1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Polizei: Polizei: Man ist sich nicht grün

Polizei Polizei: Man ist sich nicht grün

Von KAI GAUSELMANN 18.07.2011, 19:03
Guido Steinert ist Personalratschef der Polizei Sachsen-Anhalt. (FOTO: STEDTLER)
Guido Steinert ist Personalratschef der Polizei Sachsen-Anhalt. (FOTO: STEDTLER) CARDO

MAGDEBURG/MZ. - Der Parlamentarier sei eine Nervensäge, "der spielt sich als kleiner Einsatzleiter auf", so ein Beamter. Striegel hat sich vorgenommen, der Polizei bei solchen Einsätzen auf die Finger zu schauen, um Konflikte zu vermeiden oder zu mildern.

Interview mit Vorwürfen

Den Unmut von Polizisten hat jetzt Guido Steinert auf den Punkt gebracht. Der Personalratschef der Bereitschaftspolizei hat der Zeitung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ein Interview gegeben und greift die Grünen allgemein und besonders Striegel scharf an. "In meinen Augen wurde durch einzelne Abgeordnete unter Ausnutzung ihres Status bewusst die Funktionsfähigkeit der Polizei erschwert", so Steinert. Es stelle sich die Frage, ob die "Volksvertreter der Grünen nicht dazu beigetragen haben, die Arbeit der Polizei zu beschweren".

Dem Abgeordneten "Herr S." wirft Steinert vor, sich "handelnden Beamten in den Weg gestellt", lautstark Unmut geäußert sowie von Polizisten "stets und ständig die Angabe von Personalien und Dienstgrad" gefordert zu haben. Außerdem habe er sich "im Umfeld erkennbarer Gewalttäter" aufgehalten. Schließlich wirft Steinert dem Abgeordneten sogar "Mandatsmissbrauch" vor.

Starker Tobak, und die Abkürzung des Abgeordneten mit "Herr S." ist nicht wirklich eine Anonymisierung. Unter den elf Abgeordneten des Parlaments, deren Nachnamen mit "S" beginnen sind neun Vertreter der CDU, Andreas Steppuhn (SPD) und eben Striegel. Nach MZ-Informationen war nur ein weiterer S-Abgeordneter in Halle: Holger Stahlknecht. Man darf davon ausgehen, dass Stahlknecht nicht "auftragsgemäß handelnde Beamte der Schikane bezichtigt" (Steinert) hat. Im Hauptberuf ist der Abgeordnete Stahlknecht ja Innenminister.

"Man kann annehmen, dass ich gemeint bin", sagt Striegel. Er geht gelassen mit der Kritik um. "Es ist in Ordnung, wenn sich ein Personalratsmensch vor seine Kollegen stellt." Die Vorwürfe nannte der Grüne aber "Unfug". Er sei bei der Demo gewesen, "um mäßigend auf beide Seiten einzuwirken" sowie "der Polizei auf die Finger zu schauen". Als Abgeordneter habe er die Aufgabe, die Exekutive, also das Handeln der Regierung, zu kontrollieren. Er habe eben auf Missstände hingewiesen. Striegel erhebt seinerseits schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Als er mit seinem Abgeordneten-Ausweis bei der Polizeikette durchgelassen werden wollte, sei ihm das durch Beamte gewährt worden. Ein Polizist soll ihm eine konkrete Körperöffnung empfohlen haben, wo er sich den Ausweis "reinschieben" könne.

Außerdem sei ein Streifenwagen rücksichtslos durch eine Sitzblockade gefahren. Den Fahrer habe er zur Rede gestellt, so Striegel. Der Beamte habe ihm daraufhin "Dresche" hinter "der nächsten Ecke" angeboten. Außerdem habe die Polizei flächendeckend und ungezielt Pfefferspray über eine Sitzblockade verteilt. Der schwerwiegendste Vorwurf: Ein Gegendemonstrant soll von zwei Beamten auf den Boden gedrückt worden sein; ein Dritter ist laut Striegel hinzugekommen und hat dem Wehrlosen Haarbüschel herausgerissen.

"Das war völlig unmotiviert. Da sollte wohl die Botschaft sein: Leg dich nicht mit der Polizei an", so Striegel. In diesem Fall hat Striegel Anzeige wegen Körperverletzung im Amt erstattet; in den anderen drei Fällen hat auf seine Beschwerde hin die Staatsanwaltschaft von Amts wegen Ermittlungen eingeleitet, unter anderem bei der Ausweis-Episode wegen des Anfangsverdachts der "Nötigung zum Nachteil eines Landtagsabgeordneten".

Ein Problem der Vorwürfe ist eine eher dürre Beweislage. Der Streifenwagenfahrer, der mit Dresche gedroht haben soll, konnte identifiziert werden - Striegel hatte das Kennzeichen notiert. Weil aber Aussage gegen Aussage stand, wurden die Ermittlungen eingestellt. In den anderen Fällen konnten die Beamten nicht identifiziert werden, Polizisten tragen im Demoeinsatz keine Namensschilder oder Nummern. Striegel konnte bei der Körperverletzung aber auch kein Opfer benennen. "Ich bin hinter dem Polizisten her." Als er die Verfolgung des Beamten abbrechen musste und zurück zum Tatort kam, sei der Demonstrant schon weg gewesen.

Trotz der dürren Beweislage ermittelt die Staatsanwaltschaft Halle. Laut einem Sprecher wird nun auf Polizeivideos und Clips, die Demonstranten ins Internet gestellt haben, nach Hinweisen gesucht. So ist also noch unklar, ob Striegel Missstände aufdeckt oder als Abgeordneter Polizeiarbeit behindert.

Verbale Abrüstung

Beide Seiten wollen jetzt aber erst einmal verbal abrüsten. "Wir werden in Kürze mit den Grünen das Gespräch suchen", sagt GdP-Landeschef Uwe Petermann. "Dialog tut Not", sagt Striegel. Und Stahlknecht formuliert salomonisch eine Mittelposition: Die Rechte von Abgeordneten würden "grundsätzlich umfassend gewahrt". Sie müssten jedoch dort enden, wo der Erfolg "übergeordneter ordnungspolitischer Maßnahmen" gefährdet werden würde. "In einer gegenseitigen guten Zusammenarbeit sollte dabei nicht die Grenze des Zumutbaren überschritten werden. Hier gilt es gegenseitig das rechte Maß zu finden."