Räte im Schnitt 58 Jahre alt Stadt Ballenstedt will Jugendparlament aufbauen: Wie gewinnt man junge Menschen für Kommunalpolitik?
Ballenstedt - Etwa jeder fünfte der rund 9.000 Einwohner der Stadt Ballenstedt ist jünger als 20 Jahre. Im Stadtrat spiegelt sich das allerdings kaum wider, das Durchschnittsalter dort beträgt 58 Jahre, sagt Bürgermeister Michael Knoppik (CDU).
„Das birgt natürlich die Gefahr, dass die Belange jüngerer Menschen übersehen werden“, erklärt er in einem Interview mit der Hertie-Stiftung, die ein Projekt ins Leben gerufen hat, das genau das ändern will und an dem sich die Stadt Ballenstedt beteiligt.
Bürgermeister wünscht sich regelmäßigen Dialog mit Jugendlichen
Als eine von bundesweit zehn Kommunen - beworben hatten sich laut Stiftung 115 - ist Ballenstedt dabei, ein Jugendparlament zu initiieren. Es ist ein zweiter Anlauf; schon vor rund zehn Jahren gab es diese Idee in der Stadt, sagt Knoppik, sie sei aber im Sande verlaufen.
Die Stadt, die einen „Multisportplatz“ für ältere Kinder und Jugendliche bauen will, hatte dazu aufgefordert, Ideen einzubringen. „Die Resonanz war eher ernüchternd“, stellt der Bürgermeister fest.
Informationen „auf Zuruf“ zu bekommen, sei schwierig, daher soll es nun stattdessen einen regelmäßigen Austausch geben, um herauszufinden, wie Kinder und Jugendliche ihre Stadt sehen.
Im Vergleich mit den anderen neun Kommunen in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen hat Ballenstedt mit 6,7 Prozent den zweithöchsten Anteil von Kindern und Jugendlichen zwischen 12 und 15 Jahren an der Gesamtbevölkerung. Das soll sich auch im Jugendparlament widerspiegeln.
6,7 Prozent der Ballenstedter sind zwischen 12 und 15 Jahren jung
Bei der Suche nach Mitstreitern aus dieser Altersgruppe sei es wichtig, nicht nur mit dem Gymnasium in Ballenstedt zusammenzuarbeiten, sondern gleichermaßen mit den Sekundarschulen in Gernrode und Harzgerode. Ebenso komme es nicht allein auf die Zahl der beteiligten Jugendlichen an, sondern darauf, dass Interessengruppen und Altersstruktur ausgewogen seien.
„Es wird interessant sein, die Jugendlichen für politische Entscheidungsfragen zu begeistern“, sagt der Bürgermeister. Eine ganz praktische Aufgabe soll dabei helfen, denn die teilnehmenden Städte und Gemeinden geben „in einem begleiteten Verfahren eine reale kommunalpolitische Entscheidung an Jugendliche ab“, heißt es seitens der Stiftung. Welche das in Ballenstedt sein soll, steht noch nicht fest.
„Wir sind überzeugt, dass Jugendbeteiligung nicht nur gut für die Kinder und Jugendlichen ist, sondern auch für die Kommunen, die auf diese Weise neue Einblicke und Ideen erhalten“, sagt Stiftungsgeschäftsführerin Elisabeth Niejahr.
Die Jugendlichen würden auf unmittelbarem Weg lernen, wie Demokratie funktioniert und was es heiße, sich aktiv in die Mitgestaltung der eigenen Lebenswelt einzubringen. „Uns ist es wichtig, Jugendliche nicht nur zu konsultieren, sondern sie wirklich entscheiden zu lassen.“
Breitbandausbau und Homeschooling sind Themen für das Jugendparlament
Ein „Schattenparlament“ soll das Jugendparlament in Ballenstedt nicht sein, sondern ein „zusätzlicher Input“, betont der Bürgermeister. Aber „es geht nicht nur um Spielplätze“, sagt Michael Knoppik. Ein wichtiges Thema ist ebenso der Breitbandausbau. Der sei Grundlage dafür, „dass Homeschooling überhaupt realistisch ist und die Schüler an ihre Aufgaben kommen“.
Von der stärkeren Einbeziehung Jugendlicher in die Kommunalpolitik erhofft sich der Bürgermeister, auch ein Stück weit der Politikverdrossenheit und -müdigkeit entgegenwirken zu können: Aufgrund der „Komplexität der Problemlagen“ verwundere es nicht, dass die Unzufriedenheit wachse, so Knoppik. Allerdings werde „die Verantwortung zur Veränderung“ zu oft „anderen übereignet“.
„Auf der lokalen Ebene ergeben sich Spielräume für die Entwicklung“
„Die Zukunft dieser Gesellschaft und der Demokratie wird immer mehr eine kommunale Sache sein, weil wir in einem begreifbaren Lebensumfeld operieren“, davon ist der Bürgermeister überzeugt. „Auf der lokalen Ebene ergeben sich Spielräume für die Entwicklung von erfolgreichen Umgangsformen mit kultureller Vielfalt, die wir gerne nutzen wollen“, sagt er im Gespräch mit der Hertie-Stiftung.
Wie sich die Idee eines Jugendparlaments nun am besten in die Praxis umsetzen lässt, soll in der kommenden Woche in einer Videokonferenz mit Vertretern der Hertie-Stiftung besprochen werden. Die am Projekt beteiligten Kommunen erhalten eine professionelle Prozessbegleitung, außerdem einen Sachkostenzuschuss von 5.000 Euro.
››Weitere Informationen gibt es unter www.jugendentscheidet.de (mz)