Neues Gefängnis Neues Gefängnis: Die Wirtschaft entdeckt den Knast
Burg/MZ. - Schlagzeilen ist die Justizvollzugsanstalt (JVA) im mecklenburg-vorpommerschen Waldeck gewohnt. Die jüngsten drehten sich um Schauspieler Karsten Speck, der im offenen Vollzug seine Haftstrafe wegen Betruges verbüßt. Die ersten aber machte die JVA schon mit ihrem Entstehen: Wegen knapper Landeskassen war sie 1996 die erste bundesweit, die von einem Privatinvestor gebaut und vom Land gemietet wurde.
Mehr als zehn Jahre später hat die Wirtschaft endgültig den Justizvollzug für sich entdeckt. In Burg entsteht derzeit das erste Gefängnis, das über das PPP-Modell (Public-Private-Partnership) nicht nur privat gebaut, sondern teilweise auch privat betrieben wird. Mit der Einweihung 2009 sollen dort neben 206 staatlichen Bediensteten 55 privat Beschäftigte arbeiten. Das Modell werde zwölf Prozent billiger als Bau und Betrieb in völliger Eigenregie, sagt das Land. "Es wurden erstmals Vertragslaufzeiten von 25 Jahren festgelegt. Das ermöglicht es dem Investor, für lange Zeit und damit auch preiswerter zu planen", so Justizministeriums-Sprecherin Ute Albersmann. Das Investoren-Konsortium um den Baukonzern Bilfinger Berger wird nach dem Bau nicht nur Küchen- und Reinigungskräfte beschäftigen, sondern auch Angestellte für die Bibliothek, die Pforten, das Gebäude und Fuhrparkmanagement. Selbst Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter werden - mit Ausnahme der Leitungsposten - von den Privaten bezahlt. "Alle hoheitlichen Aufgaben bleiben aber beim Staat", so Albersmann. Dazu gehören neben den Anstaltsleitung etwa die unmittelbare Überwachung der Gefangenen, Aufnahme und Entlassung, Entscheidungen über Disziplinarmaßnahmen.
Kritiker indes meinen, dass sich Justizvollzug und Gewinninteresse der Wirtschaft nicht miteinander vertragen. "Die Frage ist zum Beispiel, wie die Privatbeschäftigten bezahlt werden", sagt Uwe Bülau, Landesvorsitzender im Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD). Billiglohnkräfte - auch wenn nur in der Küche eingesetzt - könnten anfällig für Bestechung und so ein Sicherheitsproblem werden, fürchtet er.
In Chemnitz (Sachsen) will der Personalrat derzeit gegen einen ähnlichen Gefängnisneubau durch Bilfinger Berger vor Gericht ziehen. Unter anderem wird befürchtet, dass Privatbeschäftigte etwa bei Botendiensten oder Aktentransport Zugang zu sensiblen Daten erhalten. Eine Frage, die auch Sachsen-Anhalts Datenschutzbeauftragten Harald von Bose derzeit bewegt. "Ich habe Zweifel, ob alles, was privatisiert werden soll, auch datenschutzrechtlich umsetzbar ist", sagt er. In den kommenden Wochen wolle er dies prüfen. "Ich habe erst auf Drängen und zu spät die Informationen aus dem Ministerium bekommen", kritisiert er. Albersmann kündigte an, dass es in Absprache mit von Bose ein ausgefeiltes Konzept geben werde.
Nicht nur dabei dürften sich beide Seiten auf Erfahrungen aus Hessen stützen. Dort wird seit Januar 2006 die JVA Hünfeld über einen Fünf-Jahres-Vertrag mit der britischen Firma Serco teilprivatisiert betrieben - mit 115 staatlichen und 102 privat Beschäftigten. 660 000 Euro Betriebskosten jährlich will Hessen so künftig sparen. Justizminister Jürgen Banzer (CDU) pries das Modell trotz vieler Kritiker nach dem ersten Jahr als erfolgreich. 76 Prozent der Gefangenen gehen - organisiert über Serco - in der JVA einer Arbeit nach, weit mehr als in vergleichbaren Anstalten. Sorgen um die Zusammenarbeit zwischen Landesdienern und Privatangestellten hätten sich nicht bestätigt.
Für Bilfinger Berger ist das Projekt in Burg Neuland. Im Boot sei deshalb auch eine Sicherheitsfirma, die Erfahrungen in Jugendanstalten der Justiz habe, so Sprecher Thomas Buths. Bis die ersten von 650 Häftlingen einziehen, vergehen noch Jahre. Derzeit werden Gräben für die Mauer um das 27 Fußballfelder große Gelände gezogen. Einweihung der JVA soll im April 2009 sein.