-Unstrut-Region. Ungewöhnlich, zugegeben, aber als Vorabgetränk durchaus zu empfehlen. Desweiteren wählten wir einen Grauen Burgunder der Winzervereinigung Meißen (6,40 Euro), einen frischen Weißwein mit sehr leicht fruchtigem Aroma. Das Haus-Bier entpuppte sich als ein in Bayern gebrautes, gut schmeckendes Pils.
Die Vorspeisen: Da gab es gebackene Wiesenkräuterbrote, drei sehr große Stücke mit Kräuterbutter gebackenen Baguettes, mit dazu gereichtem Knoblauchdip und gegrillten Rindfleisch-Tomatenspießchen (6,80 Euro). Der Spieß erwies sich als so gut, dass man massemäßig gerne das Pendant zum Baguette gehabt hätte.
Als Süppchen durfte es diesmal ein „Cappuccino vom Bärlauch“ sein (4,80 Euro), das flankiert wurde von einer Honigschinken-Mousse und einem knusprigen Brotchip. Eine kleine Spielerei, zugegeben, aber warum auch nicht? Wohlschmeckend jedenfalls.
Reilstraße 47, 06114 Halle
Telefon: 0345/523 36 48
www.alchimistenklause.de
montags 17 bis 24 Uhr,
dienstags bis sonntags 11.30 bis 24 Uhr
Hauptgerichte von 10 bis 23,80 Euro
Auf Seite 2 erfahren Sie mehr über Hauptgerichte und Desserts
„Kinderklöße“ aus Großmutters Küche
Die Hauptspeisen: Just nach unserem Klausen-Besuch an einem Montagabend lasen wir in den Geständnissen des amerikanischen Küchenchefs Anthony Bourdain, dass er niemals, niemals an einem Montagabend Fisch im Restaurant essen würde: „Ich weiß, wie alt der Großteil der Meeresfrüchte montags ist – etwa vier bis fünf Tage!“ Nun, was soll’s, wir glauben ihm ja gerne, dass in New York derartig verluderte Zustände herrschen, aber in Halle? Nun, sowohl geschmacklich als auch gesundheitlich konnten wir mit unserer Entscheidung gut leben: in Salbeibutter gebratenes Heilbuttfilet an glasiertem Kirschtomaten-Honigfenchelgemüse, Nusskartoffeln und einem Hauch Orangenpfeffer (18,20 Euro). Die gemahlene Nuss an den Schwenkkartoffeln und den Pfeffer hätten wir nicht ausgemacht ohne die Speisekarte, aber ansonsten war alles gut. Der kräftig gewürzte Fisch harmonierte wunderbar mit der süßlichen Note des oftmals verkannten Fenchels.
Die Fleisch-Fraktion entschied sich für einen Kalbsbraten mit Rotkohl-Chutney auf glasiertem grünen Spargel-Karottenstroh, mit einer Art Käsecreme gefüllten Kartoffelklößchen und Rotweinjus (16,40 Euro). Die Entdeckung an diesem Gericht waren die Klößchen. Sie erinnerten an die in unserer Familie so genannten „Kinderklöße“ aus Großmutters Küche, hergestellt aus rohen und gekochten Kartoffeln, die uns selbst aber immer zerfallen beim Kochen und deshalb nun überhaupt nicht mehr zubereitet werden. Entsprechend wurde das Wiedersehen gefeiert! Ergänzt wurden diese kleinen Bällchen durch das zarte, erwartungsgemäß sehr gut schmeckende Kalbfleisch und durch das sehr süße Chutney. Wenn man nicht den Fehler macht, klassischen Rotkohl zu erwarten, kann man positiv überrascht werden. Der Rotweinjus, leider, hätte noch ein wenig mehr Rotwein vertragen können, aber mehr zu meckern gibt es hier nicht.
Crème brulée mal anders
Der Nachtisch: Hier lauerte noch die Überraschung des Abends. An den Desserts probieren sich die Köche ja häufig gerne kreativ aus, und dementsprechend fiel unsere Wahl auf eine Spargel-Crème brulée (6,60 Euro), die knusprig überbacken war und tatsächlich wundervoll aromatisch nach Spargel geschmeckt hat! Dazu passte hervorragend ein süßes Erdbeer-Rhabarber-Chutney mit einem Klecks Waldmeistersahne und einer knackigen Hippe. Also wirklich, Respekt. Desgleichen für die in Weinteig gebackenen Holunderblüten mit Vanillemousse und Kirschsorbet (7,40 Euro). Naja, die Blüten selbst waren auch eher zurückhaltend im Geschmack, aber der knusprige Teig und der Rest haben das ausgeglichen.
Das Kindergericht: Es ist uns nun schon ein wenig peinlich, immer wieder Nudeln mit Tomatensauce zu erwähnen, in diesem Fall mit gebratenen Wienerle (5 Euro) angereichert, aber wir wollen schließlich ehrlich sein. Wählen können die jungen, verdorbenen Gäste aus einer Kinderkarte, die das Herkömmliche bietet. Damit treffen die Restaurantbetreiber vielleicht nicht immer den Geschmack erwachsener Esser bei ihrer Suche nach dem Besonderen, aber zumindest in unserem Fall blieb der Familienfrieden gewahrt.