Besonderer Arbeitsplatz "Rappbode II": Kontrollfahrt auf der Rappbodetalsperre mit Sonnenkraft

Rübeland - Ein kurzes Drehen des Schlüssels wie beim Zündschlüssel im Auto, schon sind die beiden Elektroantriebe gestartet, die Bildschirme im Steuerstand zum Leben erweckt. Sie zeigen zum Beispiel die Akkuleistung, die Geschwindigkeit oder die Tiefe des Wassers unter den Kielen. Carlo Pohle, erster Bootsführer auf der „Rappbode II“, greift nach den Hebeln der Bedienelemente. Ganz langsam und geräuschlos gleitet das Schiff vom Steg weg hinaus auf den etwa 3,9 Quadratkilometer großen Stausee der Rappbodetalsperre - vorbei an Bojen, die Messstellen kennzeichnen, an einer Insel, die einst eine Bergspitze war. Kurven? Richtungswechsel? Kein Problem. Das Boot ist sehr wendig, sagt Pohle und fügt mit einem Schmunzeln hinzu: „Man kann es auf dem Teller drehen.“
Gut zehn Meter lang, vier Meter breit und neun Tonnen schwer ist die „Rappbode II“ - ein Solar-Elektro-Katamaran. „Es ist ein Unikat“, sagt Burkhard Henning, Geschäftsführer des Talsperrenbetriebs Sachsen-Anhalt. Als klar war, dass das vorherige Boot nach gut 50 Jahren außer Dienst genommen werden musste, auch weil es nicht mehr den Anforderungen entsprach, hatte der Talsperrenbetrieb lange nach einer Lösung gesucht. Für den Nachfolger wurde eine Katamaranform entwickelt und mit der Formstaal GmbH Stralsund ein Schiffsbauer gefunden, der das Projekt umsetzte. Knapp 600 000 Euro wurden investiert, die „Rappbode II“ im vergangenen Jahr in Dienst genommen (die MZ berichtete). „Was für die Talsperre wichtig ist: Es ist ein Schiff, das ohne fossilen Kraftstoff betrieben wird. Es läuft rein über Elektrobetrieb“, so der Geschäftsführer. Den Strom dafür liefert die Sonne: Die Akkus werden mit Hilfe von Solarzellen auf dem Dach des Schiffes geladen. „Es ist“, betont Henning, „ein Arbeitsschiff.“
Ein Arbeitsschiff auf einer Talsperre, die der Trinkwasserversorgung dient? „Bootsfahrten gehören zu unserem täglichen Arbeitsfeld“, sagt Carlo Pohle, der Wasserbau beim Wasserschifffahrtsamt gelernt hat und seit zehn Jahren als Stauwart an der Rappbodetalsperre tätig ist. Zum Einsatz kommt das Boot für Fahrten zur Überprüfung der Wasserqualität. Dabei sind Mitarbeiter der Fernwasserversorgung Elbaue Ostharz mit an Bord, die an Messpunkten Wasserproben entnehmen. „Die Überwachung ist wichtig, so dass man rechtzeitig reagieren kann, wenn etwas nicht funktionieren sollte“, erläutert Burkhard Henning. Mit rund 70 Millionen Kubikmetern Wasser ist die Talsperre derzeit übrigens recht gut gefüllt.
Im Sommer kommen regelmäßige Kontrollfahrten hinzu. „Der Stausee wird trotz Verbots zum Baden genutzt. Manche machen am Ufer ein Lagerfeuer oder campen wild, was nicht sein darf“, sagt Carlo Pohle. Er und sein Kollege, der zweite Bootsführer Robert Grüning, würden dann darauf hinweisen, dass das Baden oder Campen nicht erlaubt seien. Die Verbote würden recht häufig ignoriert. „Das sind sowohl Leute aus der Region, die es wissen müssten, aber auch Wanderer, die sich hier niederlassen und das Verbot vielleicht auch aus Unwissen nicht beherzigen“, so Carlo Pohle.
Jetzt, im Herbst, sind an den Ufern allenfalls rastende Vögel zu sehen. Nach einem Blick auf den Überleitungsstollen in Richtung Königshütte geht es weiter, vorbei an der alten Brechanlage, an der einst die Steine für den Bau der Hasselvorsperre gebrochen wurden. Waren es an der Staumauer noch 75 Meter Wasser unter dem Kiel, sind es noch gut eineinhalb, als Carlo Pohle das Boot wendet.
Beprobungsfahrten dauern etwa zwei bis drei Stunden, „je nachdem, wie viele Messstellen angefahren werden müssen“, sagt Robert Grü-ning, der 2004 eine Ausbildung als Anlagenmechaniker für Versorgungstechnik beim Talsperrenbetrieb begonnen hat und heute verantwortlicher Staumeister an der Rappbodetalsperre ist. Kontrollfahrten können, wenn sie bis in die Buchten hineinführen, fünf, sechs Stunden dauern. Die Akkus reichen, um gute acht Stunden über den Stausee zu schippern - mit einer Maximalgeschwindigkeit von neun Kilometern pro Stunde.
Für Personentransporte ist die „Rappbode II“ nicht gedacht. Doch Interessierte können sie sich durchaus näher ansehen: 2019 wird die Rappbodetalsperre 60 Jahre alt - und der Talsperrenbetrieb will zu einem Tag der offenen Tür einladen. Dann soll es auch möglich sein, mit dem Boot zu fahren. (mz)

