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Streit am Eisenhammer Streit am Eisenhammer: Täglich grüßt der Biber

Von Ulf Rostalsky 21.12.2018, 11:56
Norma Austinat schaut sich regelmäßig an, was der Biber am Hammerbach treibt. Sie sieht die Köhlerei in Gefahr.
Norma Austinat schaut sich regelmäßig an, was der Biber am Hammerbach treibt. Sie sieht die Köhlerei in Gefahr. Ulf Rostalsky

Tornau - Die schwarze Flagge am Tor zur Köhlerei haben Norma und Jörn Austinat vor einiger Zeit gehisst. Sie soll ein Zeichen sein. „Hier steht unsere Existenz und deutsches Kulturgut in Frage“, stellt Norma Austinat klar. Der Köhlerei stand das Wasser schon oft bis zum Hals. Im heißen Sommer entspannte sich die Lage. Jetzt steigen die Pegel wieder.

Auch der Frust nimmt zu. Vor Monatsfrist haben die Köhler ein weiteres Mal einen Ablehnungsbescheid zugestellt bekommen. Austinats hatten den Rückbau sämtlicher Biberdämme gefordert. Für sie steht außer Frage: Castor fiber albicus ist das Problem am Hammerbach. Der Elbebiber staut das Wasser an. Das Quellgebiet ist Seenland.

Auch unterhalb der Köhlerei Richtung Tornau steht bis zum sogenannten Halbmond regelmäßig das Wasser. „Da fließt normal nichts mehr ab. Danach ist Ebbe.“ Norma Austinat ist sicher: Das aufgestaute Wasser drückt in die Köhlerei zurück, sorgt für Vernässung und noch schlimmer: Es lässt die Öfen brüchig werden.

Schon im vergangenen Winter hatte aufgestiegenes und dann gefrorenes Wasser dazu geführt, dass selbst mächtige Schamottsteine brachen. Manches ist mittlerweile repariert. „Aber hier steigt das Wasser. Das ist das Problem.“ Norma Austinat hat Protokoll geführt. Binnen weniger Tage ist der Wasserpegel unterhalb der Öfen auf das Niveau von September gestiegen. Die Nässe ist mess- und spürbar. Und das Wasser kommt nach.

Verschiedene Interpretation

Am vorhandenen Wasser scheiden sich die Geister nicht. Köhlerfamilie, Landkreis und Gutachter haben alles zu Papier gebracht. Unterschiedlich interpretiert wird jedoch, welche Wasserfläche wie viel Einfluss auf die Köhlerei hat. Die Interpretation der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises ist folgende: Je weiter die aufgestauten Wasserflächen von der Köhlerei weg sind, desto weniger Zusammenhang zu den dortigen Problemen gibt es.

Der Biber ist das Wappentier der Dübener Heide. Er ist heimisch im Naturpark. Aktuell sei nahezu jedes Gewässer vom Biber besiedelt, erklären Vertreter des Vereins Dübener Heide. Den Bestand beziffern sie auf 300 Tiere.

Zu viele? Ein Ja oder Nein gibt es nicht im Positionspapier „Mensch und Biber“, das vom Verein auf den Weg gebracht wurde. „Es geht um Vernunft. Um Handlungskompetenz statt Ohnmacht“, betont Heidevereinsvorsitzender Axel Mitzka. Mensch und Biber könnten in Nachbarschaft leben. Gerate das Gleichgewicht allerdings in Schieflage, müsse mit Fachwissen und lokalem Sachverstand schnell gehandelt werden. Das ist die Botschaft des Vereins und der Heidekommunen an die Politik.

„Bei Damm 4 haben wir schon vier Meter Höhenunterschied“, erinnert Wittenbergs Vize-Landrat Jörg Hartmann. Wasser, so die klassische Deutung, fließt nicht bergauf. Wohl aber staut es sich an der Köhlerei zurück. Das erkennt offensichtlich auch das Amt an. Es schickt regelmäßig einen ehrenamtlichen Biberbetreuer vorbei. „Der schlitzt jeden Morgen die Dämme.“ Norma Austinat will das nicht verstehen. Morgens wird geschlitzt, dann rauscht das bis zu einem halben Meter hoch stehende Wasser Richtung Eisenhammer ab. Gegen Abend behebt der Biber den Schaden wieder.

„Wir streben eine gemeinsame Lösung mit den Köhlern an. Sie dürfen die Dämme zur Wasserregulierung schlitzen. Das ist auch Inhalt einer Übereinkunft mit der Familie Austinat vom Sommer 2017“, betont Jörg Hartmann. Denn Schlitzen sei kein Zerstören auf Raten, weil die Eingriffe ja nicht auf den Wohndamm ausgedehnt seien. „Wir müssen außerdem sicherstellen, dass der Pegel immer so hoch ist, dass der Eingang zur Behausung unter Wasser liegt.“

Kulturgut oder Naturschutz

„Hier stirbt über kurz oder lang Kulturgut“, setzt Norma Austinat dagegen. Die Köhlerei ist tatsächlich die letzte ihrer Art weit und breit. Ihre Kohle ist beliebt und wird selbst in großen Märkten in Leipzig verkauft. Die Köhler sind sicher, dass der Nager der Übeltäter ist. „Der war hier 700 Jahre nicht ansässig. Das steht selbst in amtlichen Papieren. Hier wird mit Macht eine Art geschützt und eine ganze Region geht kaputt.“

Die Köhlerin zeigt in die Runde. Von Buchenwald am Hammerbach sei wenig geblieben. Von Fisch- und Krebsbestand rede niemand mehr. Wohl aber von einer Vermutung.

Das Gros der heute in der Heide lebenden Biber könnte aus einer Farm stammen, die zum Ende der DDR unterging. Tiere seien freigekommen und hätten sich vermehrt. Auch Hartmann kennt die Geschichte. Er hält sie für nicht unwahrscheinlich. Aber er schließt auch nicht aus, dass der Biber auf der Suche nach neuen Revieren von der Elbe die Heidebäche immer weiter nach oben wanderte.

(mz)

Einer der Dämme, die regelmäßig geschlitzt werden, damit das angestaute Wasser abläuft.
Einer der Dämme, die regelmäßig geschlitzt werden, damit das angestaute Wasser abläuft.
Rostalsky