Willkür in der Behörde Willkür in der Behörde: Werden Beiträge für Pflegekinder pi mal Daumen festgelegt?

Quedlinburg - Wandertage, Klassenfahrten, Geburtstage: Der Landkreis Harz soll einmalige Beihilfen oder Zuschüsse für Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien künftig nach einer Neufassung der entsprechenden Richtlinie regeln. Der Kreis hat dem Jugendhilfeausschuss des Kreistages dazu ein Papier vorgelegt, dem das Gremium mehrheitlich zugestimmt hat. Doch Mario Kessler, ein Pflegevater, ist damit alles andere als glücklich.
Er wirft der Behörde unter anderem vor, Beträge willkürlich festgelegt zu haben: „Dass für mehrtägige Schulfahrten die Kosten in voller Höhe übernommen werden, ist nicht zu beanstanden. Warum aber dann für eintägige Wandertage nur maximal 50 Euro übernommen werden, ist nicht nachvollziehbar. Es fehlt an einer Berechnungsgrundlage oder statistischen Grunddaten“, sagt er.
Willkür in der Behörde: Beschlussvorlage sollte rechtlich nochmals überprüft werden
„Ebenso ist die Festschreibung von 100 Euro für Urlaubsreisen völlig willkürlich und ohne Basis. So werden zum Beispiel in Hamburg und Karlsruhe pauschal 600 bis 800 Euro pro Jahr gezahlt, egal ob eine Urlaubsreise angetreten wurde oder nicht.“ Er wünsche sich deswegen, „dass die Beschlussvorlage zumindest noch einmal rechtlich geprüft wird“, sagt der Pflegevater.
In seiner Begründung der Beschlussvorlage zur Neufassung der Richtlinie betont der Landkreis, dass „die Regelungen zur Umsetzung unter Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes“ festgelegt würden. Die Höhe der zu bewilligenden Beträge der Leistungen für Bildung und Teilhabe hätten sich verändert.
Genaue Höhe sollen in der Richtlinie nicht mehr festgelegt werden
Daher wird „zur Verwaltungsvereinfachung vorgeschlagen, in der Richtlinie nicht mehr die genaue Höhe zu benennen, sondern auf das jeweilige gültige Gesetz zu verweisen.“ Für die Gewährung von Zuschüssen zur Alterssicherung und zur Unfallversicherung für die Pflegestellen werde „die Klarstellung von der Landesgesetzgebung übernommen und damit konkretisiert“.
Außerdem sei bei Klassenfahrten, Schulfahrten, Ferien- und Urlaubsbeihilfen der Punkt hinzugefügt worden, „dass nun auch die Beihilfe zu einem Wandertag in der tatsächlichen Höhe übernommen werden kann“.
Kinder in Pflegefamilien schlechter gestellt?
Kessler ist das Vorgehen der Behörde in vielen Dingen zu bürokratisch. „Ich muss jedem Euro hinterherlaufen“, so sein Vorwurf. Er sieht dadurch Kinder in Pflegefamilien schlechter gestellt als Kinder von Hartz-IV-Empfängern - eben das sollte mit der Neufassung der Richtlinie vermieden werden.
Bei seiner Kritik beruft sich der Pflegevater auf den Grundsatz, dass das Jugendamt von Amts wegen ermitteln solle, welcher Leistungen das Kind bedürfe. Jedes halbe Jahr sollten mit dem Jugendamt Gespräche geführt werden, um diesen Bedarf zu klären. Kessler: „Es gibt Pflegeeltern, die hatten seit fünf Jahren kein Gespräch.“
Kessler kritisiert außerdem, dass das Jugendamt des Landkreises zu wenig Personal hätte. Auf eine entsprechende Anfrage, die er schon 2019 im Jugendhilfeausschuss gestellt hatte, hatte ihm damals dessen Leiterin Carmen Werner geantwortet, dass die Mitarbeiterzahl seit 2007 von 83 auf 122 gestiegen sei. Das Jugendamt war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. (mz)