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Ausstellung DDR-Ausstellung in Leipzig: Staat bestimmte die industrielle Formgestaltung in der DDR

Von Mike Händler 27.02.2018, 11:00
Der Olympia-Vierer-Bob „DDR I“ von Meinhard Nehmer steht im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig.
Der Olympia-Vierer-Bob „DDR I“ von Meinhard Nehmer steht im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig. dpa

Leipzig - Bunte Eierbecher in Hühnerform, eine Schreibmaschine namens „Erika“ und der Vierer-Bob, in dem Pilot Meinhard Nehmer 1980 zum Olympiasieg in Lake Placid fuhr – das sind Relikte der neuen Ausstellung „Alles nach Plan? Formgestaltung in der DDR“ in Leipzig.

Wie waren die Bedingungen für den Berufsstand Formgestalter in der DDR und welchem Wandel unterlag er? Diesen Fragen gehen die Aussteller im Zeitgeschichtlichen Forum nach.

Insgesamt können sich Besucher mehr als 300 Exponate in sechs Ausstellungs-Räumen ansehen: „Diejenigen, die in der DDR groß geworden sind, werden sich erinnern“, sagt Ausstellungsdirektor Jürgen Reiche.

Ziel der DDR-Produkte: Langlebigkeit

„Formgestaltung“ klingt nach einem ungewöhnlichen und antiquierten Begriff. Projektleiterin Dorothea Kraus erklärt, dass die Formgestaltung im Duktus der DDR einem langlebigen Zweck dienen sollte.

Von „Design“ sei nicht gesprochen worden, denn das sei nur etwas Kurzlebiges, das der Mode unterläge. Oder wie es die SED ausdrückte: „westlich-dekadent“. Daran schließt sich die Frage an, ob es überhaupt ein typisches DDR-Design gegeben habe. Ausstellungsdirektor Jürgen Reiche verneint das genauso wie Zeitzeugen, die in Videosequenzen zu Wort kommen.

Ungezwungene Kreativität in der Formgestaltung gab es in der jungen DDR nicht. Im Zuge der „Formalismusdebatte“ Anfang der 1950er Jahre wurde der „Sozialistische Realismus“ als Staatskunst auserkoren, die auch für die Industrie bindend war. Das widersprach der ursprünglichen Idee der Formgestalter in dem 1949 gegründeten Staat.

Sie wollten weiter in der Tradition des Bauhauses funktionale Gebrauchsgegenstände entwerfen. Eine regelrechte „Geschmackserziehung“ seiner Bürger war das ausgegebene Ziel des SED-Staates. Auch die Hochschule Burg Giebichenstein in Halle wurde ab 1958 eine zentrale Wirkungsstätte für Diplomformgestalter.

Die entstandenen Produkte unterlagen der Planwirtschaft und einer ständigen Kontrolle – sie hatte im Einklang mit der ideologischen Ausrichtung des Staates und dem Herrschaftsanspruch der SED-Führung zu stehen. Frustrierend war für Formgestalter, dass viele ihrer Ideen nicht umgesetzt wurden.

Das 1972 gegründete Amt für industrielle Formgestaltung (AiF) mit Sitz in Ostberlin kontrollierte den Zweck, die Entwicklung und die Produktion industrieller Güter. Hergestellt wurden die Produkte in den Volkseigenen Betrieben (VEB).

Später allerdings „designte“ die DDR doch am Puls der Zeit mit. Schon in den 1970er Jahren exportierte der ostdeutsche Staat wesentlich mehr Konsumgüter, um dringend benötigte Devisen einzunehmen.

So verkaufte man beispielsweise Staubsauger der Marke „Hanseatic“ im Otto-Katalog. DDR-Bürger hingegen sahen in die Röhre - es herrschten Versorgungsengpässe und ein monotones Angebot in den Läden des Binnenmarktes. Obwohl der offizielle Tenor lautete: „Das Beste für die Werktätigen“, sagt Kraus.

Erfinderische DDR-Bürger

Aus der Versorgungs-Misere ging wohl der Erfindungsreichtum von DDR-Bürgern hervor: Weil ein Gartengerät eine große Rarität war, wurde es einfach selbst mit dem Moped-Motor einer Simson produziert. Das schlichte und robuste Erzeugnis der Marke Eigenbau gibt es auch im Museum in Leipzig zu bestaunen.

Erst Ende der 1980er Jahre lockerten sich die starren Ansprüche an die Formgestalter und es gab schon vorher eine Rückbesinnung auf das Bauhaus, das ab 1976 wieder in Dessau ins Zentrum rückte. Das Ende der staatlich gelenkten Formgestaltung wurde am 3. Oktober 1990 besiegelt.

Stringent und vielfältig erzählt die Ausstellung von einem selten thematisierten Teil der DDR-Industriegeschichte. Selbst der viel beschriebene graue Alltag östlich des Eisernen Vorhangs hatte so einige technische Highlights zu bieten: In Leipzig muss man nur hinschauen.

››Die Ausstellung ist bis zum 14. Oktober 2018 zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag, 9 bis 18 Uhr; Samstag/Sonntag 10 bis 18 Uhr, Eintritt frei. (mz)

Hier schon mit Bananen-Tank: Simson-Moped S50 B
Hier schon mit Bananen-Tank: Simson-Moped S50 B
dpa