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Sorgerechtsstreit eskaliert Sorgerechtsstreit in Helbra eskaliert: Mädchen aus Schule gezerrt - Kritik an Härte der Polizei

Von Fabian Wagener und Kai Gauselmann 09.03.2018, 07:42
Eltern aus Helbra solidarisieren sich mit dem Vater.
Eltern aus Helbra solidarisieren sich mit dem Vater. Klaus Winterfeld

Halle (Saale) - Landes-Bildungsminister Marco Tullner (CDU) kritisiert den Polizeieinsatz von Helbra (Mansfeld-Südharz). „Ich finde das extrem unsensibel“, sagte der Minister der MZ.

Er kündigte an, darüber mit Justizministerin Anne-Marie Keding und Innenminister Holger Stahlknecht (beide CDU) zu sprechen.

Polizeieinsatz an Grundschule in Helbra: Achtjährige gegen ihren Willen  abgeholt

Am Montag war in Helbra vor der Grundschule während der Schulzeit eine Achtjährige von mehreren Polizisten, die mit drei Streifenwagen anrückten, abgeholt worden, um sie dem Vater wegzunehmen und sie der Mutter zu übergeben.

Letztere hatte sich in einem Sorgerechtsstreit durchgesetzt. Ein Polizist hatte das schreiende und sich heftig wehrende Mädchen in einen Wagen verfrachtet.

„Das mag ein Einzelfall sein. Ich würde mir aber wünschen, dass man so etwas mit Fingerspitzengefühl angeht und nicht auf dem Schulhof austrägt“, sagte Tullner weiter. Bereits zuvor bezog das Bildungsministerium über Pressesprecher Michael Schulz Stellung.

Disskussion um öffentlichen Polizei-Einsatz ist „massive Belastung“ für die Schule

„Wenn so etwas passiert, ist das für eine Schule eine massive Belastung“, sagte er der MZ. „Die Geschehnisse sind in der Schulöffentlichkeit passiert, wie es sich keiner wünschen kann.“

Wie Schulz sagte, habe das Landesschulamt im Vorfeld versucht zu intervenieren, um so eine Vollstreckung der Gerichtsentscheidung „in der Schulöffentlichkeit“ zu verhindern. Warum es dann doch so kam, könne er nicht sagen.

In Helbra wirken die Geschehnisse offenbar nach. Schulpsychologen seien in Kontakt mit der Schule, sagte Schulz. Überdies werde jeder Klassenlehrer im Unterricht zur Verarbeitung thematisch an die Ereignisse anknüpfen.

Schulleiterin geschockt: „Mir bricht das Herz“

Schon während des Einsatzes, der von dem Vater des Kindes auf Video festgehalten wurde, hatte sich die Schulleiterin geschockt gezeigt. „Mir bricht das Herz“, sagte sie.

Wie es von Seiten des Bildungsministeriums heißt, müsse es nun darum gehen, dass an der Schule Normalität einkehre. Der Schulfrieden stehe im Vordergrund, sagte Schulz.

Das Justizministerium äußerte sich zu der Frage, warum die Vollstreckung an der Schule stattfand, nur knapp. Eine Gefahrenanalyse habe ergeben, „dass die Herausgabe des Kindes in der Wohnung hätte heikel werden können. Es blieben eigentlich nur Hort oder Schule“, sagte Sprecher Detlef Thiel. Von einer Intervention des Schulamtes im Vorfeld sei ihm nichts bekannt.

Polizei-Sprecherin: „Wir haben in Amtshilfe gehandelt“

Der Gerichtsvollzieher, der am Montag mit vor Ort war, wollte sich gegenüber der MZ nicht äußern. Auch die Polizei hielt sich zurück. „Es war ein Beschluss des Gerichts“, sagte Sprecherin Ulrike Diener. „Wir haben in Amtshilfe gehandelt.“ Mehr könne sie nicht dazu sagen.

Von Seiten des Innenministeriums hieß es, dass eine Bewertung der polizeilichen Maßnahmen erst „nach einer sorgsamen Aufarbeitung der Geschehnisse“ erfolgen könne.

„Diese Aufarbeitung wird erfolgen. Sie hat aber, zumal die Polizei im Wege der Amtshilfe tätig war, gerade erst begonnen“, sagte Ministeriumssprecher Stefan Brodtrück.

Die Achtjährige befindet sich seit Montag bei ihrer Mutter, bei der sie in Zukunft aufwachsen soll. Der Vollstreckungsbeschluss kam nach Angaben des Amtsgericht Eisleben zustande, weil es dem Vater innerhalb mehrerer Monate nicht gelungen war, seine Tochter auf den Wechsel in den Haushalt der Mutter einzustellen.

Die Ereignisse an der Grundschule in Helbra waren der vorläufige Endpunkt eines langen und verworrenen Beziehungsstreits. (mz)