Höchste Waldbrandgefahrenstufe Höchste Waldbrandgefahrenstufe: Brenzlige Lage im Landkreis Wittenberg

Wittenberg/Annaburg - Am heutigen Mittwoch wird im Landkreis Wittenberg die höchste Waldbrandgefahrenstufe, also die 5, ausgerufen. Die MZ wollte vom Betreuungsforstamt Annaburg, dessen Leiter Philipp Nahrstedt ist, wissen, wie dort die aktuelle Lage eingeschätzt wird. Die Fragen stellte Corinna Nitz.
Nach welchen Kriterien wird die Stufe 5 festgelegt?
Philipp Nahrstedt: Unter anderem werden die Bodenfeuchte, die Feuchte des Laubes, die Luftfeuchte, die klimatische Wasserbilanz der letzten fünf Tage sowie die Temperatur für die Berechnung der Waldbrandgefahrenstufe herangezogen.
Wer berechnet das?
Das macht der Deutsche Wetterdienst Sachsen-Anhalt mit festen Messstationen, diese dienen als Referenzwerte. Der Kreiswaldbrandschutzbeauftragte legt dann die Waldbrandgefahrenstufe fest.
Wie beurteilen Sie selbst die Lage?
Wenn ich einen Waldweg entlang fahre und es hinter mir nur noch staubt, spätestens dann weiß ich, dass die Waldbrandgefahr sehr hoch ist. Beziehungsweise schaue ich mir die Natur in Gänze an, wichtige Anhaltspunkte sind dafür zum Beispiel vertrocknende Gräser oder welkende Bäume.
Welche Gebiete im Kreis sind derzeit besonders gefährdet?
Die Oranienbaumer Heide, die Raßdorfer Heide, die Annaburger Heide und Glücksburg/Seyda. Zum Teil auch die Ostlagen der Dübener Heide. Die Glücksburger Heide ist wegen der Munitionsbelastung besonders kritisch zu betrachten.
Was ist Ihr größter Appell an die Menschen?
Die Bürger sollen sich an die Regeln des Landeswaldgesetzes und allgemeine Vernunft halten. Das heißt, wer den Wald bei Waldbrandgefahrenstufe aufsucht, darf sich ausschließlich auf den Wegen bewegen. Des Weiteren darf ab Waldbrandgefahrenstufe 2 im Wald nicht geraucht oder offenes Feuer entzündet werden. Kraftfahrzeuge dürfen nur auf ausgewiesenen Parkplätzen abgestellt werden und man sollte darauf achten, dass das Fahrzeug nicht auf trockener Vegetation abgestellt ist, da zum Beispiel der Katalysator diese schnell entzünden könnte. Man sollte zudem ein Handy dabei haben, um Hilfe rufen zu können, falls ein Brand entdeckt wird.
Passiert das oft?
Solche Meldungen sind nicht selten, etwa 60 bis 70 Prozent der Waldbrände werden von Waldbesuchenden und aufmerksamen Passanten gemeldet. Die übrigen 30 Prozent von Forstmitarbeitenden und durch das vorhandene Kamerasystem.
Wie soll sich der- oder diejenige verhalten, die einen Waldbrand entdeckt haben?
Waldbesuchende, die einen Waldbrand entdecken, sollten unverzüglich die 112 anrufen und den Anweisungen der Mitarbeiter der Einsatzleitstelle folgen.
Soll man ein Feuer selbst löschen?
Wenn es gerade vor sich hin glimmt, kann es ausgetreten werden. Wichtig ist, trotzdem die Feuerwehr zu alarmieren, damit diese die notwendigen Restlöscharbeiten ausführen kann. Sollte es ein größerer Brand sein, sollte man sich selbst nicht in Gefahr bringen und ausschließlich die Feuerwehr alarmieren und sich in Sicherheit bringen.
Das Klima verändert sich, wir hatten zwei sehr trockene Jahre. Wie viele Waldbrände gab es in jüngerer Vergangenheit und in diesem Jahr?
2020 hatten wir schon 20 Waldbrände. 2018 waren es 65 und im vergangenen Jahr 45.
Können Sie etwas zu den Ursachen sagen?
95 Prozent aller Waldbrände 2019 sind auf Ursachen durch den Menschen zurückzuführen. Dies kann fahrlässig passieren oder aber mit Vorsatz. Leider ist der Anteil von vorsätzlichen Taten sehr hoch. Er schwankt zwischen 50 und 90 Prozent.
Wurde von den Brandstiftern schon mal jemand gefasst?
In vier Fällen laufen derzeit Ermittlungen, ein Brandstifter wurde gefasst.
Was wünschen Sie sich?
Es muss jedem deutlich werden, dass Brandstiftung im Wald nicht nur Wald zerstört, sondern, je nach Ortslage, auch Menschenleben und Sachwerte gefährdet.
Was denken Sie, wie lange die Waldbrandstufe 5 gilt?
Sie wird schon ein paar Tage bleiben, denn es sind keine großen Niederschläge angekündigt und wenn doch, dann sind diese oft sehr lokal zu erwarten.
Auf dem Trockenen
„Die Lage in den Wäldern hat sich nicht entspannt.“ Das stellt auch Jürgen Kristin fest. Er ist Forstoberinspektor im Forstbetrieb Anhalt und damit zuständig für 60.000 Hektar Wald in der Stadt Dessau-Roßlau, den Landkreisen Anhalt-Bitterfeld, Wittenberg und teilweise im Jerichower Land sowie dem Salzlandkreis. „Wir hatten im Jahr 2017 ein außergewöhnlich feuchtes Jahr, 2018 war das wärmste und niederschlagsärmste Jahr seit Beginn der meteorologischen Aufzeichnungen, wo die Böden sehr tief ausgetrocknet sind. Auch 2019 gab es unterdurchschnittlich geringe Niederschläge und auch in diesem Jahr reichen die Niederschläge leider nicht aus. Der vergangene Winter war sehr warm. Die Wasserspeicher im Boden konnten auch diesmal nicht gefüllt werden. Regenwasser ist gegenwärtig eine Mangelressource. Vor allem unsere großen Bäume stehen weiterhin im Trockenen.“
„Das war leider zu befürchten“, meint Jürgen Kristin. „Der Klimawandel ist im vollen Gange.“ Die Langzeitprognosen würden die Befürchtungen bestätigen, dass es auch weiterhin trocken bleiben und die Trockenheit in der Region zunehmen wird. „Wir erhalten die meteorologischen Daten vom Deutschen Wetterdienst und da sieht die Tendenz für die nächsten zwei Wochen nicht gut aus. Wir müssen mit einer weiterhin extremen Trockenheit, mit Ausnahme von regional begrenzten Gewitterschauern, rechnen“, blickt er voraus. Bei den Bäumen, die bereits am Limit sind wie Kiefern, aber auch im Laubholzbereich bei Buchen und Eichen, werde die Tendenz des Absterbens durch Vertrocknen, Pilz- und Käferbefall weitergehen.
„Die Bäume sind durch die Trockenheit geschwächt und sie sind für eine Abwehr zu schwach. Bei einer Massenvermehrung werden Schadinsekten schnell zu Primärschädlingen. Sie befallen dann weitere, auch anscheinend gesunde Bäume“, beschreibt Kristin die Entwicklung. (mz)