Reisepass ungültig? Urlauber aus Straßberg Harz sitzt zwei Tage am Flughafen Bangkok fest: Thailand will Reisepass nicht akzeptieren

Straßberg - In „Terminal“ erzählt Steven Spielberg die Geschichte eines Mannes, der im Transitbereich eines Flughafens gefangen ist. Einem Straßberger erging es nun - wenn auch aus anderen Gründen - ähnlich. André Sprung kam aus Deutschland raus, aber nicht in Thailand rein.
Zwei Tage hing er Ende Oktober auf dem Flughafen in Bangkok fest. Was im Film als Komödie mit einem Schuss Drama daherkommt, fand er im echten Leben nicht zum Lachen: „Meine Frau war nervlich am Ende.“ Sie hätte einreisen dürfen - aber nur ohne ihren Mann. Das wollte sie nicht.
Reisepass von André Sprung war weltweit zur Fahndung ausgeschrieben
Was Sprung schildert, wirft viele Fragen auf, einige lassen sich auch nach mehrwöchiger Recherche nicht beantworten. Fakt ist: Als er versuchte, in Thailand einzureisen, war der Reisepass, den er dabei hatte, weltweit zur Fahndung ausgeschrieben. Das wird gemacht, wenn ein Dokument verloren geht.
Rückblick: 2018 fliegt Sprung nach Hurghada in Ägypten. Dort kommt ihm sein Reisepass abhanden. Er sagt, es sei in einem Geschäft am Flughafen passiert; er habe eine Sim-Karte gekauft, sich ausweisen müssen. Erst beim Check-in im Hotel fällt ihm auf, dass das Dokument fehlt.
Der Straßberger meldet den Verlust bei der ägyptischen Polizei. Dann fährt er nach Kairo, wo die zuständige Auslandsvertretung sitzt und ihm einen Ersatz ausstellt, der vorläufig gültig ist und ihm die Rückreise ermöglicht.
Kurz nach dem Urlaub taucht sein Pass wieder auf: Eine Ägypterin habe ihn über Facebook kontaktiert, erzählt er; daraufhin habe er sich gekümmert, dass er ihn wiederbekomme. Mit seinem Reisepass geht Sprung zum Einwohnermeldeamt. Das Wiederauffinden muss gemeldet werden, dazu ist er gesetzlich verpflichtet.
Der in Ägypten verlorene Pass wird wiedergefunden, das zeigt André Sprung dem Einwohnermeldeamt an
Gehe ein Reisepass - oder ein Personalausweis - verloren oder finde er sich wieder an, verlaufe alles nach einem festgelegten Schema, sagt Cathleen Steimecke, die Leiterin der Hauptverwaltung im Harzgeröder Rathaus. Kommt der Pass in Deutschland weg, muss man die zuständige Meldebehörde informieren.
Das Einwohnermeldeamt übermittelt die Daten der Polizei; so landet der Reisepass auf den Fahndungslisten. Genauso funktioniert das umgekehrt: Findet sich das Dokument wieder an, geht erneut eine Meldung an die Polizei.
Auch in Sprungs Fall sei das so gewesen, per Post habe man die Mitteilung rausgeschickt, sagt die Verwaltung. Und der Straßberger ist zunächst auch der Meinung, dass alles seine Ordnung hat: Zweimal reist er mit dem Pass nach Spanien. Und auch am Flughafen in Frankfurt/Main legt er ihn Ende Oktober vor - kurz, bevor er ins Flugzeug nach Bangkok steigt.
Am Flughafen in Frankfurt/Main gibt es keine Probleme mit dem Pass, sondern erst bei der Ankunft in Thailand
Dort angekommen, bekommt er Probleme: Man habe man ihm gesagt, dass sein Pass ungültig sei und er zurückmüsse, erzählt er. Dann klemmt er sich den Schilderungen nach ans Telefon, wendet sich ans Auswärtige Amt, kommt erst mal nicht weiter. Wochenende.
Daraufhin ruft er im Einwohnermeldeamt in Harzgerode an. Das hat sonnabends bis Mittag geöffnet. Die Mitarbeiterin reagiert umgehend - sie erkennt im System, wann Sprung mit seinem wiedergefunden Ausweis da war - und bestätigt schriftlich die Gültigkeit des Passes.
Dasselbe macht die Harzer Polizei. Der diensthabende Beamte sieht, dass der Reisepass noch zur Fahndung ausgeschrieben ist. Ihm liegt inzwischen aber das Schreiben der Stadt vor, und er hat Sprung an der Strippe. Den kennt er, und er will helfen.
Auch das Polizeirevier Harz wurde informiert und reagierte schnell
Doch die offiziellen Papiere aus Sachsen-Anhalt - aufgesetzt auf Deutsch und Englisch - „waren denen zu wenig, die wollten die Bestätigung auf Thai und das Bundessiegel. Die haben nicht mit sich reden lassen“, sagt Sprung, der immer noch kurz davor stand, zurückzumüssen.
Aber im Hintergrund wird weiter telefoniert: Er habe das Auswärtige Amt kontaktiert, sagt der Polizist aus dem Harz auf MZ-Anfrage, dann sei er mit den Ansprechpartnern in Thailand verbunden worden. So durfte Sprung zwar noch nicht einreisen, aber immerhin bleiben. Am Montagmorgen geht mithilfe der Auslandsvertretung alles ganz schnell. Der Urlaub beginnt endlich.
Sprecherin der Polizeiinspektion bittet um Entschuldigung
Was Sprung erlebt habe, „muss fürchterlich sein. Das tut uns auch leid“, sagt Ilona Wessner, Sprecherin der Polizeiinspektion (PI) Magdeburg. Das ist jene Behörde, die die Information, dass sich der Pass wieder angefunden hat, hätte erreichen müssen.
Das habe sie aber nicht; „wir können ausschließen, dass in unserer Organisationseinheit ein Fehler passiert ist“, sagt Wessner, nachdem der Vorgang intensiv geprüft worden sei. Mehrere Kollegen waren daran beteiligt. Etwas Vergleichbares hätten sie noch nie erlebt, Wessner spricht von einem absoluten Einzelfall.
Dass der Reisepass nach seinem Verschwinden weiterhin genutzt wurde, wunderte sie allerdings: „Es ist nicht üblich, einen im Ausland verloren gegangen Ausweis wieder gültig zu machen. Die Gefahr ist zu groß, dass damit Unsinn getrieben wurde“, sagt die PI-Sprecherin.
In der Regel werden Pässe, die im Ausland verschwunden waren, nicht wieder gültig
Das weiß man auch in Harzgerode: Man rate davon ab - künftig wolle man das noch eindringlicher tun -, sagt Kirsten Reuner, Mitarbeiterin des Einwohnermeldeamtes, aber letztlich entscheide der Antragsteller.
Dass Sprung mit seinem Pass nach Spanien fliegen konnte, liegt daran, dass sich EU-Bürger bei einer Reise innerhalb des Schengen-Raumes nicht ausweisen müssen. Es obliegt den Fluggesellschaften, die Identität ihrer Passagiere zu kontrollieren.
Die könnten aber nicht einsehen, wenn Dokumente zur Fahndung ausgeschrieben seien, sagt Wessner. Unklar bleibt indes, weshalb Sprung überhaupt aus Deutschland ausreisen durfte. Er sagt, am Flughafen habe man ihn nur gefragt, ob mal was mit dem Pass gewesen sei - er habe es kurz erklärt, daraufhin sei ihm eine gute Reise gewünscht worden.
Auswärtiges Amt macht auf seiner Webseite auf Probleme in Thailand aufmerksam
Auch wenn der Pass nicht mehr zur Fahndung ausgeschrieben gewesen wäre, hätte die Reise dennoch in die Hose gehen können. Auf der Website des Auswärtigen Amtes steht: „Die Einreise mit einmal als verlustig gemeldeten Reisedokumenten wird in Thailand häufig verweigert, auch wenn diese Dokumente von innerdeutschen Behörden zurückgegeben und der entsprechende Vermerk in den Fahndungslisten gelöscht wurde.“
#alleaertikel
Das Bundesinnenministerium warnt ebenfalls davor. Weiterhin heißt es: „Deutschland kann nicht beeinflussen, ob und wie andere Staaten ihre nationalen polizeilichen Informationssysteme einrichten beziehungsweise ob und wie häufig diese aktualisiert werden.“ Um Unannehmlichkeiten zu vermeiden, empfiehlt es, einen Ausweis, der abhandengekommen war, nicht weiterzunutzen.
Bei der Rückreise hatte das Paar aus dem Harz keine Probleme mehr. Sprung war ohnehin nicht mehr bange gewesen: Er sei ja reingekommen ins Land, sagt er, da würden ihn die Thailänder erst recht wieder rauslassen.
(mz)