Tradition in Wittenberg Tradition in Wittenberg: 24. Weihnachtsschauturnen lockt 600 Besucher an

Wittenberg - Wenn sich knapp 600 Besucher zu einer Turnveranstaltung in der Klein-Wittenberger Turnhalle „Am Elbhafen“ einfinden, dann muss schon ein ganz besonderes sportliches Ereignis dahinter stecken. So geschehen am Samstagnachmittag.
Der Saisonhöhepunkt, das Weihnachtsschauturnen, war angesagt. Da musste man dabei sein.
Wie heißt es so schön: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Dieser Spruch, einstmals von Michail Gorbatschow bei seinem letzten DDR-Besuch geäußert, hatte an Bedeutung nichts eingebüßt, in diesem Fall auf das 24. traditionelle Schauturnen der Grün-Weiß Turner des SV Piesteritz angewandt. Denn, wer es nicht schaffte eine halbe Stunde vor Beginn der zweistündigen Non-Stop-Turnshow in der Halle zu sein, der hatte schlechte Karten (Plätze).
Erwartungsvoll waren sie alle gekommen, den Turnnachwuchs, aber auch die Routiniers in dieser Sportart hautnah zu erleben.
Unter den Besuchern zu entdecken, waren auch solche „Turn-Ikonen“, wie der 85-jährige Siegfried Müller mit Ehefrau Brigitte und Hans Semlow (78), die so etwas wie die Gründungsväter und Vorbilder ganzer Piesteritzer Turngenerationen verkörpern. Alle Genannten sind übrigens noch aktiv. Wer wie Semlow zum Organisationsstab der Turn-WM 1994 in Dortmund zählte, aber auch das Turn- und Sportfest im Leipzig mit gestaltete, genießt noch heute in Piesteritz Kultstatus und wird dort gern „Turnvater“ genannt. Seine Ratschläge und Trainingstipps bei den Grün-Weiß-Turnern werden gern angenommen. Das jetzige Turnerdomizil ist das „Lebenswerk“ des ehemaligen Leistungsturners Semlow. Dafür kämpfte er jahrelang. Nun ist es endlich geschafft. Die Rahmenbedingungen stimmen hier. Stolz darf man auf die Geräteausstattung sein. Alles was ein Turnerherz begehrt, findet man inzwischen hier. Das stellt in Sachsen-Anhalt schon ein Novum dar.
Kostbares Inventar
„Die zwölf mal zwölf Meter Bodenmatte kostete uns übrigens 40 000 Euro, auch der Hochbarren war mit 10 000 Euro nicht gerade billig“, verweist Pressesprecher Jens Fabian auf das kostbare Inventar. All das wird im täglichen Training genutzt. Ab 16 Uhr herrscht in der Halle jeden Tag Hochbetrieb. Familiär geht es bei den Turnern zu. Da sind ganze Generationen von fünf bis 85 Jahren vertreten. „Wir dürfen uns jetzt auch noch „Familienfreundlicher Sportverein“ nennen“, ergänzt Fabian seine Informationen und zeigt mit Stolz auf die Urkunde vom Landessportbund.
Gerade betritt Werner Rohde (62) in Sportkleidung die Halle. Seit 57 Jahren gehört er als „Urgestein“ zu den Turnern und brennt für seinen Sport, nicht anders, wie zu Beginn seiner Turnerkarriere. Als Übungsleiter steht er gerade unter Zeitdruck: „Ich muss mich beeilen. Meine Jungen und Mädchen warten schon auf ihren Einsatz.“ Und im Nu ist er verschwunden. Gar nicht so in typischem Turner-Outfit, sondern im edlen dunklen Zwirn eröffnet unterdessen Abteilungsleiter Hubert Krause die große Turngalashow. Auch Politprominenz, wie Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) und Landtagskandidat Reinhard Rauschning (SPD), wollen sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen. Was nun folgt ist eine Auswahl der gesamten turnerischen Palette der Grün-Weißen, dargeboten in einem atemberaubenden Tempo. Da sind die grazilen Bewegungen bei einer Bodenübung oder am Stufenbarren zu sehen. Tosender Beifall brandet auf, als die zehnjährige Linh Nguyen ihr Können am Boden demonstriert. Einst in Piesteritz turnend, startet sie jetzt für den SV Halle und zählt inzwischen zum Leistungskader Deutschlands. Der Ex-Piesteritzer Fabian Pflug (15) vom SV Berlin belegte als Teilnehmer der Deutschen Jugendmeisterschaften Rang acht von 36 Startern und erreichte damit den B-Kaderstatus.
Applaustornado zum Finale
Das schafft man nicht von ungefähr. 25 Trainingsstunden pro Woche werden dafür investiert. Ähnliches gilt für seinen Freund Tom, der für Halle startet und im Freestyle-Turnen sich probiert. Was wäre indessen ein Weihnachtsturnen ohne Weihnachtsmann? Zum großen Finale taucht der lang erwartete bärtige Mann mit einem großen Geschenkesack auf. Glückliche Kinder ergreifen von den Gaben Besitz. Wer nun allerdings denkt, der uralte Mann mit dem Rauschebart sei ungelenkig, sieht sich getäuscht. In kompletter Weihnachtsmannmontur folgt nun eine perfekte Barrenkür, womit der Beweis angetreten werden kann, dass es keine sportlichen Barrieren für ihn gibt. Der turnende Weihnachtsmann wird mit einem „Applaustornado“ verabschiedet. Als Fazit bleibt: 600 Besucher erlebten eine kurzweilige unterhaltsame Leistungsschau des Piesteritzer Turnsports, für dessen Neuauflage 2016 die Planungen bereits beginnen. (mz)

