Heimatgeschichte Heimatgeschichte: Biografisches und Historisches aus Radis

Radis - Das Selbstbewusstsein in Radis ist groß. „Wir haben auch ein bisschen was zu bieten. Nicht nur Wittenberg, Kemberg und Gräfenhainichen haben große Namen“, sagt Evelin Erdmann (CDU), ihres Zeichens Ortsbürgermeisterin des knapp 1.200 Einwohner zählenden Ortes.
Und überlässt am Freitag der Ortschronistin Isabella Weber das Wort, die in den Räumen des Heimatvereins den etwa ein Dutzend Neugierigen fünf Broschüren vorstellen kann.
Es geht um „Radiser Originale“, so das Motto der Reihe. Und der wohl bekannteste Radiser ist Johann Gottfried Galle, geboren am 9. Juni 1812 als erstes Kind eines Teerschwelers. „Im Pabsthaus bei Radis hat er bei Kerzenschein lesen gelernt. Und am Ende seines Lebens hat er den Zeppelin über Potsdam fliegen sehen“, nennt Isabella Weber zwei Fakten. Dazwischen liegt das Auffinden des Planeten Neptun im Jahr 1846.
Auch Wilhelm Traugott Krug ist ein Radiser Original. Der Sohn des Rittergutspächters in Radis, geboren 1770, hatte in Wittenberg Philosophie und Theologie studiert. Tätig war er an den Universitäten Königsberg (als Nachfolger von Immanuel Kant) und Leipzig. Er habe, so die Ortschronistin, die „staatsbürgerliche Gleichstellung aller Religionsgemeinschaften unterstützt“. 1813 zog er als Freiwilliger in die Befreiungskriege gegen die napoleonische Herrschaft.
Dann ist da noch Balthasar Geyder, geboren 1681 im bayerischen Nördlingen. Er studierte in Wittenberg und ging 1710 als Pastor nach Radis, wo er 57 Jahre wirkte. Verheiratet war Geyder mit Theodora Sophia, Tochter des späteren Wittenberger Bürgermeisters Laurentius Kettner.
Die Übersetzung von Geyders Dissertation (wie damals üblich in Latein) habe sich nun ein Hallescher Professor vorgenommen, kann Isabella Weber freudestrahlend verkünden.
Die schmalen 30-seitigen Hefte, gestaltet und gedruckt von der Agentur Ideenreich des Wittenberger Augustinuswerkes, konzentrieren sich sämtlich vor allem auf die Radiser Zeit der Genannten, bieten Auszüge aus Kirchenregistern und historische Fotos.
Mit der Radiser Küche des Gutes befasst sich hingegen ein Heft, das auf der Auswahl aus einem handgeschriebenen Koch- und Backbuch von Eleonore Freifrau von Bodenhausen beruht. Süßes und Salziges wie vor 100 Jahren kann danach zubereitet werden, etwa „Radiser Sahnenkuchen“, Knickbrot oder auch Radiser Knackwurst.
Umfangreicherer (205 Seiten) sind die Erinnerungen von Maria Richter ausgefallen, die vor über 100 Jahren geborene Radiserin war Bäuerin, Organistin und Schriftstellerin und beschrieb in mehreren Aufsätzen das Leben im Dorf. „Lesen Sie selbst, es ist hochinteressant und zum Teil in echtem Radiser Dialekt“, wirbt die Chronistin zum Lesen und zur Geschmacksprobe des Knickbrotes.
„Dass es so wird, hätten wir nicht gedacht“, lobt Kembergs Bürgermeister Torsten Seelig (CDU) das Engagement und die Beharrlichkeit der Initiatoren. Die Stadt hat einen Beitrag zu den Druckkosten dazu gegeben. Mit dem Kaufpreis sollen weitere Hefte finanziert werden. Die drei Kurzporträts werden während der Weltausstellung Reformation als Aufsteller auch in Wittenberg zu sehen sein.
Erhältlich sind die vier schmaleren Broschüren im Radiser Dorfgemeinschaftshaus zum Preis von je drei Euro, jene über Maria Richter für acht Euro (Infos unter Tel. 034953/3 95 95). (mz)