Polizeistrukturreform in Sachsen-Anhalt Polizeistrukturreform in Sachsen-Anhalt: Haseloff lenkt Stahlknecht

Magdeburg - Ministerpräsident Reiner Haseloff hat Innenminister Holger Stahlknecht (beide CDU) die Federführung bei der Polizeistrukturreform aus der Hand genommen. Dies bestätigte das Innenministerium auf Anfrage. Nach MZ-Informationen teilte Haseloff Stahlknecht in kleinem Kreis mit, dass die Fäden für das umstrittene Projekt jetzt in der Staatskanzlei zusammenliefen. Regierungssprecher Matthias Schuppe widersprach der Darstellung, erklärte aber, die Staatskanzlei koordiniere das Prozedere, dies sei aber normal.
Infolge der Personaleinsparungen der Landesregierung verrichten derzeit nur noch etwas mehr als 6 000 Polizeibeamte Dienst auf der Straße - 2 000 weniger als im Jahr 2008. Laut Stahlknecht ist zwar die Zahl der Beamten deutlich gesunken, die Strukturen - sprich die Zahl der Dienststellen - haben sich aber nicht verändert. Würde man nicht gegensteuern, sei die innere Sicherheit im Land in Gefahr.
Ursprünglich gab es zwei Modelle: Modell A war radikaler, es sollte nur noch eine zentrale Direktion in Magdeburg oder Halle geben. Darunter waren vier Inspektionen geplant - kleiner als eine Direktion, aber größer als ein Revier. Dort sollte die Ermittlungsarbeit konzentriert werden. Darunter sollte es 26 Kommissariate geben, die die bisher 40 Reviere und Kommissariate ablösten. Dort würden einfache Delikte bearbeitet. Modell B sah zwei statt drei Direktionen vor, Dessau-Roßlau sollte aufgelöst werden. Darunter sollte es einen etwas breiteren Mittelbau aus elf Revieren und 17 Kommissariaten geben.
Für beide Varianten bräuchte Stahlknecht die Zustimmung des Landtages - vor allem des Koalitionspartners SPD. Anfangs deutete sich an, dass diese Modell B mit kleinen Veränderungen mitträgt. Beim Versuch, ein Modell C zu kreieren, überwarfen sich aber erst Stahlknecht und SPD-Vize Rüdiger Erben. Dann erklärte auch die CDU-Fraktion, sie halte keines der drei Modelle für mehrheitsfähig.
Quasi eine Reform „light“, zu der er nicht die Zustimmung des Parlaments braucht. Vorgesehen ist, alle 69 Polizeistationen in Sachsen-Anhalt zu schließen. Diese kleinsten Polizeidienststellen sind oftmals nachts nicht oder nur mit einer Wachmannschaft besetzt, die auf den Waffenschrank aufpasst. Um die Polizeipräsenz vor Ort zu sichern, sollen Revierbereichsbeamte eingesetzt werden - mindestens einer je Einheits- oder Verbandsgemeinde. Die Zahl der Bereichsbeamten steigt mit der Zahl der Einwohner. Darüber hinaus sind Streifenbereiche geplant - 24 Kilometer große Kreise, in denen rund um die Uhr mindestens ein Streifenwagen patrouilliert.
Stahlknecht will damit im August beginnen. Ob dieser Termin zu halten ist, ist allerdings fraglich. Das Innenministerium hat alle Arbeiten an der Reform gestoppt, nachdem die Staatskanzlei die Zuständigkeit an sich gezogen hat. Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) will alle Beteiligten an einen Tisch holen, um Kritiker zu besänftigen. Dies dürfte aber zu Zeitverzug führen. Ob der aufzuholen ist, ist derzeit nicht absehbar.
Dennoch ist der Vorgang ungewöhnlich und lässt auch den Zeitplan für die Reform ins Wanken geraten - sie sollte ab August umgesetzt werden. Entsprechend deutlich sind die Signale aus dem Innenministerium: „Wir sind höchst irritiert, wir wissen nicht, ob wir unsere Gespräche mit den Gewerkschaften und unsere Planungen fortführen oder alles komplett stoppen sollen“, sagte eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage der MZ. Dem Vernehmen nach hat Stahlknecht auf die konkrete Frage, wie sich Haseloff den Fortgang des Reformprozesses vorstelle, keine Antworten erhalten. Die Staatskanzlei soll das Innenministerium inzwischen aufgefordert haben, sie über Details und den bisherigen Planungsstand zu informieren. Schuppe erklärte hingegen, das Innenministerium habe weiterhin „die volle Verantwortung“ für die Reform. Dass sich die Staatskanzlei „selbstredend mit dem Ministerpräsidenten an der Spitze“ beteilige, sei nicht ungewöhnlich. Es gehe darum, „einzelne Modalitäten zwischen Ressorts und Fraktionen abzustimmen“.
69 Polizeistationen sollen geschlossen werden
Stahlknecht plant bislang, 69 Polizeistationen zu schließen und durch Regionalbereichsbeamte sowie durch rund um die Uhr patrouillierende Streifenwagen in 24 Kilometer großen Einsatzbereichen zu ersetzen. Die Pläne stoßen jedoch auf Widerstand beim Koalitionspartner SPD - allerdings nicht auf allen Ebenen: Während SPD-Chefin Katrin Budde und Fraktionsvize Rüdiger Erben zu den schärfsten Kritikern der Reform zählen, ist Stahlknechts Kabinettsvorlage inzwischen von Finanzminister Jens Bullerjahn und Justizministerin Angela Kolb mitgezeichnet worden.
„Mit Bullerjahn und Kolb bin ich mir einig, die von ihnen geforderten Änderungen haben wir vorgenommen“, bestätigte Stahlknecht auf Anfrage der MZ. Es gebe daher zumindest zwischen den Ministerien keinen Dissens und somit keinen Grund, dass sich die Staatskanzlei des Vorgangs annehme. (MZ)