Michael Schäfer Michael Schäfer: War NPD-Funktionär Mitglied beim Ku Klux Klan?
Wernigerode/MZ. - So sieht er sich gern selbst: dunkles Sakko, schickes Hemd. Seriös. Freundlich. Verbindlich. Der Schwiegersohn-Typ. So eilt er zum Kreistag in Halberstadt, wo er den engagierten Kommunalpolitiker gibt. So steht er am Stand der rechtsextremen NPD im Dresdner Landtag und verteilt Postkarten, Zeitungen und CDs rechter Liedermacher - ein braver Parteifunktionär.
Doch das Bürgerliche ist nur Fassade. Nun ist der Name von Michael Schäfer, 30, Chef der NPD-Kreistagsfraktion im Harz, auf einer Liste von Mitgliedern und Ehemaligen eines deutschen Ablegers des Ku Klux Klan aufgetaucht. Der rassistische Geheimbund "European White Knights of the Ku Klux Klan" (EWK) hatte erst im Sommer Schlagzeilen gemacht, weil ihm auch zwei Polizisten aus Baden-Württemberg angehört hatten - beide Kollegen der 2007 mutmaßlich von den Rechtsterroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) erschossenen Polizistin Michèle Kiesewetter. Nach Recherchen des Antifa-Blogs Gamma soll der Ableger bis mindestens 2003 existiert haben.
Mit der MZ reden mag Michael Schäfer nicht, auch Fragen per Mail will er nicht beantworten. Gegenüber dem MDR hatte er vor kurzem eine Mitgliedschaft im Ku Klux Klan bestritten - um dann zu behaupten, dessen deutscher Ableger sei eine Gründung des Verfassungsschutzes gewesen.
Auf der Liste, einem Papier des Verfassungsschutzes Baden-Württemberg, das der MZ vorliegt, steht auch der Name von Thomas R., über Jahre eine Größe in der rechtsextremen Szene Sachsen-Anhalts - und V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz. R. gehörte dem Neonazi-Netzwerk "Blood & Honour" an.
Außer dem sich bürgerlich gebenden Kommunalpolitiker gibt es noch einen anderen Michael Schäfer. Mit Basecap, Sonnenbrille, in schwarzem Dress. So taucht er etwa auf bei einem Neonazi-Aufmarsch beim Sachsen-Anhalt-Tag 2007 in Osterburg, wo er Parolen wie "Hier marschiert der Nationale Widerstand" skandiert. In Dresden hält er 2010 eine Rede bei einer Nazi-Demo. Er wettert gegen die "Lügenrepublik", gegen "Scheindemokraten" und "Scheingesetze". Schäfer, der Scharfmacher. In Sangerhausen marschiert er 2005 bei einer rechtsextremen Demo ganz vorne mit, hinter einem Transparent der "Wernigeröder Aktionsfront" (WAF).
Die Aktionsfront war jahrelang die gewaltbereite Neonazi-Kameradschaft im Harz schlechthin - und Michael Schäfer nicht nur einfach eines ihrer Mitglieder. "Man kann ihn als Ideengeber bezeichnen", sagt Tom Ebinger von der Stabsstelle des Verfassungsschutzes in Magdeburg. Der Brandenburger Verfassungsschutz stuft ihn 2007 im Nachhinein gar als eines der führenden WAF-Mitglieder ein.
Bandenähnliche Gruppierung
Da gibt es die vom Magdeburger Geheimdienst als "bandenähnlich" beschriebene Gruppierung schon nicht mehr: Im Oktober 2005 löst die Aktionsfront sich auf - wohl um einem Verbot zuvorzukommen. Wenig später ist Michael Schäfer wieder da - er gründet den "Stützpunkt" Wernigerode der NPD-Nachwuchsorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN). Auf ihrer Homepage drehen die bei der Mutterpartei untergeschlüpften Neonazis den Behörden eine Nase: "Ab sofort gibt es in Wernigerode eine nationale Gruppe unter dem Schutz des Parteiengesetzes. Eine Gruppe die man nicht einfach verbieten kann. Eine Gruppe, die mit ihrem Parteienstatus ganz andere Rechte besitzt, als wir es als unorganisierte Einzelkämpfer jemals hatten." (Schreibweise im Original)
Bis vor wenigen Wochen führt Schäfer die JN als Bundesvorsitzender. Der Politnachwuchs versteht sich als Bindeglied zwischen den Funktionären und militanten Kameradschaften. Bundeschef ist mittlerweile sein bisheriger Stellvertreter Andy Knape aus Magdeburg, doch Schäfer tritt nach wie vor bei Szene-Veranstaltungen auf. Der Wernigeröder ist im Vorstand nun für "Politik" zuständig. Sein Geld verdient er nach einem Bericht des Internetportals "Endstation Rechts" mittlerweile als Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion in Dresden - nah am Fraktionschef und Bundesvorsitzenden Holger Apfel. Beobachter spekulieren, Schäfer bereite sich im Hintergrund auf höhere Aufgaben in der Mutterpartei vor. Seit ihrer Niederlage bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt vor knapp zwei Jahren ist der NPD-Landesverband in der Bedeutungslosigkeit versunken.
So wie die NPD-Fraktion im Kreistag Harz, die Michael Schäfer führt. Obwohl der 30-Jährige, der an der Uni in Halle Politik studiert hat, als eloquent gelten darf, lassen die demokratischen Parteien ihn und seinen Fraktionskollegen Hans-Jürgen Kuhn konsequent rechts liegen. Möglich macht es die "Harzer Erklärung", in der alle anderen Fraktionen die Zusammenarbeit mit der NPD im Kreistag ausschließen. Anträge der Rechtsextremisten werden durch die Bank weg abgelehnt. "Das funktioniert gut", sagt Kreistagspräsident Michael Haase (CDU).
Anfangs hat die NPD-Fraktion den Kreistag mit Anträgen regelrecht zugepflastert. 39 Anträge allein von Juli 2007 bis Ende 2009 zählt eine Studie der Landeszentrale für Politische Bildung und der Hochschule Magdeburg-Stendal - mehr als alle anderen Fraktionen zusammen. Was nach Fleiß klingt, ist doch nur Fassade: Mehrmals hat die NPD Anträge in veränderter Form einfach erneut eingebracht. Häufig ging es um Themen, für die ein Landkreis gar nicht zuständig ist. Und in den Ausschüssen, in denen die eigentliche Arbeit erledigt wird, blieben die Rechtsextremisten passiv. Ihre Themenpalette reichte von Umwelt bis zu Arbeit und Sozialem - der vergebliche Versuch, sich als Partei der kleinen Leute zu profilieren. "Mittlerweile ist es ruhiger geworden", so Haase.
Vor Provokationen schützt das nicht. Gerade Schäfer müsse er öfter rügen, sagt der Parlamentspräsident. "Und mancher Kollege fühlt sich von den NPD-Leuten auch mal beleidigt." So verurteilte das Amtsgericht Halberstadt den Neonazi im Jahr 2008 wegen Beleidigung, nachdem er den Grünen-Fraktionschef im Kreistag, Peter Lehmann, als "selbst ernannten Kopf der Gesinnungsmafia" beschimpft hatte. In zweiter Instanz wurde Schäfer in diesem Strafverfahren allerdings rechtskräftig freigesprochen.
Und nun also der Ku Klux Klan. Michael Haase reagiert mit resignierten Gelassenheit: "Das macht Herrn Schäfer nicht sympathischer. Aber wundern würde es mich nicht."