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Leben neben der Biogasanlage Leben neben der Biogasanlage: Anwohner in Hayn leiden seit Jahren unter Lärm und Geruch

Von Grit Pommer und Helga Koch 13.04.2018, 10:44
Der Gärreste-Behälter fast 4.000 Kubikmeter Güllesubstrat.
Der Gärreste-Behälter fast 4.000 Kubikmeter Güllesubstrat. Kandel

Hayn - Die Ruhe im Grünen genießen, nach Feierabend ausspannen und abschalten - „deshalb lebt man ja eigentlich auf dem Dorf“, sagt Gerd Hempel.

Für ihn und seine Familie funktioniert das aber schon lange nicht mehr. Die Hempels wohnen am Ende der Hayner Hintergasse, direkt am südlichen Ortsrand. Seit 2010 haben sie dort die Biogasanlage direkt vor der Nase stehen. Laut Online-Kartendienst Google Maps ist ihr Grundstück rund 170 Meter von den beiden großen Zylindern entfernt, in denen Gülle und Biomasse vergoren und die Reste aufbewahrt werden.

Havarie in Hayn ist trauriger Höhepunkt einer Leidensgeschichte

Die Havarie am vergangenen Wochenende ist für die Familie nur der traurige Höhepunkt ihrer Leidensgeschichte. Denn von der Anlage fühlen sie sich schon viel länger in ihrer Wohnqualität beeinträchtigt.

„Ständig fahren hier die Laster über die Straße und bringen Material für die Anlage oder holen Gülle ab“, erzählt Hempel, als er am Tag nach dem Unglück in seinem Garten steht. Gerade in der warmen Jahreszeit, wenn die Anlage befüllt wird, sei die Belastung am größten. Vom Betriebsgelände dringe ständig das Piepen der Rückfahr-Warner herüber. Und das Wummern, mit dem die große Schaufel des Radladers auf den Boden krache.

„Samstag, Sonntag, Feiertag und manchmal bis spät in die Nacht - Ruhezeiten spielen da gar keine Rolle“, schimpft Hempel. Je nachdem, wie der Wind steht, wehe auch der Güllegestank herüber. „Einfach mal draußen sitzen und grillen - das können wir vergessen“, sagt er.

Anwohner am Ortsrand von Hayn fühlen sich von Biogasanlage geplagt

Mit seinem Problem fühlt er sich allein gelassen. „Weiter drin im Dorf hört man das nicht“, ist Hempel überzeugt. Die Anwohner am Ortsrand seien halt die Pechvögel, die mit ihren Grundstücken von der Biogasanlage unmittelbar betroffen sind. Seit 1680 seien die Hempels in Hayn ansässig, gehörten zu den ältesten Familien im Ort. Früher betrieben sie das Schmiedehandwerk.

Gerd Hempel ist Heizungsbauer und pendelt fast 30 Kilometer zur Arbeit nach Sangerhausen. „Aber wozu eigentlich noch?“, fragt er sich. „Da haben es ja die Leute im Neubaublock im Othal ruhiger und schöner.“

Früher sei mal die Rede davon gewesen, dass die Anlage einen Lärmschutzwall bekommen soll. Nichts sei passiert. Inzwischen hat Hempel rund um sein Grundstück Koniferen angepflanzt, um Schall und Gestank zumindest ein bisschen zu dämpfen. Seine Frau Sabine stellt fest: „Wir haben nichts gegen die Anlage, aber sie steht viel zu nah am Ort.“

Hühnermist von der holländischen Grenze wird nach Hayn geliefert

Das findet auch Hempels Bruder Manfred, der auf dem Grundstück direkt nebenan wohnt. Und er wirft noch eine andere Frage auf: Wie ökologisch kann der so produzierte Strom eigentlich sein, wenn für den Antransport des Materials unzählige Liter Diesel verbrannt werden? Am Montag beispielsweise wurde Hühnermist aus einem Betrieb angeliefert, der sich an der holländischen Grenze befindet.

Wie weit der Bauplatz für eine Biogasanlage von bewohnten Häusern entfernt ist, spielt unterdessen für die Genehmigung keine Rolle, heißt es auf MZ-Anfrage aus dem Landesministerium für Umwelt und Landwirtschaft. Anders als bei Windkraftanlagen ist kein Mindestabstand vorgeschrieben. Stattdessen muss mit den Bauplänen ein Lärm- und Geruchsgutachten für den konkret geplanten Standort eingereicht werden.

Fahrzeuge rollen über falschen Anlieferweg zur Biogasanlage

Bereits vor der Gülle-Havarie, nämlich im Februar dieses Jahres, hatte sich in der Ortschaftsratssitzung in Hayn eine Einwohnerin darüber beschwert, dass die Fahrzeuge stets und ständig über die Straße Hinter den Gärten zur Biogasanlage rollen, obwohl das so gar nicht vorgesehen gewesen sei. Auch Bürgermeister Thomas Grohnert (parteilos) bestätigte damals, dass als Anlieferstrecke eigentlich der Feldweg „Pickerts Wiesen“ vereinbart worden sei.

Die Gemeinde Südharz will jetzt prüfen, ob und wie die Beschilderung für die Zufahrt zur Biogasanlage geändert wird, sagt Iris Brauner von der Gemeindeverwaltung Südharz. „Die Angelegenheit ist schon in Bearbeitung.“ Allerdings müsste sich der Ortschaftsrat positionieren.

Nötig wäre, die Probleme der Zufahrtsstraße gründlich und sachlich mit den Anliegern zu besprechen. Es sei nachvollziehbar, so Brauner, dass weniger die Anlage und der Geruch, sondern der Staub und das ständige Piepen für größten Unmut sorgen. (mz)