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Polizeireform in Sachsen-Anhalt Polizeireform in Sachsen-Anhalt: Regionalbereichsbeamte drehen ihre Runden

Von Hendrik Kranert-Rydzy 03.07.2014, 18:19
Mit dem Radl da: Die Polizeiobermeister Rüdiger Ebeling (links) und Karsten Dannemann.
Mit dem Radl da: Die Polizeiobermeister Rüdiger Ebeling (links) und Karsten Dannemann. Jens Schlüter Lizenz

Gommern/MZ - Eine Schwalbe? „Habe ich noch privat. Eine gelbe“, sagt Karsten Dannemann. Dienstlich hingegen sitzen Dannemann und sein Kollege Rüdiger Ebeling nicht mehr auf dem DDR-Kultmokick, sondern auf zwei schicken Mifa-Fahrrädern. Oder sind zu Fuß unterwegs. Als Regionalbereichsbeamte (RBB) der Polizeidirektion Nord im Städtchen Gommern. Der ABV aus DDR-Zeiten ist zurück.

„Meilenstein der Polizeigeschichte“

Und im Gegensatz zu früher, wo manch einer den Abschnittsbevollmächtigten als Bedrohung empfand, freut sich in Gommern alles wie Bolle über die Rückkehr des Schutzmannes auf der Straße. Vor dem DDR-Plattenbau, in dem bislang die Polizeistation Gommern saß und jetzt Dannemann und Ebeling ihr Büro haben, singt der Chor der Grundschule. Der Magdeburger Polizeipräsident Andreas Schomaker spricht von einem „Meilenstein der Polizeigeschichte“ und Gommerns Bürgermeister Jens Hünerbein (parteilos) von einem „Schritt in unserem Sinne, die Polizei rückt näher an den Bürger heran“. Das sei das Ziel seiner Polizeistrukturreform gewesen, assistiert Innenminister Holger Stahlknecht (CDU): „Die Bürger wollen die Polizei wieder auf der Straße sehen.“ Das schaffe „ein Gefühl subjektiver Sicherheit“.

Zahl der Beamten sinkt

Stahlknecht versucht mit seinen Regionalbereichsbeamten, aus der (Personal-)Not eine Tugend zu machen. Er sagt: „Wir müssen Polizei ein Stück weit anders denken.“ Infolge Stellenabbaus wird er im Jahr 2016 nur noch 6 000 Beamte haben - derzeit sind es noch gut 6 300. Die Zahlen sinken dann weiter auf 5 600 bis 5 800 - je nachdem, wie viele Polizisten bereit sind, auch mit Erreichen der Pensionsgrenze mit dann 63 weiter zu arbeiten. Viele Polizeistationen sind bereits jetzt nur noch Potemkinsche Dörfer - leere Hüllen ohne funktionsfähige Polizei.

Genügend Bewerber für Stellen

Stahlknecht will das ändern, in dem er seit Donnerstag je Einheits- oder Verbandsgemeinde im Land mindestens zwei Regionalbereichsbeamte auf Streife schickt. Gut 100 nahmen Donnerstag ihren Dienst auf, die gleiche Anzahl soll noch einmal bis zum Jahresende folgen.

„Das geht jetzt immer Schritt für Schritt, sobald die technischen Voraussetzungen erfüllt sind“, sagt Stahlknecht. An den personellen Voraussetzungen scheint der Plan jedenfalls nicht zu scheitern: „Wir haben genug Bewerber, gleichzeitig rufen mich jeden Tag Bürgermeister an und fragen, wann es denn bei ihnen losgeht.“

Im Gegenzug wird allerdings ein Großteil der bislang 69 Polizeistationen geschlossen und die Verwaltung in vielen Polizeikommissariaten abgebaut. Gerade auf dem Land hat das für massive Kritik gesorgt. Und Bürgermeister Hünerbein gibt gern zu, dass es dank der beiden Regionalbereichsbeamten in seinem Ort gelungen sei, das absehbare Ende der Polizeistation Gommern zu verhindern. Stahlknecht scheint die massive Kritik an seiner Reform - er stand sogar kurz vor dem Rauswurf durch Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) - nicht mehr anzufechten. „Die Stimmung ist gut“, sagt er, und: „Das ist ein guter Tag für die Polizei.“ Und natürlich sei niemand perfekt, daher werde man überall da, wo es nötig ist, noch nachbessern.

„Da, wo wir mal angefangen haben“

Karsten Dannemann (50) und Rüdiger Ebeling (55) gehörten zu den Freiwilligen der ersten Stunde. Und sie freuen sich auf ihren neuen Job: „Wir sind endlich wieder da, wo wir mal angefangen haben“, sagt Ebeling: Als ABV Mitte der 1980er Jahre in Gommern - und mit bis zu 25 Kollegen. Die beiden wollen viel in den Dörfern der Einheitsgemeinde unterwegs sein. Der erste Kontakt zum Bürger - und zu den bis zu 3 000 Badegästen und Campern, die in den nächsten Wochen jeden Tag an einem der 33 Seen rund um Gommern erwartet werden. Zudem kümmern sie sich um Prävention - als Verkehrserzieher in den Schulen und Kindergärten und bei Geschwindigkeitskontrollen davor. „Es wird auf jeden Fall mehr Bürgernähe geben, wir haben mehr Zeit und müssen nicht mehr von einem Sachverhalt zum nächsten hetzen“, so Dannemann.

Auf dem Rad in die Zukunft

Um jene Alltagskriminalität sollen sich künftig die Kommissariate und Reviere kümmern - mit ihren Funkwagen, die in Streifenbereichen rund um die Uhr patrouillieren sollen. 24 Kilometer haben diese im Durchmesser, größtenteils überschneiden sie sich. In diesen Kornkreisen soll innerhalb von 20 Minuten ein Streifenwagen am Einsatzort sein, verspricht Stahlknecht. Es ist der zweite Punkt seiner Reform, die Umsetzung soll Anfang 2015 beginnen und „Mitte nächsten Jahres abgeschlossen sein“, so Stahlknecht. Inklusive einer Reduzierung von Verwaltungspersonal. Dannemann und Ebeling kann das egal sein: Sie setzen ihre Helme auf und radeln zurück in die polizeiliche Zukunft.