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Landmaschinenfabrik Friedrich Dehne Landmaschinenfabrik Friedrich Dehne: Von Halberstadt auf den Acker in ganz Europa

Von Armin Schulze 30.04.2017, 07:45
Das Original der Urkunde der Weltausstellung von 1879 attestiert den Drillmaschinen aus Halberstadt beste Qualität. Manfred K. Thormann, ehemals stellvertretender Geschäftsführer der Fr. Dehne GmbH, hat es dem Museum überlassen.
Das Original der Urkunde der Weltausstellung von 1879 attestiert den Drillmaschinen aus Halberstadt beste Qualität. Manfred K. Thormann, ehemals stellvertretender Geschäftsführer der Fr. Dehne GmbH, hat es dem Museum überlassen. Schulze

Halberstadt - Eine erfolgreiche Halberstädter Firma zeigt auf einem Plan, der kurz nach der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gezeichnet wurde, stolz ihre neue Fabrik: Diese große Ansicht der Landmaschinenfabrik Friedrich Dehne an der Quedlinburger Straße ist ein Dokument Halberstädter Industriegeschichte und gehört zu einem Konvolut aus Akten, Zeichnungen, Fotos und Nachlass-Stücken aus dem Fundus von Manfred K. Thormann. Der ehemals stellvertretende Geschäftsführer und Leiter Produktion, Einkauf und Logistik mit Prokura der Fr. Dehne GmbH u. Co. KG hat es dem Historischen Archiv und dem Städtischen Museum übergeben.

Es begann mit einer Huf- und Beschlag-Schmiede

Der Umgang mit glühendem Eisen schien der aus einer Hufschmiede in Gröningen stammenden Familie Dehne im Blut zu liegen. Heinrich Christian Dehne richtete 1829 eine Huf- und Beschlag-Schmiede in der Voigtei 51 ein. Da die in Halberstadt stationierten Kürassiere noch keinen eigenen Schmied besaßen, war das Geschäft offensichtlich sehr einträglich.

Später kam die Reparatur landwirtschaftlicher Geräte dazu. Landwirtschaft war um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch richtige Handarbeit, die reichlich Muskelkraft erforderte. Die Werkzeuge waren entsprechend einfach und robust. Aber das Geschäft lief und die Dehnes hatten Ambitionen, die weiter reichten, als die vier Hufe von Arbeits- oder Reitpferden turnusmäßig neu zu „besohlen“.

Ausflug zur Weltausstellung 1851 in London

Sohn Friedrich, 1826 geboren, reiste 1851 zur Weltausstellung in London. England war damals das europäische Zentrum der Industrialisierung und der Industrieproduktion schlechthin. Friedrich sah in London viele technische Innovationen. Darunter Drillmaschinen, von denen er gleich drei importierte. Besonders angetan hatte es ihm aber die Dampfmaschine.

Nicht, dass er die nicht kannte. Schließlich hatte Halberstadt seit 1843 einen Bahnhof, war über die Schiene mit der modernen Welt verbunden, war Verkehrsknotenpunkt. Aber eine Dampfmaschine als stationäre Kraftquelle für Transmissionsantriebe oder als Arbeitsmaschine auf dem Acker, das war noch neu. Diese faszinierenden Maschinen gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf.

Transmissionen zogen sich von Etage zu Etage

Zunächst übernahm Friedrich Dehne 1853 die Schmiede seines Vaters, entwickelte die Firma in Richtung Reparaturwerkstatt für Drill- und Dreschmaschinen und erweiterte ab 1856 die Produktionsanlagen weit über die Grenze des angestammten Grundstücks in der Voigtei. Er übernahm die Generalvertretung für englische Dreschmaschinen. Zu dieser Zeit entstand auch das massive, mehrstöckige Fachwerkgebäude, von dem eingangs die Rede war.

Innen war es mit Gussrohrstützen versehen, die die Transmissionen, die Flachriemenantriebe, die sich von Halle zu Halle, von Etage zu Etage zogen, tragen konnten. Offensichtlich gab es in der Voigtei als moderne Kraftquelle schon eine stationäre Dampfmaschine. Teile dieser Transmissionsanlage befinden sich in der Ausstellung des Städtischen Museums.

Ab 1861 wurden Drillmaschinen gebaut

Die Firma baute schon ab 1861 eigene Drillmaschinen und war in der Folge führend in Deutschland bei der Einführung dieser neuen Technologie. Ab 1867 hatte Dehne die Generalvertretung für englische Dampfpflüge inne. Die Firma gehört damit zu den Pionieren dieser effektiven und schonenden Bodenbearbeitung auf großen Flächen.

1862 kam Georg Woolnought nach Halberstadt. Der junge englische Ingenieur sollte technische und sprachliche Probleme lösen, die sich mit den importierten Maschinen ergaben. Das tat er sicherlich erfolgreich, und darüber hinaus sah er Emma, die schöne Tochter des Hauses, verliebte sich in sie, blieb in Halberstadt, heiratete Emma 1864 und wurde technischer Leiter der Fabrik.

Privat

Die Beschlagschmiede in der Voigtei 51 in Halberstadt.

Vom Ingenieur aus England zum Schwiegersohn

Friedrich Dehne muss sehr zufrieden gewesen sein. Die Tochter war glücklich „unter die Haube“ gebracht, er bekam einen überaus fähigen Schwiegersohn der, wie der Firmenchef, ein Faible für Dampfmaschinen hatte.

Woolnought erfand ein Formverfahren für den Eisenguss, das er patentieren ließ. Ab 1878 entstanden in Halberstadt eigene Dampfmaschinen für den Antrieb von Dreschmaschinen und Dampfseilpflügen sowie komplette Dampflokomobilen. Ab 1872 kam die so genannte „Woolnought-Hacke“ hinzu, die der Intensivierung der Bearbeitung von Hackkulturen diente.

Der angestammte Firmensitz in der Voigtei war inzwischen zu klein geworden. So entstand in den Jahren von 1905 bis 1906 an der Quedlinburger Straße ein zweiter Firmensitz von beeindruckenden Ausmaßen. Er war für 500 Mitarbeiter konzipiert. Woolnought fühlte sich in der alten Domstadt offenbar so wohl, dass er seine zwei Schwestern nach Halberstadt holte, die sich mit zwei Neffen Friedrichs vermählten. (mz)

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Ende des 19. Jahrhunderts erlebten die Landmaschinenhersteller in Deutschland ihre Blütezeit. Auch in Hausneindorf wurde produziert.

Andreas Heucke, Sohn eines ortsansässigen Landwirts, gründete 1870 mit einem aus England importierten Zweimaschinen-Dampfseilpflug ein Lohnpflugunternehmen. Insgesamt lieferte die Firma, die später ihren Sitz in Gatersleben hatte, 880 Dampfpflüge in alle Welt. Nur ein paar Jahre vergingen, und er begann, eigene Dampfpflüge zu bauen. Zwei, drei, immer mehr. 1901 war er bei 100. 1945 bei 880.

Und Heucke weltweit ein Name. Bereits 1907 musste der Betrieb, den inzwischen Andreas' Sohn Benno Heucke führte und in dritter Generation von Ulrich übernommen wurde, umziehen. Von Hausneindorf nach Gatersleben. Aus Kapazitätsgründen - und weil das Nachbardorf einen entscheidenden Vorteil hatte: den Eisenbahnanschluss. Von dort aus treten die Heucke-Dampfpflüge ihre Reise an, sie wurden unter anderem nach Indien, Namibia und Sumatra verkauft.

1993 übernahm der Maschinenhersteller Vibromax das einst von Andreas Heucke gegründete Unternehmen, später der britische Hersteller JCB. Inzwischen ist das Werk geschlossen, JCB verlagerte seine Produktion. (mz)