Ratatouille und Knieste Ratatouille und Knieste: Die "Weinstube" im Quedlinburger Hotel am Brühl vereint Frankreich und Harz

Sieben Kühe standen sich hier jeweils gegenüber, getrennt durch die Stallgasse, und glotzten sich an. Oder fraßen, oder käuten wider, oder was Kühe eben so machen. Schon lange sind sie verschwunden, aufgegessen vermutlich, und was vom Stall übrig blieb, sind die Wände, eine preußische Kappendecke und Stahlsäulen im Raum. Ansonsten aber erinnert nichts mehr im Restaurant „Weinstube“ im Romantik-Hotel am Brühl an die einstige Bestimmung des Hauses. Helles Holzmobiliar auf Fliesenboden vor gelben Wänden unter einer schmiedeeisernen Deckenleuchte, dazwischen einige Antiquitäten – das ist die Hülle, könnte man sagen.
Der Kern aber ist das Essen, natürlich. Wochenlang hatten wir uns bemüht um zwei winzige Plätzchen, erfolglos, es war Weihnachtszeit, die Menschen wollten sich offenbar ständig Gutes tun. Über den Auftakt, als wir später Einlass fanden, Prosecco mit Holunder, müssen wir nicht weiter reden, schmeckt ja eigentlich immer. Der erste Gruß des Hauses war ähnlich unspektakulär: Baguette, gereicht mit grobem Meersalz – ohne Mühle freilich, was eine Herausforderung für die Schleimhäute ist –, Kräuterbutter und Olivenöl. Erste Überraschung: Öl auf Weißbrot. Sind wir noch nie drauf gekommen - eine denkbar einfache, aber schmackhafte kleine Vorspeise. Mit Teller Nummer zwei grüßte der Koch dann schon recht ernsthaft aus der Küche: Ratatouille-Schaumsüppchen – gereicht in einem Tässchen zum Trinken –, Scampi auf Safranrisotto und ein Stückchen Lachs auf Schwarzwurzelpüree. Die Kombination von sehr gut zubereitetem Bodenständigen und ausgesucht Feinem zog sich durch die gesamte Menüfolge, soviel schon mal vorab.
Eigentlich muss man es nicht mehr erwähnen, aber der Vollständigkeit halber: Die Auswahl der Speisen fiel mal wieder schwer, auch wenn die saisonal wechselnde Karte gar nicht so riesig ausfällt. Wir stellten zusammen, wie es uns gefiel, und wählten dabei auch Teile des angebotenen Degustationsmenüs, das mit vier Gängen für 56 Euro oder mit sieben Gängen für 79 Euro angeboten wird.
Und dann brach es wieder an, das Glück des guten Essens, des Genusses, der flüchtigen Freude. Ein Carpaccio von geräucherter Entenbrust, hauchdünn geschnitten, mit Feigenchutney und Feldsalat (13,50 Euro). Vielleicht war der Rauchgeschmack ein wenig zu intensiv für die zarte Ente, aber dennoch: Siehe vorhergehenden Satz. Die süßliche, leicht nussig schmeckende Cremesuppe von kandierten Maronen mit hausgebeiztem Roastbeef (7,50) war ausgesprochen gut, eine echte Überraschung aber gab es auf der anderen Hälfte des Tisches. Eingehüllt in dünnen Strudelteig, lag dort ein Ragout von Rotwurst und Apfel, geschmort mit Majoran und Balsamico. Und gleich daneben eine Scheibe, wir sagen jetzt mal Pastete, ist aber bestimmt nicht korrekt, jedenfalls mehrere Stückchen Räucheraal, umhüllt von einer Fischfarce. Beides sehr kräftig schmeckend und aus diesem Grunde auch zusammen serviert, wie uns der Küchenchef später erzählte. Ach ja, und dann war da noch eine Ochsenschwanzessenz mit einem Raviolo und saisonalem Gemüse (7,50 Euro). Wir essen ja sehr selten, ach, nie Ochsenschwanz. Könnte man aber damit anfangen, dachten wir nach der Suppe. Ein Hauptgericht war das Filet von der Dorade Royal (26 Euro), kräftig gewürzt, mit knuspriger Haut überzogen und ganz großartig. Fisch ist übrigens eine Passion des Küchenchefs, und das war auch zu merken. Dazu gab es mit Trüffelbutter, Trüffelöl und frischen Wintertrüffeln zubereitete Schwarzwurzeln, vermengt mit Tomatenconcassee. Das sind abgezogene und in kleinste Würfelchen geschnittene Tomaten. Was die Schwarzwurzel alles kann!, wunderten wir uns. Ein cremiges Kartoffelpüree, serviert als drei kleine Bällchen, gab es, und dazu noch eine Safransauce. Ihr aber erging es wie vermutlich allen Safransaucen dieser Welt. Naja, zumindest denen, die wir bisher gekostet haben.
#imaage
Die Sauce sieht schön aus, ist aber geschmacklich kaum wahrnehmbar und verliert den Kampf gegen die anderen Komponenten immer. Die gebratenen Wildbratwürste aus der regionalen Karte, gereicht mit sautierten Rosenkohlblättern und Harzer Knieste (17,20) waren wiederum stark im Geschmack, würzig und fettarm. Sie bestehen vorwiegend aus Hirschfleisch, mit ein wenig Wildschwein angereichert und stammen aus der Umgebung. Insgesamt aber kein Aha-Erlebnis für uns - eine Bratwurst bleibt irgendwie eine Bratwurst. Eher störend fanden wir hier zudem die Schokoladensoße-Spuren, die ohnehin etwas zu oft die Teller zierte.
Harzer Knieste übrigens, der Begriff war uns neu, sind kleine, mit Schale gebackene Kartoffeln, traditionell gewürzt mit Kümmel und hier noch zusätzlich mit Rosmarin.
Bleibt noch das Dessert. Die Variation vom „Harzgeist“ (8,20) bestand aus mit dem Kräuterlikör hergestelltem Eis, Pralinen und Mousse. Wie für den Herrn am Tisch gemacht, könnte man sagen. Für die Dame gab es Mandarinensorbet im Proseccosüppchen (3,50), also eine Kugel Eis im Prosecco schwimmend. Ganz okay, aber zu diesem Zeitpunkt waren wir zum einen schon sehr satt, zum anderen konnte uns sowieso nichts mehr überraschen, vielleicht waren wir da schon etwas undankbar.
Noch ein Wort zum Wein: Etwa 65 Flaschenweine stehen auf der Karte, vorwiegend deutsche, selbstverständlich auch von Saale-Unstrut- und Meißener Weingütern. Das Angebot an offenen Weinen ist leider nicht so hochwertig, mit unserem Weißburgunder aus Saale-Unstrut und einem roten Florenbelle aus Frankreich waren wir dann aber doch recht zufrieden, sind uns aber nicht sicher, ob Pierre Steinbrück es auch gewesen wäre.
Küchenchef und Restaurantleiter Sebastian Eppers ist seit gut einem Jahr in den „Weinstuben“ zugange, und er hat sich auf Anhieb 13 Punkte im Gault Millau erarbeitet. Darauf ist er stolz, das kommt selten vor im ersten Jahr eines neuen Küchenchefs. Beigetragen zu diesem Erfolg hat sicherlich die Erfahrung, die er in diversen Gourmet-Restaurants gesammelt hat. Im „Europäischen Hof“ in Heidelberg hat er gekocht. Doch die Liebe forderte ihren Tribut, und so landete Sebastian Eppers wieder im Harz, wo er auch herkommt. Seine Küche ist, wie er sagt, französisch geprägt, saisonal orientiert, regional bestückt, soweit das möglich ist.
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