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Motorkunstflug-Meisterschaft in Ballenstedt Deutschen Meisterschaft im Motorkunstflug in Ballenstedt

Von Jessica Hanack 21.07.2016, 18:51
Holger Keil und Kathi Suthau nehmen mit ihrem grünen Flieger, der „Reinsdorf 325“, an der deutschen Meisterschaft im Motorkunstflug teil und haben sichtlich Spaß.
Holger Keil und Kathi Suthau nehmen mit ihrem grünen Flieger, der „Reinsdorf 325“, an der deutschen Meisterschaft im Motorkunstflug teil und haben sichtlich Spaß. Chris Wohlfeld

Ballenstedt - Kathi Suthau ist einfach zu finden. Die rothaarige, zierliche Frau hat zwischen den bunten Motorflugzeugen mehrere Taschen in einem Quadrat drapiert. Darin bewegt sie sich, vollführt eine Vierteldrehung, geht ein paar Schritte rückwärts, bevor sie sich erneut um die eigene Achse dreht. „Push“, „pull“, „relax“ murmelt sie währenddessen.

Es ist morgens, 9.30 Uhr, auf dem Verkehrslandeplatz in Ballenstedt. Seit Montag findet hier die deutsche Meisterschaft im Motorkunstflug statt.

Kathi Suthau ist eine der Teilnehmerinnen und bereitet sich mit solchen Trockenübungen auf ihren Flug vor. Die Taschen symbolisieren die „Box“: einen imaginären Würfel mit einer Kantenlänge von 1 000 Metern, in dem die Piloten ihr Programm absolvieren müssen.

Insgesamt 30 Kunstflieger gehen bei der Meisterschaft an den Start, nur drei von ihnen sind Frauen. Das liegt an dem „biologischen Schubladendenken“, glaubt Kathi Suthau: Motorkunstfliegen ist für viele von vornherein ein Männersport. „Es ist wie beim Autorennen. Da gibt es zwar Frauen als Testpilotinnen, aber keine im echten Lauf“, so Suthau.

Dass Frauen beim Kunstfliegen durchaus im „echten Lauf“ bestehen können, hat sie bewiesen. Die Pilotin ist zweimal deutsche Meisterin geworden, in beiden unteren der vier Leistungsklassen. Frauen und Männer werden in den Klassen nicht getrennt.

2014 hat sie erstmals bei einer Weltmeisterschaft teilgenommen und in der zweithöchsten Kategorie den 21. Platz belegt. Damit erzielte die Brandenburgerin das beste Ergebnis der deutschen Starter. Dennoch will sie sich nicht in den Vordergrund drängen. „Es gibt auch andere Frauen, die gut fliegen“, betont Suthau.

Schon mit 14 für den Segelflug begeistert

Sie selbst sei schon als Kind sehr lebhaft gewesen, erzählt die hauptberufliche Raumausstatterin und sieht darin auch den Grund, weshalb sie zum Kunstfliegen gekommen ist. „Mit 14 Jahren habe ich den Segelflug entdeckt.“

Weil sich bald ihr Talent fürs Fliegen zeigte, wechselte sie vier Jahre später zum Motorkunstflug.

Alle bei Wettkämpfen zugelassenen Figuren sind im Aresti-Katalog festgehalten, benannt nach dem spanischen Graf José Aresti. Zu den bekanntesten Grundelementen zählen:

Der Looping: Hierbei muss mit dem Flugzeug ein möglichst runder Kreis auf- oder abwärts geflogen werden.

Die Rolle: Bei dieser Figur muss sich das Flugzeug um seine eigene Längsachse drehen.

Der Turn: Hierbei wird das Flugzeug mit hoher Geschwindigkeit von der horizontalen in die senkrechte Lage gebracht. Jes

„In der DDR wurden zu der Zeit Kunstfliegerinnen gesucht“, so Suthau. Bis heute ist die Faszination an dem Sport geblieben. Wegen des Adrenalins; wegen des Gefühls beim Fliegen - das mit dem Flug in einer Passagiermaschine nichts zu tun habe; und wegen der „unglaublichen Freude“, wenn sie es fehlerfrei durch ein Programm schafft. „Das Fliegen ist das Sahnehäubchen meines Lebens“, sagt Suthau.

1988 hat sie nach fünf Jahren als Kunstfliegerin dennoch eine Pause eingelegt. 17 Jahre dauerte die Auszeit, unter anderem aus familiären Gründen; erst 2005 stieg Kathi Suthau wieder in ein Motorflugzeug. Im Jahr darauf folgten die ersten Wettbewerbe.

Bei der deutschen Meisterschaft 2006 siegte sie in der Einsteiger-Kategorie - mit einem DDR-Flugzeug. „Ich bin mit exakt der Maschine gestartet, mit der ich 1988 aufgehört habe“, erzählt die Mutter von drei Kindern.

Inzwischen absolviert Kathi Suthau ihre Rollen, Loopings und Turns in einem anderen Flugzeug. Seit 2011 besitzt sie mit drei weiteren Piloten eine eigene Maschine.

Die „Reinsdorf 325“ haben die vier mit Unterstützung eines Luftfahrtexperten selbst zusammengebaut. Eineinhalb Jahre dauerten die Arbeiten, dann war der grüne Zweisitzer flugbereit.

Benannt ist er nach dem Flugplatz im Süden Brandenburgs, auf dem er zusammengeschraubt wurde. Mit ihrem Flieger sind Kathi Suthau und der aus Bernburg stammende Holger Keil auch bei dieser Meisterschaft dabei.

Die beiden treten für Sachsen-Anhalt an, weil ihr Verein, der LSV Looping, seinen Sitz in der Nähe von Jessen hat.

An diesem Wettkampftag steht das „Free-Unknown“-Programm an. Dafür machen die Teilnehmer einer Kategorie je einen Vorschlag für eine Figur, die geflogen werden soll.

„Das ist natürlich eine, die man selbst besonders geübt hat“, sagt Suthau mit einem Schmunzeln. Aus den Figuren wird dann ein Programm zusammengestellt, das die Piloten am Abend vor dem Wettkampf erfahren. Zeit, dieses zu trainieren, gibt es nicht.

Bevor es für sie selbst in die Luft geht, beobachtet Kathi Suthau die anderen Flieger. Sie spricht mit, welche Figur als nächste kommt, und kommentiert: „Sehr schön!“, „Etwas überdreht!“.

Plötzlich ruft die Pilotin „Oh nein!“ und deutet zum Himmel. Ein anderer Teilnehmer ist dort zu sehen und ein fremdes Flugzeug, das den eigentlich gesperrten Luftraum kreuzt. Der Wettkämpfer muss sein Programm unterbrechen. „Der Arme“, sagt Suthau, „es ist ganz schwer, in dieser Stresssituation weiterzumachen.“

Während die Piloten fliegen, ist die Anspannung groß. Volle Konzentration und Aufmerksamkeit sind erforderlich. „Man muss die Technik und den eigenen Körper beherrschen und sich immer im Klaren über die Situation sein“, so Suthau.

Es geht vor allem um Präzision

Beim Kunstfliegen geht es um Präzision, um eine möglichst exakte Ausführung der Figuren. Ein bisschen wie Kunstturnen am Himmel. Sobald man etwa eine Rolle um fünf Grad überdreht, gibt es einen Punkt Abzug; fliegt man bei einer Figur in die falsche Richtung, wird diese mit null Punkten bewertet

. „Das ist schon hart“, sagt Suthau. „Dann kann man einen Platz auf dem Siegerpodest praktisch vergessen.“

Es ist ein heißer Tag in Ballenstedt; die Luft über dem Rollfeld flimmert. Die Piloten suchen Schutz im Schatten ihrer Flugzeuge. Trotz der Hitze muss Kathi Suthau sich konzentrieren.

Nur noch vier Teilnehmer, dann ist ihr Start. Die Anspannung steigt. Ein letztes Mal geht sie das Programm durch und packt einen Zettel mit den aufgezeichneten Figuren in das Cockpit. „Falls ich einen Blackout habe“, sagt sie. „Zeit, auf den Zettel zu schauen, gibt es eigentlich nicht.“

Kurz bevor es losgeht, kommt Holger Keil noch einmal zum Flugzeug. Er hilft Suthau beim Anlegen des Fallschirms, der Pflicht beim Motorkunstflug ist, und wartet bei ihr, bis sie zur Startbahn fährt.

Auf ein Zeichen der Schiedsrichter geht es los. Die „Reinsdorf 325“ erhebt sich in die Luft. Fünf Minuten später ist der Flug vorbei. Der Flieger wird betankt und Kathi Suthau holt Luft.

„Beim Trudeln war ich mit der Drehung zu früh fertig, aber alles andere war gut und klar erkennbar“, sagt sie später entspannter. Welchen Platz Kathi Suthau am Ende belegt, wird sich am Samstag bei der Siegerehrung zeigen.

Titel zu gewinnen ist aber nicht der Hauptgrund, weshalb sie hier ist. Suthau genießt es vor allem, „dieses Fieber“ mit anderen zu teilen. „Montag geht das normale Leben wieder los“, sagt sie. „Das hier ist nur die Zugabe.“ (mz)

Mit der „Reinsdorf 325" geht es für Kathi Suthau in die Luft.
Mit der „Reinsdorf 325" geht es für Kathi Suthau in die Luft.
Chris Wohlfeil
Auf dem Verkehrslandeplatz in Ballenstedt sind in dieser Woche viele bunte Motorflugzeuge zu sehen.
Auf dem Verkehrslandeplatz in Ballenstedt sind in dieser Woche viele bunte Motorflugzeuge zu sehen.
Chris Wohlfeld