Prozess Prozess: Höllenqualen im Wald
Magdeburg/MZ. - Bürgit Juhl ist angespannt. Hager wirkt die Frau, als sie das Landgericht in Magdeburg betritt. Wenig später wird sie dem Mann gegenübersitzen, der ihre Tochter umgebracht hat. Was vor mehr als zehn Jahren passiert ist, hat bei der Mutter aus Haldensleben unauslöschbare Spuren hinterlassen. "Frau Juhl hört nachts Maria schreien. Sie hat immer noch Albträume", sagt ihre Anwältin Andrea Schuldt.
Maria, das kleine Mädchen mit den blonden Zöpfen, war sieben Jahre alt, als sie am 3. November 1995 in Haldensleben (Ohrekreis) auf dem Weg zur Schule einem grausamen Verbrechen zum Opfer fiel. Was Oberstaatsanwalt Frank Baumgarten in seiner Anklage schildert, lässt den Zuhörern im prall gefüllten Verhandlungssaal den Atem stocken: Bernd N. hat das Mädchen zufällig getroffen, in seinen Opel gedrängt und schon auf der Fahrt zu einem Hochsitz in einem Wald bei Wolfshausen sexuell missbraucht. Dort hat er die Siebenjährige mit zusammengeknülltem Klebeband geknebelt, mit einer Leine an einen Balken gefesselt und sie entkleidet.
Auf unvorstellbar grausame Weise verging sich der Mann an dem Kind. Anschließend, sagt der Oberstaatsanwalt, hat der Angeklagte das Mädchen in einen 120-Liter-Müllsack gesteckt und diesen verschnürt in einer Tonkuhle ins Wasser geworfen, "um sich Marias zu entledigen". Tage später erst wird die Leiche des Mädchens dort gefunden. Zehn Jahre dauert es, bis die Ermittlungen zu ihrem Mörder von Erfolg gekrönt sind: Eine von 2 400 Speichelproben, die Männer aus dem Raum Haldensleben 2003 abgegeben haben, führt dank einer neuen DNA-Untersuchungsmethode zu Bernd N. Zwei seiner Haare hatte die Polizei im Müllsack gefunden, in dem Marias Leiche lag. N. gesteht sofort, als ihn die Ermittler im August 2005 damit konfrontieren.
Im Gerichtssaal zeigt sich der Mann, der 1957 im brandenburgischen Brieskow-Finkenheerd geboren wurde und 1995 in einem Nachbarort von Haldensleben wohnte, wortkarg. Mehr als die persönlichen Daten hört Richterin Claudia Methling zunächst nicht von ihm. Später wird es nur noch ein kurzes leises "Ja" sein - als Bestätigung dessen, was N. durch seinen Verteidiger Perry Andrae verlesen lassen hat: ein volles Geständnis aller Taten und Abläufe.
Es ist nicht nur der Mord an Maria Juhl, der dem ungelernten, arbeitslosen Mann vorgeworfen wird. 1996 soll N. die 13-jährige Tochter seiner Lebensgefährtin an einem See missbraucht, 1999 zehnmal Geschlechtsverkehr mit einem ebenfalls 13-jährigen Mädchen gehabt haben. An einer lebenslangen Freiheitsstrafe hat selbst der Verteidiger kaum Zweifel. "Ihm ist klar, was ihn erwartet", sagt Andrae. Gegenüber sitzen Bürgit Juhl und ihr inzwischen geschiedener Ehemann Klaus. Er hat lange mit sich gerungen, ob er sich dem Verfahren stellt. Hofft auf eine angemessene Strafe, "die er natürlich dennoch nicht angemessen finden kann", wie sein Anwalt sagt.
Die Kraft, auf Journalistenfragen zu antworten, haben am ersten Verhandlungstag weder Bürgit noch Klaus Juhl. Als Richterin Methling nach 16 Minuten bis zum 28. März unterbricht, verlassen die Eltern von Maria und auch deren Schwester zügig den Saal.
Draußen stehen fassungslos zwei frühere Nachbarn von N. "Das hätte man dem nicht zugetraut", sagen sie. Völlig unauffällig habe der Mann zuletzt mit seiner Lebensgefährtin in Magdeburg gelebt, sich um seine drei Kinder gekümmert. Bis zu dem Tag, als die Polizei vor der Tür stand.