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Wörlitz Wörlitz: Nach Sanierung kann 230 Jahre alte Tapete wieder bestaunt werden

Von Ilka Hillger 20.06.2016, 15:26
Der Raum „Sonne“ im „Eichenkranz“ wurde vom Vorsitzenden der Gesellschaft der Gartenreichfreunde, Rolf Budde, und von Michael Ermrich (li.), Präsident der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, übergeben.
Der Raum „Sonne“ im „Eichenkranz“ wurde vom Vorsitzenden der Gesellschaft der Gartenreichfreunde, Rolf Budde, und von Michael Ermrich (li.), Präsident der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, übergeben. Thomas Klitzsch

Wörlitz - Man vergisst so schnell. Dabei ist dies die Geschichte einer Rettung, die unbedingt immer wieder erzählt und an die stets erinnert werden sollte. 220 Quadratmeter Wandbespannung, rund 230 Jahre alt, wurden für die Nachwelt erhalten, für heutige Betrachter erst wieder ans Tageslicht geholt. Sieben bis acht Schichten Geschichte lagen auf den kostbar bemalten Leinwandtapeten im historischen Gasthaus „Eichenkranz“ in Wörlitz. Nun ist der Ursprung wieder komplett zu sehen und die siebenjährigen Restaurierungsarbeiten sind beendet.

Abschluss des ehrgeizigen Projekts

Am Wochenende war die Jahreshauptversammlung der Gesellschaft der Freunde des Dessau-Wörlitzer Gartenreiches Anlass, den Raum „Sonne“ der Öffentlichkeit zu übergeben und damit das wohl ehrgeizigste Projekt der Gesellschaft offiziell abzuschließen.

„Die Tapeten waren in einem saumäßigen Zustand und es war eine unglaubliche Arbeit für die Restauratoren“, sagt Rolf Budde, Vorsitzender der Gesellschaft. Neulich habe er sich Fotos aus dem Jahr 2007 angesehen. Eine Zeit, als man im Dachgeschoss durch die marode Abdeckung noch in den Himmel schauen konnte und die Tapeten geborgen wurden. „Keine zwei Jahre hätte der ,Eichenkranz’ mehr gestanden, wenn wir nicht angefangen hätten.“

Die Gesellschaft sanierte über Jahre und bewegte dabei ein Bauvolumen von rund fünf Millionen Euro. Parallel zu den Arbeiten an der Hülle nahmen sich die Leipziger Restauratoren Antje Hake und Jürgen Hampp der inneren, verschlissenen und verborgenen Werte des historischen Gasthauses an, besagter Leinwandtapeten aus vier Räumen.

Fürst Franz ließ den „Eichenkranz“ vermutlich nach Plänen von Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff von 1785 bis 1787 als fürstliches Gästehaus errichten. Der Fürst soll selbst an der Einrichtung und Möblierung der Räume mitgewirkt haben. Ursprünglich waren sämtliche Räume im Gebäude mit Wandbespannungen ausgestattet. Die Leinwände wurden direkt auf das Fachwerk aufgenagelt, anschließend grundiert und mit Leimfarben im Stil der Zeit illusionistisch bemalt. Während mehrerer Umbauphasen und Renovierungen ging der größte Teil der Leinwandtapeten verloren. Bei der nun erfolgten Restaurierung wurden in einigen Räumen fast vollständig oder in Resten erhaltene Tapeten entdeckt, die unter zahlreichen Anstrichen und Papiertapeten verborgen lagen. Die ursprüngliche Wandfassung kann bei den Führungen nun in den Räumen „Sonne“, „Gotischer Raum“, „Raum mit den blauen Masken“ und „Turmzimmer“ besichtigt werden. (mz/ihi)

„Dieses Projekt war auch für uns vom Anfang bis zum Ende etwas Besonderes“, sagt Restauratorin Hake. Es klingt ein wenig Wehmut mit, dass es nun gilt, Abschied von den Leinwandtapeten zu nehmen, aber da ist auch Erleichterung über den glücklichen Ausgang dieser Rettungsaktion, die die Förderung der Ostdeutschen Sparkassenstiftung möglich machte. „Eines unserer größten Projekte in 20 Jahren, sowohl zeitlich als auch finanziell“, bilanziert Michael Ermrich, Präsident der Stiftung. Vor allem seine Kollegin Patricia Werner begleitete die Restaurierung von Anfang an, schaute immer wieder in der Wörlitzer Forsthalle vorbei, in der die Restauratoren ihre Werkstatt eingerichtet hatten.

Nun stehen alle Beteiligten im Raum „Sonne“ und staunen. An der Decke das Rund der Tierkreiszeichen mit der strahlenden und namengebenden Sonne in der Mitte. Rundum die Leinwandtapeten in einem altrosa Ton und mit schwarzen Bordüren. Über der Tür zwei gemalte Pfauen auf dem Stoff. „Wir haben selbst immer wieder gestaunt, was zum Vorschein kam“, erinnert sich Antje Hake an die Entdeckung der ersten Schwanzfeder. Mit einem Glasfaserstift trugen sie und Jürgen Hampp die alten Schichten ab.

„Unsere Aufgabe ist es jetzt, zu zeigen, wie es vorher war“, benennt Rolf Budde nun die vornehmlichste Aufgabe der Gesellschaft der Gartenreichfreunde. Eine Dokumentation der Restaurierung des „Eichenkranzes“ und der Leinwandtapeten sei ein künftiges Projekt, das im Speisesaal des Hauses realisiert werden soll, „damit wir uns immer wieder erinnern, wie es hier einmal aussah“.

Fotos und Filme gibt es aus diesen Jahren zum Glück ausreichend. Da sieht man dann, wie die großen Tapetenwände - im Raum „Sonne“ misst die größte 2,80 Meter mal sechs Meter - durchs geöffnete Fachwerk abtransportiert werden oder wie die bespannten Rahmen in zwei riesigen Regalen lagern.

Logistische Herausforderung

„Die Restaurierung war für uns auch eine logistische Herausforderung“, beschreibt Antje Hake die Arbeit. Höchste Sensibilität attestiert Karin Zinkann den Restauratoren. Sie war die Leinwandtapeten-Beauftrage der Gesellschaft und wie Budde kann sie sich nicht vorstellen, Abschied vom Restauratoren-Paar zu nehmen. „Darum lassen wir uns auch etwas einfallen“, so der Vorsitzende und demonstriert seinen Plan im Raum „Sonne“ am Kamin. Als dieser von alten Anstrichen befreit wurde, deuteten sich an beiden Seiten aufgemalte Zypressen an. Aktuell sind dies gelbliche Schatten. „Aber man hat doch damals keine verwelkten Zypressen hier hingestellt. Die müssen wieder eine grüne Färbung bekommen“, meint Karin Zinkann.

Das Landesamt für Denkmalpflege muss davon noch überzeugt werden. Doch Karin Zinkann findet: „Da muss man den Mut haben, es so zu machen, wie wir es für richtig halten“. Die Leipziger Restauratoren könnten die Zypressen also wieder zum Grünen bringen und den Abschied vom Wörlitzer „Eichenkranz“ noch etwas hinaus schieben. (mz)