MZ-Serie Teil 4 Johanna Dannenberg Nicaragua Serie: Weihnachten bei 30 Grad
Ocotal - Wie wird Weihnachten in Nicaragua gefeiert? Um das zu beantworten, habe ich verschiedene Leute aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis gefragt. Schnell wurde mir klar, dass ich so einfach keine Vorstellung davon bekommen werde, wie mein erstes Weihnachtsfest ohne meine Familie, weit weg von Zuhause hier in Nicaragua sein wird.
Als ich als erstes einen meiner besten Freunde fragte, was er denn zu Weihnachten macht, meinte er schlicht und einfach: „Nichts“. Damit wollte ich mich nicht zufrieden geben, denn ich konnte mir kaum vorstellen, dass das Fest der Feste hier spurlos an den Menschen vorbei geht.
Vielleicht lag die Antwort ja nur daran, dass Jungs manchmal nicht gerade die Meister großer Worte sind.
Besonderes zu Weihnachten
Aber auch auf mein Nachbohren hin erhielt ich als zusammenfassende Erklärung die Antwort: „Jedenfalls nichts Besonderes“.
Ich bin in Nicaragua ja schon so einige Überraschungen gewohnt, aber das hatte ich nicht erwartet. Natürlich habe ich auch Leute gefunden, die mit mehr Begeisterung von ihrem Weihnachten erzählt haben, aber letztendlich berichteten die meisten doch nur davon, welches typisch traditionelle Essen es immer gibt.
Religion spielt in Nicaragua eine wichtige Rolle. Die Mehrheit der 6,5 Millionen Einwohner Nicaraguas gehört der römisch-katholischen Kirche an (58,5 Prozent). Zur evangelischen Kirche werden laut Auswärtigem Amt ein Viertel der Bevölkerung gerechnet. Knapp ein Prozent der Bewohner des Staates sind Mitglied bei den Zeugen Jehovas. Aber auch in Nicaragua gibt es Menschen, die sich keiner Religion zugehörig fühlen. Etwa 15 Prozent der Bevölkerung gehört keiner Kirche an. Der Nationalfeiertag, mit dem die Unabhängigkeit gefeiert wird, ist am 15. September.
Mich machte das alles etwas nachdenklich und ich kam zu dem Entschluss, dass die eigentliche Frage eine ganz andere war: „Was bedeutet Weihnachten in Nicaragua?“. Jedes Land hat seine Traditionen und Bräuche, aber das ist ja nicht der eigentliche Hintergrund von Weihnachten.
Die Frage ist doch, was dieses Fest so wichtig macht und ihm Bedeutung verleiht, oder eben auch nicht. Als ich dann meine Fragestrategie änderte, bekam ich von fast allen zu hören, dass es vor allem die Zeit mit der Familie ist, die diese Festtage ausmache.
Diese Antwort kam mir aus Deutschland sehr bekannt vor. Egal, ob die Menschen diese Tage aus christlichem Hintergrund, aus Tradition feiern oder auch nicht, die Bedeutung der gemeinsamen Zeit mit der Familie spielt dabei für fast alle eine große Rolle oder ist sogar der Grund, warum sie Weihnachten feiern.
Und langsam fing ich an, diesen Freund zu verstehen, warum Weihnachten für ihn „nichts Besonderes“ ist. Denn in Nicaragua ist es normal, dass die Familien teilweise über Generationen hinweg alle in einer Hütte auf engstem Raum zusammen wohnen. Bei dem Gespräch mit einem meiner besten Freunde saß ich auf einer Kante vor seiner Hütte, ich konnte einen Blick durchs Fenster in einen Schlafraum werfen.
Vielleicht ist es auch der Schlafraum der ganzen Familie, also der einzige. Dort standen vier Betten, die wie es hier typisch ist, zwar etwas breiter sind als unsere einzelnen Betten in Deutschland, aber dafür kürzer, weil die meisten Leute auch um einiges kleiner sind.
Kein Rückzugsort bei der Familie
Ich habe hier auch so ein Bett und liege immer schräg darin, damit meine Füße nicht überstehen. Diese Betten werden teilweise auch von mehreren Personen zum Schlafen genutzt. Wenn also wirklich die ganze Familie dort tagtäglich zusammen in einem Raum schläft, gibt es wohl zu Hause kaum einen Rückzugsort vor den anderen Familienmitgliedern.
Für mich würde es sich wahrscheinlich so anfühlen, als ob alle ständig aufeinander hocken.
Aus dieser Perspektive gesehen, verstehe ich nun sehr gut, warum man Weihnachten und Zeit mit der Familie als „nichts Besonderes“ beurteilen kann und man sogar noch weiter geht und sagt, dass einem diese Zeit nicht gerade gefällt, sondern eher als „normal“ bezeichnet wird.
Normal ist es in Deutschland wirklich oft nicht, dass man viel Zeit mit seiner Familie hat.
Mir kommt es sogar manchmal so vor, als ob die Weihnachtszeit in Deutschland die Menschen erst wieder so richtig daran erinnert, dass sie eine Familie haben und wie schön es ist, wenn man mit ihr zusammen Zeit verbringen kann.
Natürlich ist das in Deutschland auch der Tatsache geschuldet, dass viele Familien so weit auseinander wohnen- meist unfreiwillig.
Nachdenken über Heilige Nacht
Ich finde es trotzdem traurig, dass die Weihnachtszeit, als besinnliche Zeit, dann eher zu einem Besinnen auf die eigene Familie wird und die Heilige Nacht, die der Weltgemeinschaft ein Beispiel von vollkommener Liebe bringen sollte, eher zweitrangig wird.
Als ob mich das nicht schon genug zum Nachdenken gebracht hätte, erklärte mir dieser Freund weiter, dass immer gesagt wird, dass zu Weihnachten alle Leute ja immer so glücklich seien, was gar nicht stimme.
Er dachte dabei an alle, die zum Beispiel krank und arm sind. Wenn dieser Freund an Menschen denkt, denen es nicht gut geht, dann meint er damit wirklich Leute, die unter Umständen wohnen, die ich mir wohl nicht vorstellen kann. Er selbst wohnt schließlich nur in einer Hütte mit Sandboden.
Ihm gefällt dafür, dass es in Managua, der Hauptstadt von Nicaragua, ein großes Fest zu Weihnachten gibt, wo die Leute für den Eintritt bezahlen oder Spielzeug abgeben. Diese Spenden sollen es möglich machen, dass Kinder mit einer Behinderung ihr eigenes kleines Weihnachtswunder erleben dürfen.
Gern würde er selbst so etwas unterstützen, er habe aber bisher nicht davon gehört, dass es noch weitere solcher Aktionen in anderen Orten gibt.
Weiterhin scheinen in Deutschland, aufgrund der kalten Jahreszeit, alle näher zusammen zu rücken. In Nicaragua wird diese Zeit des Jahres als Sommer bezeichnet, während die andere Jahreshälfte, die Regenzeit, als Winter angesehen wird.
Die Temperaturen zur Tageszeit liegen dabei Sommer wie Winter zwischen 25 und 30 Grad Celsius, wobei im Sommer die Nächte noch etwas mehr abkühlen.
Zur deutschen Weihnachtszeit gehören auch all das Gebäck und die Süßigkeiten, die es nur in dieser Zeit des Jahres in dem Umfang gibt. In Nicaragua gibt es im Allgemeinen so gut wie nirgendwo Schokolade, was auch zur Weihnachtszeit nicht anders ist und aufgrund der Temperaturen auch Sinn macht.
Aber auch sonst gibt es außer „Gofio“, welches aus einer süßen Maismehlmasse besteht und mit dem ich anderen gerne eine Freude mache, indem ich es weiter verschenke, weil es mir selbst meist zu trocken im Mund ist, so gut wie keine Weihnachtssüßigkeiten.
Bleibende Erinnerung
Es gibt sicherlich noch viele weitere Gründe, wieso Weihnachten hier nicht ganz so besonders ist wie ich es aus Deutschland kenne, aber letztendlich kommt es eher darauf an, was ich aus dieser Zeit für mich mache, oder viel mehr, wie ich dem Nächsten mit meiner Zeit begegne und was Weihnachten demzufolge für mich für eine Bedeutung bekommt.
Wichtig ist für mich, was ich aus der Weihnachtszeit für das ganze Jahr mitnehme und genau darauf bin ich dieses Jahr ganz besonders gespannt.
Egal wie verrückt meine diesjährige Advents- und Weihnachtszeit auch sein mag, verbunden mit Silvester, Halloween oder Sommerurlaubsfeeling, sie wird mich wohl immer daran erinnern, dass das Wichtigste bei all dem ist, den Blick für die kleinen und schönen Dinge im Leben, aber vor allem auch für meinen Nächsten, nicht zu verlieren.
In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern eine gesegnete Weihnachtszeit.
(mz)