Neubaustrecke Halle/Leipzig-Erfurt Neubaustrecke Halle/Leipzig-Erfurt: Großer Bahnhof für den ICE

Halle (Saale) - Auf diesen Tag haben Bund und Bahn, Bauleute und Behörden mehr als 20 Jahre lang hingearbeitet. 1992 begannen die allerersten Planungen, heute wird die ICE-Schnellfahrstrecke Halle/Leipzig-Erfurt eröffnet. Im Leipziger Hauptbahnhof soll das Ereignis groß gefeiert werden. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich angesagt, ihr Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), die Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen sowie der Chef der Deutschen Bahn, Rüdiger Grube. Zwei Sonder-ICE mit den Namen „Halle“ und „Erfurt“ sollen über die neue Trasse rollen. Ab dem Fahrplanwechsel am kommenden Sonntag wird die Neubaustrecke dann regulär bedient.
Ob beim Festakt in Leipzig auch die Rede davon sein wird, dass die Geschichte der Strecke auch eine von Pleiten, Pech und Pannen ist? Die Rückschläge begannen nicht erst, als im Sommer bekannt wurde, dass das Eisenbahnbundesamt die Zulassung der sechs Brücken zwischen Halle und Erfurt verweigert. Schon 18 Jahre zuvor, Ende 1997, hatten Naturschutzverbände die Notbremse gezogen: Sie klagten gegen die Trassenführung durch die als europäisches Naturschutzgebiet eingestufte Saale-Elster-Aue bei Halle. Das Bundesverwaltungsgericht gab ihnen Recht, die Planer mussten nachsitzen.
Auf der neuen ICE-Trasse zwischen Erfurt und Leipzig/Halle kommt ein neuer europäischer Sicherungsstandard zum Einsatz - das sogenannte European Train Control System, kurz ETCS. Derzeit gibt es in Europa nach Angaben der Deutschen Bahn gut 20 verschiedene Signalsysteme, die sicherstellen, dass nur ein Zug auf einem Streckenabschnitt fährt. ETCS soll sie vereinheitlichen und ist für Neubaustrecken vorgeschrieben. Es wird beispielsweise in den Niederlanden, Italien und Österreich bereits genutzt.
Auf der Trasse Erfurt-Leipzig/Halle fallen die Tempoanzeigen und Ampelsignale am Gleisrand weg. Die Züge sind laut Bahn mit Antennen ausgestattet, geben ihre Position durch und erhalten aus den Stellwerken Informationen für den nächsten Abschnitt. Dadurch können höhere Spitzengeschwindigkeiten erreicht werden, erklärt die Bahn - und mehr Fahrzeuge die Strecke passieren. Bis 2020 soll die komplette Strecke München-Berlin mit ETCS ausgestattet sein.
Ein Jahr später, die Pläne waren nachgebessert, erste Arbeiten an einzelnen Brückenbauwerken im Gange, war es der Bund, der auf die Bremse trat: Die Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) stoppte aus finanziellen Gründen alle damaligen Verkehrswegeplanungen - einschließlich der ICE-Strecke. Erst im März 2002 wurde der Baustopp aufgehoben, es floss wieder Geld. Zwischendurch waren auch noch die Sachsen ausgeschert aus der Allianz mit den für die Strecke kämpfenden Ländern Sachsen-Anhalt und Thüringen. Sachsen wollte vorhandene Strecken auf seinem Gebiet für den schnellen Nord-Süd-Verkehr ausbauen, um Dresden besser an das Bahn-Netz anzuschließen. Der Bund und die Bahn erteilten den Plänen schließlich eine Absage.
So kommt das wichtigste der nach der Wiedervereinigung geplanten „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ nun doch noch zu einem guten Ende. Obwohl: nicht ganz. An der südlichen Fortsetzung der Trasse von Erfurt nach Nürnberg wird noch gebaut - dieser Abschnitt soll in zwei Jahren in Betrieb gehen. Dann wird die gesamte, zehn Milliarden Euro teure Neu- und Ausbaustrecke Berlin-Halle- Erfurt-Nürnberg Teil einer transeuropäischen Verbindung von den skandinavischen Ländern nach Italien sein. Auch der Güterverkehr soll so beschleunigt werden.
Die Deutsche Bahn nennt es selbst „die größte Baustelle Deutschlands“, in Beamtendeutsch heißt es Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 8. Gemeint ist die 500 Kilometer lange ICE-Trasse zwischen Nürnberg und Berlin. 1991 legte die Bundesregierung 17 Schienen- und Autobahnprojekte sowie eine Wasserverbindung fest, um Ost und West besser miteinander zu verbinden. Beispiele für weitere Projekte sind der Neubau der Autobahnen A38 Göttingen-Halle sowie der A14 Magdeburg-Halle. Die zweigleisige und elektrifizierte Hochgeschwindigkeitsverbindung zwischen Berlin und Nürnberg ist sowohl für den Personen- als auch für den Güterverkehr konzipiert.
Das Projekt teilt sich in die drei Abschnitte Nürnberg-Erfurt (VDE 8.1), Erfurt-Leipzig/Halle (VDE 8.2) und die Ausbaustrecke Leipzig/Halle-Berlin (VDE 8.3). Acht Milliarden D-Mark sollte die Neu- und Ausbaustrecke laut Planungen 1992 kosten. Nach Angaben der Bahn werden es am Ende zehn Milliarden Euro sein. Der Bau wird vom Bund, der Europäischen Union und der Deutschen Bahn finanziert. Auf der neuen Strecke können die Züge über weite Strecken bis zu 300 Kilometer pro Stunde fahren. Die Fahrzeit zwischen Berlin und München soll sich mit Ende aller Arbeiten ab 2017 auf knapp vier Stunden verkürzen.
Und die Brückenprobleme, die noch im Sommer die Befürchtung hatten aufkommen lassen, die Strecke werde nicht rechtzeitig fertig? Behoben. Das Eisenbahnbundesamt hat von der Bahn vorgelegte Sicherheitsnachweise inzwischen akzeptiert. Und am Dienstagnachmittag hat das Amt nach Angaben der Bahn auch die Inbetriebnahme genehmigt - weniger als 24 Stunden vor dem Festakt. (mz)